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S.
Prof. Dr. Freud
Wien, IX. Berggasse 19.19.2.1911
Lieber Freund
Ich bedauere Sie, daß Sie sich mit solcher
Schweinebande herumgeschlagen haben,
und bewundere, da Sie doch Recht daran thun,
Ihre Geduld. Ich habe kaum Lust zur Polemik
mit Adler, dessen neurotischer Charakter
sich mir im̄er deutlicher als eine sekundäre
Störung enthüllt.Die Neuigkeiten dieser Tage betreffen Amerika.
Putnam hat sein Erscheinen im Sept zum
Kongreß von Lugano sicher zugesagt. Er
wird vorher einige Zeit in Zürich zubringen
u da auch ich im Sept eine Weile bei Jung
sein will (mit meiner Frau), wäre
es am schönsten, wenn Sie auch hinkämen.
Näheres besprechen wir noch.Ihre kleine interessante Beobachtung sende
ich Ihnen, wie gewünscht zurück u hoffe
sie bald um einiges vermehrt von neuem
in der Mappe des Zentralblattes zu
finden. Es herrscht da bereits Überfüllung
Die Entgleisungen in Nr 4 werden Ihnen
nicht entgangen sein, u ebensowenig
deren Zusam̄enhang mit den Adler’-
schen Komplexen. -
S.
Aus absolutem Zeitmangel kom̄e ich trotz
guten Befindens und Ranks Hilfsbereitschaft
mit der Traumdeutung (3 Aufl) nicht vorwärts.
Jetzt ist mein Bruder an schwerer Influenza
erkrankt, was anfangs sehr bedenklich
aussah (Pneumonie), aber gut abläuft. Und
so reiht sich eine Störung an die andere.
Auch was ich „die große Synthese“ heiße,
ruht u wartet auf freiere Stunden,
wie ich sie wahrscheinlich erst im Juli‑Aug.
in Karlsbad finden werde.Es grüßt Sie und Frau G.
herzlichst
Ihr Freud
Berggasse 19
Wien 1090
Austria
VII Erzsebét-kőrut 54
Budapest 1073
Hungary
http://data.onb.ac.at/rec/AC16318639 Autogr. 1053/9(1–9) HAN MAG