-
S.
Prof. Dr. Freud
Wien, IX. Berggasse 19.28.6.14
Lieber Freund
Ich schreibe unter dem Eindruck des
überraschenden Mordes in Serajevo,
dessen Folgen sich gar nicht absehen
lassen. Es will mir scheinen, daß die
persönliche Theilnahme hier gering ist.Nun zu unseren Sachen! Ich glaube
Sie sind zu streng gegen Jones. Zur
Unterscheidg von Ichlibido u Objektlibido
war zB. noch kein Anlaß, überdieß
ist die Arbeit für einen bestim̄ten
Kreis von Hörern berechnet. Recht muß
ich Ihnen nur darin geben, daß er
wiederholt introversion sagt, wo er
regression meint. Das könnte man
ihm auch vorhalten. Das Wesentliche,
die Bemerkungen, wie die eine Neurose
eine andere oder etwas Schweres
decken kann, sind ebenso neu wie
wichtig. Sie rühren, wenn mich nicht
meine Erinnerung täuscht, von einem
„unbekannten Autor“ her, der ihm auch
die betreffenden Fälle erzält hat.
Das sollen Sie ihm aber weder im
Druck noch mündlich vorhalten. -
S.
Mit Ihrer Vermutung, Ihr Mnskrpt
bedeute etwas Besonderes, haben Sie,
meine ich, recht. Das ist ein Versuch,
der viel verspricht u dringend erfor-
dert wird. Ich plage mich seit reichlich
10 J. mit diesen Problemen, habe sie
aber mangels einer Anlehnung an
die Beobachtung nicht ernsthaft ange-
griffen. Diesen Stützpunkt hat Ihnen
nun die Beobachtung Klimakterischer
gegeben. Ich hätte Ihnen viel dazu
zu raten u vorzuschlagen, kann es
aber nicht schriftlich thun. Ich bin doch
ehrlich gestanden, innerlich zu sehr
ermüdet, obwol ich in der Façade
diese Wochen über noch sehr Stand
halte. Ich meine, Sie kom̄en noch ein-
mal nach Wien, ehe ich abreise, gerade
darum, weil wir uns heuer später
sehen. Dann wollen wir es besprechen
u ich halte darum Ihren Entwurf zurück.Den „Abend auf dem Konstantinhügel“
habe ich heuer auf den Rat der
Freunde aufgegeben, so daß Sie
Ihren Tag nach Belieben wälen
können.Von Reaktionen auf die Bombe ist
natürlich außer Wien noch nichts -
S.
verspürt worden. Hier giebt
es einige wenige, die be-
geistert sind, von den
anderen hört man im̄er
deutlicher, es sei zu scharf
u kann sich vorstellen, was
noch andere dazu sagen
werden. Ich glaube nicht,
daß alle weiteren Äuß-
erungen, Konsequenzen,
selbst Ehrenbeleidiggspro-
zeße, mir viel anthun
werden. Ich habe mir einmal
Luft gemacht – das war
der Mühe wert, – u rechne
noch auf die Lösung des
unhaltbaren Verhält-
nißes zu den Zürichern.
Gewiß werde ich die Polemik
nicht fortsetzen. -
S.
http://data.onb.ac.at/rec/AC16576873 Autogr. 1053/21(1-11) HAN MAG