• S.

    Prof. Dr. Freud                          
    Wien, IX. Berggasse 19.

    11. Dez 08

    Lieber Herr College

    Vielen Dank für Ihre gescheute Arbeit. Eine Gegensendung 
    die Ihnen so bekannt ist, wie mir Ihre Arbeit war, 
    ist unterwegs an Sie. Ihre Ankündigg für Weih-
    nachten nehme ich freudig an u hoffe daß keiner-
    lei unliebsame Störung dazwischen kommen wird. 
    Freitag, Samstag u Sonntag treffen dießmal gut 
    zusam̄en; das giebt compaktere Ferien als sonst.

    Bringen Sie nur alles mit, was Sie vorhaben; es wird 
    sich Zeit dafür finden. Daß die Kinder sich sehr 
    auf Ihren Besuch freuen, wissen Sie.

    Die „Technik“ wird vielleicht nicht ganz, was 
    Sie erwarten. Bis jetzt sind 34 Seiten fertig 
    u bis Weihnachten werden wir nicht über 40 ‑ 50 
    kom̄en, die Sie dann hier lesen können, um 
    mir Ihren Eindruck davon zu sagen. Ich kom̄e 
    kaum zur Arbeit, bin auch gerade jetzt nicht sehr 
    leistungsfähig. Zur Paranoiafrage werde ich 
    Ihnen etwas theoretisch Bedeutsames mit-
    hteilen können„“

    Ich höre, daß Ihr anderer Aufsatz gegenwärtig 
    bei Kunn abgedruckt wird. Von einem 
    allerschwersten Fall ψ Impotenz, den ich seit dem 
    Frühjahr erfolglos behandle u der jetzt gerade 
    eine überraschende Wendung nim̄t, werde 
    ich bis Weihnacht hoffentlich endgiltige 

  • S.

    Aufklärung haben. So wird es uns an Material gewiß 
    nicht fehlen.

    Ich hoffe aber noch bis dahin von Ihnen zu hören.

    Mit herzlichem Gruß 
    Ihr Freud

    Anmerkungen aus: Brabant, Eva; Falzeder, Ernst; Giamperi-Deutsch, Patrizia (Hg.): Sigmund Freud / Sandor Ferenczi Briefwechsel. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1993-2005. 1993 in Band I/1 (1908 –1911)

    Arbeit: Wahrscheinlich Ferenczis Arbeit über Impotenz (1908, 61).

    Gegensendung: Wahrscheinlich ›Über infantile Sexualtheorien‹ (Freud 1908c).

    bei Kunn abgedruckt: Ferenczis Aufsatz >´›Über Aktual- und Psychoneurosen‹ (1908, 60) erschien in der von Karl Kunn (1862-1912) redigierten Wiener Klinischen Rundschau.