S.

Prof. Dr. Freud                           
Wien, IX. Berggasse 19.

17.3.10.

Lieber Freund

Einverstanden. Ich werde mit Leonardo noch vor 
Ostern fertig, erwarte Sie also Sonntag abds 
bei uns, u Montag abds 8.30 fahren wir 
durch die Nacht nach N. College Steiner besorgt 
Schlafkoupé, mindestens für zwei Personen.

Die Sexualtheorie muß bereits bei Ihnen angelangt 
sein, den Ausschnitt lege ich wieder bei. Schwarz 
ist doch im̄er erträglich, ein geschmackvoller 
Mensch wenigstens.

Meiner Tochter geht es so gut, daß sie übermorgen 
nach Hause kom̄en kann. Hoffentlich hat ihr 
diese Operation dauernden Vorteil gebracht, 
aber quien sabe?

Dunapentele ist kränkend. Ich habe in letzten Tagen 
sehr schöne Dinge erworben, wesentlich um 
mich bei guter Stim̄ung zu erhalten, die ich 
Ihnen in Wien demonstriren werde. 
Antiquitäten u Herrenpilze müßen Sie noch 
von mir erlernen.

Es gehen hier dunkle Gerüchte um von einem 
großen Schlag, den die Kliniker gegen 
uns von der ΨΑ führen wollen.  Unheimliche 
Dinge, denen man mit Fassung entgegengehen 
muß. Ich bin so kurz, weil ich am Leonardo 
schreiben will, u grüße Sie herzlich 

Ihr Freud

Anmerkungen aus: Brabant, Eva; Falzeder, Ernst; Giamperi-Deutsch, Patrizia (Hg.): Sigmund Freud / Sandor Ferenczi Briefwechsel. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1993-2005. 1993 in Band I/1 (1908 –1911)

College Steiner: Siehe 12 F, Anm. 3.

Kliniker: Prominente Nervenärzte Deutschlands sprachen sich dafür aus, Kliniken, in denen die Psychoanalyse angewendet wurde, zu boykottieren (Protokolle II, 13.4.1910, S. 441). Siehe auch 130 F und Anm. 4 und 186 F, Anm. 2.