• S.

    Prof. Dr. Freud
    Wien, IX. Berggasse 19.

    12.5.14.

    Lieber Freund

    Ich schrieb Ihnen in den letzten Tagen nicht, 
    weil ich nicht gewußt hätte, was. Sie erinnern 
    sich an mein Unbehagen in Brioni. Kurz 
    nachher brach eine Laryngitis los, die 
    zur Nase aufstieg, heute fast bewältigt. 
    Am 6t abends, vielleicht durch einen 
    Festexzeß gefördert, stellte sich ein 
    akuter Darmzustand ein, der Dr Zweig ver-
    anlaßte, mich zu rektoskopiren und mir 
    dann zu gratuliren. Er gestand dann zu 
    daß ich noch nicht die Neubildung habe, 
    die er vermutet, sondern bloß eine 
    akuteste Entzündg im S. Romanum

    So bin ich dem Leben wiedergegeben 
    u kann Ihnen wieder schreiben. Ich bin 
    jetzt übrigens subjektiv woler als vor 
    diesen Krankheiten.

    Die Sache des Praesidiums ist unterdeß 
    wie Sie wissen, glatt entschieden. Abraham 
    wird bald ins Zeug gehen u uns ein 
    Korresp.blatt liefern. Ich korrespondire 
    mit ihm auch über das Kongreßdatum 
    das mir anfangs Sept sehr unbequem 
    wäre. Er ist selbst für die Verlegung 
    auf den 20/21 Sept, einen Tag vorher 
    wollen wir zum Privatkongreß 

  • S.

    zusam̄entreten. Ich kann dann etwa am 23t
    den Vortrag in Leiden halten u dann nach 
    Hambg reisen. Unsere Som̄erpläne sind 
    durch meine Erkrankg u Unsicherheit 
    ob Zweig eine Kur anraten wird, ganz 
    arretirt.

    Zu Ihrer Umsiedlung meinen schönsten Glück-
    wunsch! Das geplante Turnier imponirt 
    mir sehr; ich werde R. u S gewiß zureden 
    hinzureisen.

    Gearbeitet habe ich seit Brioni gar nichts
    Gestern fing ich die Korrektur meiner 
    Geschichte der ψα Bewegung“ an. Wenn 
    Sie nächstens hieher kom̄en, werden Sie 
    eine ψα Galerie bewundern können 
    wie in Worcester. Stanley Hall ist laut 
    einer heute empfangenen Arbeit zu 
    Adler übergegangen.

    Ich grüße Sie und Frau G. herzlich. 
    Ihr noch lebender 
    Freud