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S.
Prof. Dr. Freud
Wien, IX. Berggasse 19.1.5.10.
Lieber Freund
Sie hätten Ihre Genugthuung, wenn Sie
thätensähen,
wie sanft die Wiener „Brüder“ seit jener
großen Auflehnung auf dem Reichstag von N.
geworden sind, geradezu zärtlich u respektvoll
gegen mich. Es handelt sich vor Allem um
die neue monatliche Zeitschrift, an die Deuticke
nicht recht anbeißen will, wegen der wir also
in Unterhandlungen mit Bergmann stehen.
Ich glaube, sie wird doch werden u zum Okt.
erscheinen. Von Jung höre ich wenig, zuletzt
ein Telegramm: Rat, was thun, weil Bleuler
nicht mithalten will. Seitdem kein erläuternder
Text.Die Ferien sind auch mir diesmal bedeutsam. Auch
ich habe die letzten zwei Som̄er das Märchen-
gefül des Lebens in Freiheit u Schönheit
nicht gekannt. Mit Ihrer Entscheidung über
Brill bin ich aus den nämlichen Motiven
sehr einverstanden. Schreiben Sie ihm doch
selbst in diesem Sinne. Es ist ja noch ganz
zweifelhaft, ob er mit uns gehen kannUnsere Sommerpläne beginnen sich zu
gestalten. Durch die Notwendigkeit, nicht
weiter als eine Tagesreise von Hamburg
zu weilen, bin ich zur Wal der See gedrängt
worden, u meine holländischen Patienten
hier haben den Ausschlag für ein Seebad
in Holland gegeben. Wir haben uns jetzt an -
S.
einen Ort bei Leiden, der sich so ähnlich schreibt wie
Nortwyige, gewendet, werden wol bald die Ent-
scheidung haben. Von dort aus könnte ich am besten
zu Schiff zum Ort unserer Zusam̄enkunft reisen,
wenn Ihnen der Weg nach Holland zu weit ist.
Da giebt es durch einige Monate schönen Stoff für Pläne
u Überlegungen.Ihre Paranoiaarbeit soll werden. Es hat da keinen
Sinn sich fernzuhalten, weil Jung in der Nähe
arbeitet, u unsere im Wald gefundenen Gesichts-
punkte vom Heilungsversuch, von der Heuchelei
der P. udgl sollen darin Aufnahme finden. Ich
empfehle Ihnen noch den Fall Hofrichter als ex-
quisit typisch, besonders jetzt nach der Begründung
mit der Liebe zu seiner Frau, die, wie das
Liebesabenteuer im Hotel zeigt, offenbar
sehr fadenscheinig war.Ich muß Sie noch fragen, ob von dem Fond für
Dunapentele noch etwas da ist, u was sich von
dem Mann erwarten läßt. Die Worcester
Vorlesungen haben ein Honorar getragen,
das verausgabt werden will.Meine Frau Sophie gehen heute 8 Tage nach
Karlsbad.Ich grüße Sie herzlich u werde
wol auch einmal etwas Wissenschaft mit-
zutheilen haben.
Ihr Freud
Berggasse 19
Wien 1090
Austria
VII Erzsebét-kőrut 54
Budpest 1073
Hungary
http://data.onb.ac.at/rec/AC16238491 Autogr. 1053/6(1–14) HAN MAG