• S.

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    Prof. Dr. Freud                                                          
    Wien, IX. Berggasse 19.

    11.1.15

    Lieber Freund

    Das Telegramm war korrekt. Ich wollte 
    nicht einfach telegraphiren: Kann nicht kom̄en 
    und beschloß, einen Zusatz zu machen, der Sie 
    nicht daran denken ließe, daß ein be-
    sonderes Hinderniß eingetreten sei. 
    Nun war das Besonderste, daß zwei Tage vorher 
    plötzlich eine Eruption von Einfällen auf-
    getreten war – ganz wie Sie es von sich schildern – 
    nach langer Pause, und von so bedeutsamem 
    Inhalt, daß ich zunächst wie geblendet 
    war. Sie bezog sich auf die Metapsychologie 
    des Bewußtseins, nichts Geringeres.

    Ich versprach also, Ihnen diese Dinge gesammelt 
    u geordnet mitzuteilen. Als ich zwei Tage 
    später daran gieng, kam die Ernüchterung. 
    Die Sache war gegen jede Darstellung refraktär 
    und wies so fürchterliche Lücken u Schwierig-
    keiten auf, daß ich abbrach u jetzt auch 
    mein Versprechen zurückziehe. Ich werde 
    Ihnen vorläufig nichts schicken, vielleicht 
    auch nachläufig nicht, denn seitdem 
    sind keine unterirdischen Eruptionen 
    mehr beobachtet worden. Es geht nur 
    soviel daraus hervor, daß diese μψ Rätsel 
    mich noch interessiren, anderes nicht.

  • S.

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    Auf Ihre Produktionen bin ich nun sehr 
    neugierig, will sie aber nicht vorzeitig 
    störend beeinflußen. Ich wünsche Ihnen 
    sehr die Rückversetzg in Ihr Heim, wenn 
    damit eine ebensolche Sicherheit wie jetzt 
    verbunden ist.

    Hier nichts Neues bis auf die italien. 
    Übersetzg der fünf Vorlesungen, die sehr 
    hübsch ausgefallen ist.

    Herr Dukes, vor dem Sie mich gewarnt, 
    ist nicht erschienen. Ihr Freund Brody 
    wird gut aufgenom̄en werden.

    Herzlichen Gruß; unmäßig viel Geduld 
    wünscht Ihnen
    Ihr getreuer
    Freud