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S.
11 Juni 22
Lieber Brill
Auch ich war sehr erfreut endlich einen
Beitrag von Ihnen für das Journal
zu sehen, hoffentlich nicht den letzten.
Dagegen hat es mir leid gethan zu hören,
daß Sie eine böse Zeithinter sigehabt
haben. Aber Sie sind jung, haben Erfolg
u aus Ärger darf man sich nichts
machen.Ich rechne mit Bestimmtheit darauf, Sie
zum Kongreß in Berlin zu sehen. Die
amerikan. Gruppe leidet sehr an
zwei Eigenheiten, erstens am Mangel
eines intimeren Zusam̄enhangs unter
ihren Mitgliedern, zweitens an der
Lockerheit ihrer Beziehungen zu
den europaeischen Gruppen. Der erste
Mangel könnte noch behoben werden,
wenn die Gruppe sich entschließt, sich
einen Führer zu geben, der nicht jähr-
lich abgelöst wird. Das ist eine ganz
unangemessene Nachahmung der
amerik. Demokratie, wo ganz andere
als politische Grundsätze in Betracht
kommen. Dieser Führer hätten Sie
von Anfang an sein sollen, aber
Sie haben die Gelegenheit nicht
ergriffen, u jetzt meine ich, Frink
wird sich dazu eignen, wenn er
erst seine persönlichen Angelegen-
heiten geordnet hat. Es ist alle
Aussicht, daß er ruhig und gefestigt -
S.
nach Hause kommt. Ich hoffe, Sie werden
ihn dann mit Ihrer Erfahrung und
Ihrem Einfluß unterstützen. Er
geht übrigens auch nach BerlinDen Beschluß Ihrer Gruppe über
die Laienanalyse halte ich im Gegen-
satz zu Ihnen und auch zu Frink
für eine bedauerliche Kurzsichtigkeit.
Sie haben sowenig wie wir in Europa
die Macht, die Laienanalyse zu unter-
drücken, müßen zugeben, daß die Analyse
weit über die Medizin hinausreicht
u daß medizin Vorbildung für ihre
Ausübung nicht unbedingt erforder-
lich ist. Der einzige Ausweg ist also,
Leute in der Analyse so auszubilden,
daß er vertrauenswürdig ist u den
Begriff der Laien auf alle auszu-
dehnen, die keine solche Ausbildung
genossen haben, seien sie nun Ärzte
oder nicht.Ich grüße Sie u die Ihrigen herzlich.
Ihr
Freud