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S.
24. 1. 09
Dear Dr Brill
Es ist so erfreulich, einen wackeren Optimisten zu hören
wie Sie einer sind, u peinlich ihm eine Enttäuschung
bereiten zu müßen. Hören Sie also, daß ich mich
sehr bald nach meinem Schreiben an Sie fest ent-
schloßen habe, der Versuchung zu widerstehen und
urtheilen Sie selbst über die Gründe, die mich dazu
gebracht haben. Der erste ist ein kleinlicher. Nicht
daß ich einen materiellen Vortheil bei dieser
Reise suchte, aber ich darf nicht übersehen, daß
sie mir ein materielles Opfer in der Höhe von
4-5000 Kr auferlegt, da ich meine Arbeitszeit
hier um 3 Wochen verkürzen muss, wenn ich
in der 1 Juliwoche in Boston sein soll. Die Chance,
einen Bruchtheil davon durch Consultationen
hereinzubringen, kom̄t dagegen nicht recht in
Betracht. Kraepelin, den Sie anführen, ist für
das Honorar vom 30,000 Mk direkt nach
California berufen worden; ein anderer Fall,
in dem ich mich, wie Sie denken können, auch
nicht sträuben würde.Das zweite Argument, das ich Ihnen selbst entlehne,
beruft sich auf die ungünstige Jahreszeit in der
zweiten Juliwoche u später wird bei Ihnen wissen-
schaftliches Interesse sowenig zu erwecken sein
wie bei uns, wo es fast unmöglich ist in der
Stadt zu leben, geschweige Vorlesungen zu
halten. Ich sehe dabei ganz davon ab, daß -
S.
ich im Juli nach 9 monatlicher Arbeitszeit ein
Recht habe, am Ende meiner Kräfte zu sein,
denn der seltenen Gelegenheit zu Liebe könnte man
eine Anleihe bei seinen biologischen Reserven
machen.Der dritte Grund ist der eigentlich entscheidende. Ich
beurtheile nach den Erfahrungen mit Morton Prince
und mit Parker, auch nach den Äußerungen von
Jones die Sachlage in Amerika ungünstiger als
Sie, glaube daß ich mit meiner Unfähigkeit zu
mildern oder zu verhüllen, durch die Betonung
des sex. Moments allgemeinen Anstoß erregen
und Ihnen vielleicht die Bemühung endgiltig
verderben könnte. Ein besseres Urtheil hierüber
würde man gewinnen, wenn man bereits die
Reaktion auf Ihre Übersetzungen studiren
könnte. So aber warnt mich alles, die Schlacht
auf diesem Boden nicht anzunehmen, um
nicht den ganzen Feldzug zu verlieren.Selbstverständlich, daß ich in New York nicht
Petersons, sondern Ihr Gast geworden wäre, ich
danke Ihrer Hausfrau herzlich für das Aner-
bieten. Sollte die Angelegenheit nicht abge-
schlossen sein, sondern eine Fortsetzung finden,
so erfahren Sie davon so rasch als die Post-
verbindung es ermöglicht. Zum Congreß im
Jahre 1910 hoffe ich Sie doch bestim̄t widerzu-
sehen, heuer soll er ja ausfallen.Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Freud