• S.

    Prof. Dr. Freud                            
    Wien, IX. Berggasse 19.

    8 Nov 10

    Lieber Freund

    Ich antworte umgehend der Bei-
    lage wegen. Ich habe mit Jung 
    über die selben kleinen Themata 
    korrespondirt u theile seine Ansichten 
    diesmal nicht. Einschränkung auf 
    Akademiker hätte auch in 
    Wien gar keine Aussicht 
    durchzudringen. Im Gegensatz 
    zu Ihnen theile ich auch nicht die 
    Meinung, daß dem Korrbl 
    durch das Zentralb Abbruch ge-
    schieht. Das Korresp ist gar kein 
    wissenschaftl Organ, nur zu persön-
    lichen Mittheilungen von Seiten 
    der Zentrale an die Mitglieder 
    bestim̄t, welche die Öffentlichkeit 
    nicht zu interessiren brauchen. 
    Leider muß ich zugeben, daß 
    die Taktlosigkeit u Unliebens-
    würdigkeit von Adler‑Stekel 
    die Verständigg sehr erschweren. 
    Ich ärgere mich chronisch über 
    beide. Aber auch Jung 

  • S.

    könnte als Praesident seine Em-
    pfindlichkeiten wegen früherer 
    Vorgänge ablegen. Es ist schwer 
    soviel erziehen zu müßen.

    Ihr Fall ist sehr schön u soll 
    genau studirt werden. Ich 
    wollte nur die Antwort 
    nicht aufschieben. Selbst habe 
    ich mich in die Arbeit über 
    Schreber begeben u entfliehe 
    so allen persönlichen Bitter-
    keiten. Sie wird mich bis Weih-
    nacht beschäftigen. 5 Seiten 
    stehen schon.

    Frau u Schwägerin sind seit 
    Samstag zurück u danken 
    Ihnen innigst für Ihre theil-
    nehmenden Zeilen.

    Ich grüße Sie vorläufig 
    herzlich Ihr 
    Freud