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S.
14. 2. 09
Dear Dr Brill
Mut! Lassen Sie sich nicht einschüchtern u halten
Sie mich nicht für ängstlich. Es ist wahr, daß Gelder-
wägungen bei mir eine Rolle spielen müßen,
da ich für meine Kinder viel brauche u nichts
erspart habe, was ich ihnen hinterlassen kann,
aber ich verstehe, das Nähere dem Ferneren
zu opfern und hätte mich doch zur Reise nach Amerika
entschloßen, wenn dort die Sache anders stünde
Ihre Übersetzungen zB. schon im Umlauf wären
und der nicht zu vermeidende Kampf um die
Sexualität bereits wütete. Bei dem heutigen
Stand der Dinge müßte ich fürchten, Ihnen Beiden
die Arbeit zu verderben u vom ersten Windstoß
der Prüderie auf die Seite geblasen zu
werden. Es ist noch nicht Zeit, aber ich stimme
mit Ihnen überein, daß sie kom̄en wird
u dann werde ich, wie Sie sagen, nicht ablehnen.In Ihrer Meinungsverschiedenheit mit Jones
muss ich aufs Entschiedenste Ihre Partei
nehmen. Jones will überschlau sein. Es wäre
eine unwürdige u dabei doch unkluge
That, die Sexualität – sagen wir: Erotik, das
klingt feiner - zu verstecken u so dem Vorbild
der Neurotiker selbst zu folgen. Wir können
nur Eindruck machen, wenn wir uns treu
bleiben, die Wahrheit aufdecken u das
Publikum so behandeln wie unsere
Kranken. Also die Widerstände auf- -
S.
wecken, allmälich, schonend aber doch im Ganzen
unerbittlich wahrhaft. Dann wird wie in Europa
ein Theil über uns herfallen, ein anderer aber
zur Besinnung kom̄en u zu untersuchen anfangen,
ob wir nicht Recht haben. Es wäre ganz unpsycholog-
isch zu erwarten, daß wir durch eine Überrumplung
u ohne Kampf uns durchsetzen können. Also
machen Sie sich nur an die Übersetzungen, für
die Ihnen der Abbruch mit Morton Prince,
der ein schäbiger Achselträger zu sein scheint, Ihnen
Zeit läßt.Ihre Bemerkungen über die prophetischen Träume
können den Kern einer lehrreichen kleinen
Arbeit bilden. Nehmen Sie einiges andere über
Tr hinzu, zB. die Fälle, in denen Tr sich als
Vorsätze enthüllen, die man später ausführt
wie den Tr der Dora oder die historischen Tr
von Feldherrn u Königen, durch die sie angeblich
zu ihren Eroberungszügen veranlasst
wurden.Hier geht es gut. In Deutschland haben die bestätig-
enden Publikationen entschieden Oberhand.
Das Jahrbuch erwarten wir alle mit Spannung.Die Meinigen sagen Ihnen herzlichsten Dank
für das Kabel zur Hochzeitsfeier. Das junge
Paar hat leider Schneefall in Mailand
u Genua, (Unser Winter ist heuer besonders
streng) doch schreiben sie in heiterster Stim̄ung.Mit schönsten Grüßen für Sie u
Ihre liebe Frau
Ihr treu ergebener
FreudP.S. Das Interesse der protestant.
Kreise an unserer ΨA ist
sehr merkwürdig (Pfister in
Zürich)