• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

    4.7.09

    Lieber Herr Kollege

    So gut, wie Sie annehmen, geht es uns noch 
    nicht. Wir reisen erst am 14. dM abends 
    nach München. Unsere Adresse ist dann:

    Ammerwald, Post Reutte (nicht Hotel Post) 
    Tirol.

    Ich getraue mich nicht, dießmal auf Ihren Besuch 
    zu rechnen, da ich annehme, daß Amerika 
    Ihren ganzen Urlaub aufzehrt. Wo wir 
    uns dann treffen, ob unterwegs ob erst in 
    Bremen können wir noch verabreden. 
    Nebenbei, es gibt eine entfernte Möglichkeit, 
    daß ich Sonntag zwischen zwei Zügen 1.30 ‑ 3.20 
    in Budapest weile. Könnten wir da nicht 
    mitsam̄en Mittag essen? Ich werde Ihnen 
    im Falle die Reise zu Stande kom̄t telegraphiren.
    Ich nehme an, daß Sie jetzt im Som̄er recht 
    einsam sind.

    Was Garderobe betrifft, so nehme ich außer 
    den Reiseanzügen Frack u Salonrock 
    mit. Ersterer ist wahrscheinlich entbehrlich 
    Für die Schiffsreise einen guten Mantel 
    nicht vergessen. Zylinder soll man sich 
    des schwierigen Transports wegen dort 
    ankaufen und dann vor der Abreise 
    in den Ozean werfen.

  • S.

    Ich habe die Geschichte des Rattenmanns fertig 
    gemacht u zur Absendung an Jung bereit 
    liegen, bin aber auch mit meiner Arbeits-
    fähigkeit für heuer fertig. Im Som̄er nur 
    Amerika. Ihre Wünsche für die Ferien akzeptire 
    ich gerne. Fürs Wetter kann ich leider nichts 
    thun, der heurige Som̄er verspricht wenig. 
    Meine Tochter hat sich vor den Unbilden 
    des Pusterthales nach Klobenstein auf dem 
    Ritten ober Bozen geflüchtet, wohin wir 
    auch für nächstes Jahr tendiren.

    Für alle wissenschaftlichen Unterhaltungen 
    wird auf dem G. Washington hoffentlich 
    Zeit sein, wenn die See uns nicht stört. 
    Ich freue mich sehr auf das Ganze.

    Ihr herzlich ergebener 
    Freud