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S.
14. 4. 12.
Lieber Herr Doktor
Ich bin sehr froh über Ihre durchaus
guten Nachrichten u sehr erstaunt,
daß Sie noch Zeit zu weiteren Über-
setzungen finden. Das Schicksal der
Traumdeutung wird sich ja auch klären.
Daß es Ihrem Kind so gut geht, ist recht
und Ihr Schweigen über Ihre Frau deute
ich in demselben Sinn. Die besten Frauen
sind ja bekanntlich die, von denen
man nicht spricht.Den Artikel von M. Prince habe ich vor einem
jetzt in New York lebenden einstigen Pat.
eingeschickt erhalten. Er ist ziemlich flach,
wirft aber eine für uns bedeutungs-
volle Frage auf: Ist es gestattet, eine
lebende Person ungefragt vor dem
Publikum zu analysiren dh. zu viviseziren
oder widerstrebt es nicht vielmehr den
Rechten der Persönlichkeit u sollten
wir nicht dagegen als gegen einen Mis-
brauch der Analyse Einspruch erheben?
Ich bitte Sie, darüber nachzudenken
u vielleicht die Sache mit Putnam
zu überlegen, ich werde Jung darüber
schreiben. Prince verdient nicht viel
Schonung von unserer Seite, doch
möchte ich nichts Gehäßiges thun. -
S.
Die größte Neuigkeit ist, daß Jung eine Einladung
der Fordham University, New York, für
eine Reihe von Vorlesungen vom 10 Sept
an erhalten hat. Er hat sie angenom̄en
u da er bis dahin Militärdienst hat, will
er den Kongreß auf den 19/20 Aug in
München verlegen. Auf meinen Ein-
spruch gegen dies sehr unzweckmäßige
Datum ist er bereit, den Kongreß heuer
überhaupt abzusagen, womit ich sehr ein-
verstanden bin.Unser Som̄er wird dadurch frei. Wir
gehen am 14 Juli nach Karlsbad (meine
Frau u ich), während die jüngeren
Damen beider Generationen an
die Adria gehen u die Buben sich selbst
überlassen bleiben. Mitte Aug. wollen
wir alle zusammentreffen, wissen noch
nicht, wo. Wir denken an ein englisches
Seebald u dann wäre es sehr schön,
wenn Sie auch hinkämen. Wir könnten
vielleicht mit Ferenczi etwas in England
u Schottland reisen.Die Imago ist erschienen u wird bereits
in Ihren Händen sein. Meine kleinen
S. Abdrucke aus dem Zentrabl werden
Sie auch erhalten haben.Ich grüße Sie mit Ihrer kleinen
Familie herzlich u eröffne hiemit
die Korrespondenz über ein
Widersehen.
Ihr
Freud