• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

    Noordwijk                                                    
    14.8.10.

    Lieber Freund

    Es ist nicht meine Schuld, auch nicht die meiner 
    Verzögerung, wenn ich Ihnen noch nicht mittheilen 
    kann, daß wir Passagiere des Yorck durch 
    Gibraltar sind. Ich war im Haag u bestellte 
    beim Lloydagenten dort zwei Kabinen, Ober-
    deck, Außenfenster, Nachricht darüber nach 
    Noordwijk, worauf die Zalung erfolgen 
    sollte, erhielt aber nach einigen Tagen von 
    ihm einen blöden, eigentlich unverständlichen 
    Bescheid, so daß ich mich direkt an den 
    Lloyd in Bremen gewendet habe. Den Bescheid l
    ege ich Ihnen bei von Bremen habe ich 
    noch keine Antwort u mag den Dank für 
    Ihre beiden letzten, inhaltsreichen Briefe 
    nicht länger aufschieben.

    Ich meine, der Ausgang dieser Verhandlungen 
    wird an unseren Absichten wenig ändern; 
    Sie kommen so bald als möglich hieher, gehen 
    mit mir, wenn die Zeit reicht nach Antwerp 
    u Brügge, u dort suchen wir uns ent-
    weder ein anderes Schiff oder wir ent-
    schließen uns zur Landreise, indem wir 
    Sizilien als Reiseziel festhalten, u wie 
    Sie sagen, bleibt unser Beisam̄ensein 
    die Hauptsache. Ich hoffe, Sie werden die 
    geistige Stumpfheit, die bei großem 
    Wohlbefinden mich jetzt gefangen hält, 

  • S.

    zur glücklichen Lösung bringen.

    Jones war hier und hat mich 2 ½ Tage intensiv in 
    Anspruch genom̄en, aber er war liebens-
    würdig u interessant. Er ist vor Ihrem großen 
    Brief abgereist. Ich hoffte, ihm noch das 
    Jahrbuch zeigen zu können, das mir Deuticke 
    zu senden versprochen hat, aber es ist heute 
    noch nicht da. Ich freue mich, daß es Ihnen gefällt. 
    Solcher Art müßen unsere Antworten 
    auf alle Angriffe sein.

    Ihre Phantasie erschien mir nach der momentanen 
    Konstellation nicht so unbegründet; sie verdient 
    aber gewiß mehr Aufmerksamkeit, als ich 
    ihr bisher geschenkt habe. Wir werden darüber 
    reden, u ich freue mich auf einen Freund 
    u Reisegefährten, zwischen dem u mir noch 
    kein Hauch einer Trübung möglich war. 
    Auch von Jung hatte ich gestern eine Epistel, 
    die ihn wieder auf der Höhe u im Vollbesitz 
    jener Eigenschaften zeigt, welche seine Er-
    wählung gerechtfertigt haben.

    Ich werde Ihnen nach Ihrem Wunsch 
    häufig Mittheilungen über den Zustand 
    hier machen u bitte Sie um möglichsten 
    Vorschub Ihrer Reise, damit Sie noch 
    etwas von Holland und den Meinigen 
    sehen.

    Ihr treu ergebener 
    Freud