• S.

    19. 5. 1935

    XIX Strasserg. 47

    Dear Brill

    Mein Geburtstag brachte mir
    auch die Freude eines langen
    Briefes von Ihnen. Sein
    Inhalt brauchte keine Ent-
    schuldigung. Nach so vielen
    Jahren gemeinsamen
    Strebens und Wirkens
    haben Sie gewiß wie
    kein Anderer das Recht,
    mir das mitzuteilen, was
    Sie beschäftigt und bedrängt.
    Daß die Menschen mit
    denen wir zu arbeiten
    haben, nicht vollkom̄ener
    und leichter zu behandeln
    sind – daran müßen wir
    uns endlich gewöhnt haben.
    Eine schwere Enttäuschung
    bleibt es, daß die Analyse
    keinen besseren Einfluß
    auf die kulturelle Erzie-
    hung der Einzelnen gewon-
    nen hat. Das mag in Amerika
    besonders deutlich geworden
    sein, aber es ist auch
    in Europa nicht wesentlich
    anders.

  • S.

    Ich habe mich gefreut, gute
    Nachrichten über Ihre
    Familie zu hören, bin aber
    auch sehr erleichtert darüber,
    daß Sie so entschieden
    für Ophuijsens Gesund-
    heit eintreten konnten.
    Denn ich habe ihn sehr lieb
    und vieles, was über ihn
    gesagt wurde, klang nicht
    erfreulich. Sein Benehmen
    gegen seine Frau Ans
    hat uns betrübt.

    Wenn Sie wirklich in
    absehbar nächster Zeit
    nach Wien kommen,
    werden Sie eine späte
    Freude bereiten
    Ihrem
    Freud