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    PROF. DR. FREUD 
    WIEN IX., BERGGASSE 19

    26. XII. 1932

    Geehrter Herr Doktor

    Es hat ich sehr interessirt von Ihren 
    Bemühungen und Erfolgen in Ihrem 
    Land zu hören und ich bin natürlich gerne 
    bereit, Ihnen Beistand zu leisten.  Ich ver-
    stehe, daß eine lokale Publikation 
    ihren Wert hat, obwol es anderswo Bücher 
    mit ähnlichem Inhalt reichlich giebt.

    Ich habe Ihre beiden Stichproben durch-
    gelesen und theile Ihnen im Folgenden 
    meine kritischen Bemerkungen mit, 
    die sich natürlich ganz ungenirt benehmen, s
    onst hätten Sie ja nichts davon.

    Lecture II p. 1. Die Idee einer Trinität, aus 
    Ego, Vater und Mutteridentifirung zusam-
    mengesetzt, ist unhaltbar. Das Ich schließt 
    diese u andere Identifizirungen in sich 
    ein.

    p 1. unten.  Das Id durch die Anrufung des Sex 
    appeal zu charakterisiren ist recht un-
    wissenschaftlich, zu starkes Entgegenkom̄en 
    an den Slang,

    p 2. „later, of aggression“.  Kaum richtig, eher das 
    Umgekehrte, dass die Liebe die spätere 
    Reaktion ist.

    p 2 unten. this part becomes, under the influence 
    of the outer world, imbued with consciousness.  
    Das ist zum Mindesten misverständlich. Be-
    wußtsein ist die Folge der Erregung 
    der Außenschicht, ob sie von außen oder 
    von innen her geschieht.

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    p 5 loss of differentionVerstehe die Bemerkung nicht, 
    keinesfalls etwas wichtiges.

    p 5 Mitte: it represents consc. sanity reason.  Aber 
    Bewusstsein kann nicht in dieser Reihe ge-
    nan̄t werden, es ist keine Eigenschaft wie 
    Besonnenheit u a. Es ist kein Hindernis, daß 
    auch das Unvernünftige bewußt wird.

    p. 6. Die Erwähnung der condit. reflexes ist ganz 
    unpsychologisch, irreführend, überflüßig.

    p 7. u:  The superego acts unconsciouslyNein, nicht 
    immer, nicht notwendig.  Gewissensbisse sind 
    doch nicht unbew.

    Ob die Dostoj.-Episode diese Stellung in 
    einer elementaren Einführung verdient?

    Den Essay über Wassermann habe ich nicht 
    so eingehend geprüft.  Er scheint mir wiederum 
    nicht in eine „Einführung“ in die Psych.an. 
    zu passen, die wenn ich recht verstehe, Ihr 
    Buch doch sein soll.  Übrigens schätze ich 
    W als Dichter nicht so hoch.  Ich weiß auch 
    von ihm, dass er der Psych. An. beinahe 
    feindlich gegenübersteht, also vom latenten 
    Sinn seiner Produktion nichts ahnt.

    Ich schreibe sehr ungern Vorreden und 
    meine im Allgemeinen, ein Buch should 
    stand on its own merits.  Von Ihren Vor-
    lesungen kann ich mir nach der Probe 
    noch keine rechte Vorstellung machen. 

    Zu weiteren Äußerungen bereit, 
    mit besten Wünschen
    Ihr
    Freud