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S.
16. XI. 14.
Dear Dr Brill! Ihr Brief vom
27/X heute eingetroffen. Es ist nicht die Zeit, Miß-
verständnisse mit seinen Getreuesten auf-
kommen zulassen. Nehmen Sie also bitte die
nachfolgende Erledigung als definitiv. Es war
ungeschickt von mir, nicht an die Möglichkeit
zu denken, daß ein Brief von Ihnen ver-
loren gegangen sein könnte. Man war
damals an die Unsicherheit des Postver-
kehrs in seinen Gedanken noch nicht gewöhnt.
Da ich nun Ihre Äußerung vermißte, nahm ich
an, Sie hätten keinen Gefallen an der
Arbeit gefunden, seien mit Ihrer Erwähng
unzufrieden udgl. Ich getraute mich also nicht,
Ihnen die Übersetzg anzutragen, die
ich gleich anfangs ins Auge gefaßt hatte
Als Payne schrieb, er hielte solche Übersetzg
für sehr zweckmäßig, fragte ich bei ihm
an, ob er sie machen wolle mit der Motivi-
rung, Sie wären wahrscheinlich durch
die großen Übersetzungen mehr als
genügend beschäftigt. Er akzeptirte
und ich schrieb ihm dann, es sei mir recht,
aber er müße zuerst Ihre Einwilligung
haben, das sei Bedingung; da der Brief-
verkehr jetzt 6 Wochen hin und her
in Anspruch nehme, solle er direkt
bei Ihnen anfragen. Sie sehen, es ist der- -
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selbe Fall wie vor einiger Zeit mit Putnam.
Es steht immer bei Ihnen, ob Sie eine solche
Übersetzg zulassen wollen, u ich gebe die
Erlaubnis nur mit dem ausdrücklichen
Hinweis auf Sie. An diesem Sachverhalt
wird sich von mir aus nichts ändern.
Sie können in Betracht ziehen, ob Sie sich nicht
von besseren Arbeiten abhalten lassen
und ob es nicht rascher herauskommt, wenn
mehrere an der Arbeit sind, aber das
ist Sache Ihrer Überlegung. Mein Benehmen
ist festgelegt.Mit einer „Unzufriedenheit“ von meiner
Seite hat es gar nichts zu thun. Wenn man
auch sagt, Ihr Stil sei nicht so fein wie
der eines genuine Engländers, so kann
ich das doch nicht beurteilen, und muß
die Sicherheit Ihres Verständnisses
höher einschätzen. Auch bin ich nicht
unzufrieden, sondern sehr dankbar
für die große Mühe, die Ihnen die
Umarbeitung von Alltagsleben und
Witz gemacht haben. Was an Unzufrie-
denheit bei mir ist, davon habe ich noch
nie gegen jemand ein Wort gesprochen.
Ich hatte in der Trdeutung mehrere (natür-
lich nur intime) Misverständnisse
des Textes gefunden und mich vorbereitet,
Ssie Ihnen in München, wohin Sie nicht
kamen, zu zeigen. Das können Sie un- -
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möglich gewußt haben.
Mit Jones habe ich kein Wort und keine Zeile
über die Übersetzg wechseln können, wenn
mein Gedächtnis sicher ist. Jedenfalls geht
sein Vorschlag ganz ohne Autorisation
von mir aus und hat mich sehr gewundert.
Ich bin nämlich nicht dafür, Jelliffe zu
nähren, u obwol ich auch hier Ihnen die
Entscheidung überlassen muß, bevorzuge
ich bei weitem Prince’-s Journal.Resultat: Sie können wissen, wie ich mich
in Übersetzungsangelegenheiten immer
verhalten werde, und ich möchte diese
Arbeit bald übersetzt sehen.Der Krieg hat auch mir nicht viel Gutes
gebracht. Zwei meiner Söhne sind bei der
Armee, noch in Ausbildung, kommen
im Winter oder Frühjahr vor den Feind.
Meine Praxis hat aufgehört. Ich habe mich
endlich vor der peinlichen Langeweile
durch die Unternehmung größerer
Arbeiten für spätere Publikation
gerettet. Die Wissenschaft ist todt in
Europa, hoffentlich nur scheintodt.
Alles was „International“ heißt, dürfte
für ein Dezennium abgethan sein.Es ist sehr verdienstlich, daß Sie den Lügen
die man über uns verbreitet, so -
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energisch entgegentreten. Ich glaube, in keinem
Krieg hat noch die Verleumdung eine
so große Rolle gespielt. Schön ist das
Ganze nicht. Die Parteinahme Amerikas
für Deutschlands Feinde ist ein trübes
Anzeichen. Ihre Hoffnung auf baldigen
Frieden kann ich nicht theilen. Für
Ihre guten Nachrichten von Ihrer Familie
danke ich Ihnen sehr, und wenn Wünsche
noch eine Spur Allmacht haben, wird
alles sehr gut gehen und ein Sohn
Ihrer Homosexualität Befriedigung
bringen.Mit herzlichem Gruß
Ihr getreuer
Freud