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S.
15. Sept 14
Lieber Herr Doktor
Ich habe mich mit dem lange vermißten Brief
von Ihnen sehr gefreut. Sie waren vielleicht
der einzige, der sich über den historisch-
polemischen Aufsatz (jetzt im Jahrb). nicht
geäußert hat. Natürlich habe ich von Federn
einiges über Sie gehört, darunter auch, daß
der Witz im Herbst erscheinen wird, wovon
Sie nichts schreiben. Am wertvollsten erscheint
mir die Nachricht, daß es Ihrer lieben Frau,
die im Begriffe ist, Ihren Wunsch zu erfüllen,
so vollkom̄en gut geht.Daß die Stim̄ung in Amerika sich so heftig
gegen Deutschland gewendet hat, ist sehr
traurig und sehr unberechtigt. Indeß giebt
Ihr Brief die Zustände von vor 3 Wochen
wieder und seither können bessere Nachrichten
und die Bemühungen des Kaisers und des
Kanzlers vieles gebessert haben. England
hat sich wirklich infam benom̄en u wir
kämpfen um unsere Existenz. Ich habe mit
Vergnügen aus Ihrem Brief entnom̄en,
auf welcher Seite Ihr Urteil u Ihre Sym-
pathien sind.Das Benehmen der deutschen Nation und
ihre Siege sind großartig. Bei uns in
Oest. geht es minder gut. Es scheint, daß sich
jetzt alle alten Sünden u Dum̄heiten
rächen wollen. Wir sind alle sehr deprimirt, -
S.
wenigstens alles, was zur Intelligenz zält. Das
Volk ist wie gewöhnlich stumpf und gutmütig.
Das Vertuschungs- und Bevormundungssystem
ist auf der Höhe.Persönlich bedeutet der Krieg für mich die
Sorge um meinen Ältesten, der sich freiwillig
gemeldet hat u jetzt noch in Tirol ausgebildet
wird, eine noch nicht abschätzbare Einbuße
an dem kleinen Vermögen, das ich meiner
Frau zur Sicherung ihres Alters zu hinter-
lassen hoffte, und die Suspension meiner
Praxis für die Kriegsdauer u vielleicht
darüber lange hinaus. Für die ψα Sache den
Abbruch der Entwicklung, die in Frankreich
u England so vielversprechend eingesetzt
hat. Alle Opfer würde man aber gerne gebracht
haben, wenn sie einer Wiedergeburt
des Vaterlandes dienen könnten.Ich hoffe bald wieder arbeitsfähig zu werden
und verschiedenes fertig zu machen, wenn
auch die Welt nicht mehr darauf achten
würde. Morgen reise ich nach (Berlin und)
Hamburg, um meinen ½ jährigen Enkel
kennen zu lernen.Ich grüße Sie herzlich u wünsche Ihnen
mit Frau und Tochter das beste Wolbe-
finden.Ihr in alter Freundschaft
ergebener
Freud