• S.

    14. 4 . 10.

    Dear Dr Brill

    Ich habe Ihnen dießmal viel zu berichten. Zunächst
    vom Kongreß. Über 50 Personen, Stim̄ung ausge-
    zeichnet, die meisten Vorträge bis auf Löwenfeld
    gelungen. Ich habe eine Internat. ΨA Vereinigg
    gründen lassen, die sich aus Ortsgruppen zusam̄en-
    setzt. Wien Zürich u Berlin sind konstituirt,
    andere werden folgen. Jung ist Praesident für
    2 Jahre, monatlich erscheint ein Korrespondenzblatt
    mit den amtlichen u persönlichen Nachrichten.
    Jetzt ist es wol an der Zeit, daß Sie in New York
    u Jones vielleicht in Boston die Gründung
    von Ortsgruppen anregen. Prof. Hoch könnte,
    meint Jung, in NYork Praesident werden.
    Die geistige Leitung werden Sie als der einzig
    Vorgeschrittene in der Hand haben.

    In Wien habe ich die Leitung an Adler übertragen
    u bin als Privatmann in die Reihen zurück-
    getreten. Der Verein wird vergrößert,
    sucht ein besonderes Lokal, ich alternire als
    wissenschaftl. Vorsitzender mit Adler u Stekel
    in der Leitung der Sitzungen. A. u St. wollen
    als Ergänzung zum Jahrbuch ein ψα Central-
    blatt herausgeben, für kleinere Mitteilungen,
    Beispielsam̄lungen u Referate. Es ist ein
    frischer Zug in die ganze Sache gekommen.

  • S.

    Die Wiener, die mit der Verlegung der Centrale
    nach Zürich nicht zufrieden waren, haben auf dem
    Kongreß Schwierigkeiten gemacht, aber endlich
    nachgegeben. Ferenczi hat auf meine Bitten das
    Referat über die Organisation erstattet
    u natürlich nicht den Dank gefunden, den er
    verdient hätte.

    Wir haben Sie Alle auf dem Kongreß sehr vermißt,
    aber würdigen natürlich Ihre Gründe. Es soll
    jetzt jedes Jahr ein Kongreß stattfinden,
    dem alle wichtigen Entscheidungen zufallen.
    Das sind also die großen Neuigkeiten.

    Es thut mir sehr leid zu hören, daß Sie selbst
    angegriffen sind. Ich sage Ihnen darum nicht,
    worüber Sie arbeiten sollen. Sie haben in
    diesem Halbjahr genug gearbeitet u sollen sich
    lieber etwas Erholung gönnen. Für den
    künftigen Reichtum ist ja doch gesorgt.

    Ihre Stellung zu Peterson ist gewiß schwierig.
    Ich verstehe, daß Sie sehr vorsichtig sein
    müssen, da Sie gewiß Anfeindungen ausge-
    setzt sein werden, u denke mir, daß
    Sie sich bald von ihm unabhängig machen
    werden, bis dahin aber sehr skrupulös
    vorgehen müssen. Er ist glaube ich wissenschaftlich
    sehr beschränkt. Sie sind aber sehr jung
    u ich fürchte, daß die schwere Arbeit zu
    früh für Sie kom̄en wird.

  • S.

    Meine Worcestervorlesungen liegen hier bereit u
    werden nach Amerika geschickt u hier ausgegeben
    werden, sobald ich erfahre, daß das Heft des
    Am. J. of Psychology vom 1 April wirklich erschienen
    ist. Es sollte doch schon sein, ich habe aber nichts
    bekommen. Was Jung’s Patient mit der
    Veröffentlichung der Sexualtheorie zu thun hat,
    verstehe ich von hier aus nicht; Jung hat mir
    nichts darüber mitgetheilt. Ein Essay von mir
    über Leonardo ist im Druck u einige sehr hübsche
    Bände der Sammlung werden folgen. Jones
    ist sehr fleißig u seine Briefe sehr erfreulich.

    Von Ihren Phobien meine ich aus der Ferne,
    daß sie mit getäuschtem Ehrgeiz u mit den Ver-
    suchungen bei Peterson zusam̄enhängen. Vielleicht
    sind sie auch die Reaktion auf Jones’  Besserung
    u entsprechende Stellung. Dem Ubw +++ müßte
    doch lieber sein, wenn er so unzuverläßlich
    geblieben wäre. Sagen Sie nicht gleich: Nein,
    sondern behalten Sie die Pille eine Weile
    im Mund u schreiben Sie mir darüber.
    Ich nehme dabei an, die Phobien sind lokomotorisch.

    Was Sie für meine Nichte thun, sichert Ihnen
    besonderen Dank von uns Allen. Wenn
    er ein wertvoller Mensch ist, wäre es
    eine schöne Sache u dringend zu wünschen.

  • S.

    Unser Sommer, nach dem Sie fragen, ist noch ganz
    unbestim̄t u zwar wegen der Erkrankung
    meiner 80j. Schwiegermutter in Hamburg,
    bei der eine böse, aber vielleicht nicht gesicherte
    Diagnose gestellt worden ist. Wir dachten an
    die Schweiz, es ist aber nicht wahrscheinlich.
    Fest steht, daß meine Frau mit Sophie (der
    nächsten Tochter) im Mai nach Karlsbad gehen
    wird. Ich gedenke das Arbeitsjahr am 14 Juli
    wie gewöhnlich zu schließen. Bis dahin schreibe
    ich Ihnen noch öfter. Am 1 Sept will ich
    mit Ferenczi auf 3 Wochen nach Sicilien
    wenn alles in der Familie ruhig ist. Wenn
    Sie dabei mitfahren wollen, werden wir
    zwei uns gewiß sehr freuen. Ich getraue
    mich, es für Ferenczi zu versprechen.

    Mit herzlichem Gruß für Sie u Ihre
    liebe Frau, die ich gut zu behandeln bitte.
    Ihr getreuer
    Freud