• S.

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    [Briefkopf Wien] 

    25.3.17. 

    Lieber Freund 

    Sie haben Recht, daß die Aufzählung 
    in meinem letzten Aufsatz den Ein-
    druck machen muß, als beanspruchte 
    ich einen Platz neben Kopernikus 
    u Darwin. Ich wollte aber wegen dieses 
    Anscheins nicht auf den interessanten 
    Gedanken verzichten u habe darum 
    wenigstens Schopenhauer vorgeschoben. 
    Der Druck der Vorlesungen geht gut weiter. 
    Das Buch kann Mai – Mitte Juni in 
    Ihren Händen sein, worauf ich mir 
    dann eine ausführliche Privatkritik 
    erbitten werde. 

    Ihr Beitrag, groß oder klein, wird „gierig“ 
    empfangen werden. Leider geht es mit 
    den Zeitschriften so sehr langsam, obwol 
    Sachs alles mögliche dazu thut. 

    Wie schade, daß ich nicht wußte, wann Sie 
    in Königsberg waren! Mein Schwieger-
    sohn war über 4 Wochen dort, ist erst 
    vor Tagen weggekom̄en; es wäre eine 
    Erholung für ihn gewesen. Ich selbst kann 
    Sie in Allenstein wol nicht besuchen, 
    solange das Reisen direkt aus patrio-
    tischen Motiven untersagt ist. Keine 
    Frage, daß wir uns nachher alle 
    entschädigen werden.

  • S.

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    Der Kollege in Bad Ems soll uns seinen 
    Beitrag nur einschicken. Da Sie ihn bereits 
    beurteilt haben, ist ja die Aufnahme 
    gesichert u ich will ihm gerne persönlich 
    dafür danken. 

    Meine Söhne sind derzeit wol. Martin 
    erwarten wir übermorgen auf Urlaub 
    vom Kader her, Oli ist sehr nahe, in 
    Krems a.D., doch ist von Besuchen keine 
    Rede, er wird höchstens die beiden 
    Ostertage für uns frei bekom̄en. 

    Ferenczi ist noch auf dem Sem̄ering, 
    sein Basedow bessert sich, aber er behält 
    wol etwas dauernd übrig. Jones hat uns 
    wieder einmal Nachricht geschickt. Er hält 
    fest, es geht ihm auch persönlich recht gut. 
    Pfister kündigt ein Büchlein über ΨΑ 
    u Erziehung an, das in wenigen Wochen 
    in Leipzig erscheinen soll. Von Jung soll 
    etwas über das Unbewußte erschienen 
    sein, was ich nicht in die Hand bekom̄en 
    habe. Stekel hat sich ein großes Buch 
    über „O u Homosexualität“ geleistet mit einer 
    für den Kundigen höchst lieblichen '
    Vorrede, u.s.w. Wir warten auf die 
    offizielle Verständigung über die holländ. 
    Gruppe von Ihrer Seite. 

    Viele herzl Grüße an Ihre liebe Familie 
    von Ihrem Freud