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S.
26. XII.1938
PROF. SIGM. FREUD 20 MARESFIELD GARDENS
LONDON N.W. 3
TEL: HAMPSTEAD 2002.Dear Brill
Ich freue mich, Ihnen einmal mit
einem Rat dienen zu können,
wenngleich ich wünsche, es wäre
ein anderer Anlaß gewesen. So
wenig wie Sie sehe ich einen Grund
zu glauben, daß [...]der Analyse
unzugänglich ist, und bevorzuge die
Annahme, daß die Powers an der
Grenze ihres Könnens angekomen
ist. – Was Sie mir von ihren depressiven
Eifersuchtsanfällen schreiben, legt
die Deutung nahe, daß es sich bei ihr
um eine Äußerung des Penis-
neides handelt, der ja bei der
Mehrzal der Frauen das stärkste
Motiv der Neurose ist. [Es fällt
mir auf, daß in beiden Beispielen,
die Sie geben – Bruder und Patient
von P. – sich die Eifersucht auf män-
liche Personen bezieht, obwol
das nicht entscheidend ist, da die Eifer-
sucht über die Bedingung hinaus
greifen könnte. Auch der lebhafte
Wunsch nach einem neuen Kind
fügt sich hier ein, denn ein Kind
ist wieder ein Penisersatz. Dem
widerspricht freilich, daß sie schon
einen Jungen hat, aber der Penis-
neid ist ein diehard, er giebt
sich nicht leicht zufrieden]. -Anderseits weiß ich, daß Frauen
Analytiker aus höchst persön-
lichen Gründen diesen Faktor -
S.
gern in der Theorie [
...]leugnen und ihn
in der Praxis übersehen (z.B. Horney).
Somit komme ich zum Schluß, die Analyse
G's sei fortzusetzen u. zw. bei einem
Mann. Ich wüßte in NY keinen
besser geeigneten als Nunberg. Aber
darüber werden Sie entscheiden
und Sie werden mich hoffentlich
auch wißen laßen, ob ich das Richtige
erraten habe. Es bleibt doch ohne
Kenntnis der Person ein Wagstück.Die Basic writings haben mich
sehr erfreut. Mit Bedauern finde ich
nur die 3 theoretischen Essays (Lust-
prinzip – Massenpsych.– Ich und Es)
von der Samlung ausgeschloßen.
Aber Sie müßen gute Gründe gehabt
haben und Ihre ausgezeichnete
Einleitung geht doch auf dieses Stück
der Lehre ein. Daß ich bereits früher -
einen checkque auf # 500 erhalten, will
mein Gedächtnis nicht erinnern; es
ist allerdings für rezente Ereigniße
nicht mehr zuverlässig. Da ich vor
der Abreise aus Wien alle Auf-
zeichnungen vernichten mußte,
und auch Anna u Martin nichts
mit Sicherheit sagen können, bleibt
mir der Empfang dieses ersten
Betrags zweifelhaft. Es wäre imerhin
möglich, daß der Brief, der den
checkque enthielt, in jenen trüben
Zeiten verloren gegangen ist.
Ich bitte Sie also nachzusehen, wann
dieser frühere Brief abgegangen
ist und ob ein solcher erster cheque
praesentirt wurde. Finden Sie -
S.
alles in Ordnung, so werde
ich meinen Zweifel zur
Ruhe bringen. Die deutsche
Invasion hat mich mehr
gekostet als diesen Be-
trag.Die Zufriedenheit, in
England leben zu
können, wird durch
allerlei Umstände
gestört, unter denen
obenanderdie unbe-
friedigende Gesundheit
meiner Schwägerin
Minna steht, die außer-
dem nach ihrer Cataract-
operation ihre Augen
nicht recht gebrauchen
kann. Meine Frau
und Anna sind wol
u tapfer. Ich leide noch
an recht peinlichen
Knochenschmerzen seit
der letzten Operation
im Sept., und warte -
S.
darauf, daß sie sich mit der
Abstoßung von Sequestern
erledigen sollen. Aber
davon abgesehen, kann
man sich nicht gestatten,
sich wol zu fühlen,
wenn soviel Hilferufe
unausgesetzt zu einem
dringen und man so
ohnmächtig ist, wie wir
hier als Gäste ohne
Einfluß natürlich sind.In Erwartung Ihrer
Antwort u mit herz-
lichen Grüßen für
Sie und Ihre Frau
Ihr alter
Freud