Prof. Dr. Freud                          
Wien, IX. Berggasse 19.

23.5.09

Lieber Herr Kollege

Unsere Correspondenz leidet unzweifelhaft 
unter der Erwartung des Som̄ers. Unbeab-
sichtigter Weise schiebt sich alles auf für die 
Tage auf da wir, auf Deck des Washington 
spazirend mit einander von der Gegenwart 
u der Zukunft der ΨΑ plaudern werden. 
Ich kann gegen diesen Zwang nichts thun 
u beschränke mich darum auf die that-
sächlichen Informationen.

Ich merke mit Vergnügen, daß Sie sich wieder 
mit der ΨΑ versöhnt haben, verstehe auch, 
daß Ihnen der Aufschub Ihres Vortrags 
nicht unangenehm ist. Ich zähle die Wochen 
bis zu den Ferien, es sind noch zu viele. 
Wir haben Som̄eraufenthalt im Hotel 
Ammerwald an der Grenze Tirol ‑ Baiern 
(Gegend der baierischenA Königsschlößer) 
genomen. Dort werde ich hoffentlich die 
Waldeinsamkeit finden, nach der ich 
mich so sehne, die ich auch körperlich so 
sehr bedarf. Am 19 Aug. werde ich dann
 direkt nach Bremen abreisen. Das Zu-
sam̄entreffen besprechen wir noch.

Meine Tochter ist wiederum ganz wol. Es ist vor-
auszusehen, daß sie ihre Absicht Budapest 
zu besuchen, wenn auch nicht in den nächsten 
Monaten, so doch im Herbst wird ausführen 
wollen. Meine Frau ist mit Sophie in Karlsbad. 
(Ich weiß nie, ob ich eine Nachricht schon einmal 
mitgetheilt habe.) Ich werde sie über Pfingsten 
besuchen.

Die gegenwärtige schwere Arbeit läßt natürlich 
keine Verwertung zu, doch häufen sich die 
Eindrücke immer mehr u werden wol in der 
Ruhe etwas ergeben. Hab’ ich Ihnen von der 
dritten Auflage des Alltagslebens schon viel 
geschrieben? Ich habe einen großen Theil Ihrer 
Beiträge aufgenom̄en, einiges als zu fein 
für das Elementarbuch zurückgelegt; ich 
weiß, daß ich Ihnen dafür sehr dankbar 
sein kann u bin es gerne. Das Buch kom̄t 
erst im Herbst heraus. Dann wird auch die 
zweite Auflage d. Sexualtheorie werden.

Amerika wird eigentlich ein Erlebnis 
sein. Ich bin sehr froh, daß Sie mitgehen. 
Die Clark University hat mir kürzlich die 
Publikation zur ersten 10J. Feier geschickt. 
Man kann aus ihr erschließen, daß 
die Vorträge abgedruckt werden u daß 
den europäischen Gästen der Titel eines 
„Doctor of Laws“ zur Ehre geschenkt wird.

Was macht Ihr Englisch? Herzliche Grüße 
Ihr Freud