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PROF. SIGM. FREUD
20 MARESFIELD GARDENSLONDON N.W.3.
TEL: HAMPSTEAD 200221. 3. 1939
Lieber Herr Doktor
Mit Schrecken entdecke ich in dem
Haufen auf meinem Schreibtisch einen
Brief von Ihnen vom 13 Febr.!
Ich weiß nicht, ob Sie die Erklärung
für mein Schweigen selbst erraten
haben, bin aber doch verpflichtet,
sie Ihnen zu bestätigen oder abzu-
runden.14/3 Der Tatbestand ist der, daß ich seit meiner
Operation im Sept. an unausgesetzten
Kieferschmerzen gelitten habe, die auch
die Ablösung eines Knochensplitters über-
dauerten. To cut a long story short, es
hat sich nach vielen Untersuchungen
ergeben, daß ich eine Rezidive meines
alten Leidens habe. Die Behandlung
zu der man sich entschloß, besteht in
einer Kombination von Röntgen
von außen und Radium von in̄en,
die im̄erhin schonender ist als – Kopf-
abschneiden, was die andere Alter-
native gewesen wäre und noch einige
Wochen oder Monate Lebensdauer
zusichert. Die Ärzte nehmen für diese
Therapie sogar einige Wahrschein-
lichkeit der Wirksamkeit in
Anspruch. Im̄erhin täusche ich mich
bei meinem Alter nicht über
die Chancen des Ausgangs, bin ich
sehr müde und ¿¿¿ ¿¿ durch alles,
was sie mit mir vornehmen,
sehr erschöpft. Es ist eben ein
Weg zum unvermeidlichen Ende
wie ein anderer, wenngleich nicht -
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der, den man sich gerne ausgesucht hätte.
Der Moses, deutsch bei Allert de Lange
in Amsterdam, ist gestern in erst
zwei Exemplaren bei mir erschienen.
Ein ganz würdiger Abgang, ¿¿¿ glaube
ich. Eines der beiden hat Prinzeß-
in Marie bekom̄en, die eben wieder
bei uns wohnt.Anna meint wie ich, daß der Name
American Imago für Ihre wiederge-
borene Zeitschrift untadelhaft wäre.
Mit Ihrer Einbegleitung durchaus
einverstanden.Ich gratulire zur Vereinigung Ihrer Familie
und begrüße Sie in alter
Herzlichkeit
Ihr Freud