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    PROF. DR. FREUD

     WIEN, IX. BERGGASSE 19.
    39 Elsworthy Rd NW 3

    11. 7. 1938

    Lieber Herr Doktor

    Ich greife auf Wiener Papier zurück u freue 
    mich wieder deutsch schreiben zu können  
    Wenn ich mir diese Freude einige Tage 
    aufgespart habe, so war nicht Trägheit die 
    Schuld, sondern ich erwartete das Ergebnis 
    einer Konferenz mit Jones ab, in der die 
    amerikanischen Verhältniße besprochen 
    werden sollten.  Die Konferenz hat statt-
    gefunden, es lagen ihr außer Ihrem Brief 
    ähnlich gerichtete vor von Simmel und Wälder.

    Die Entscheidungen in der hohen Politik 
    werden, das merke ich, zwischen Jones 
    und Anna getroffen. Was ich Ihnen 
    schreibe, giebt meinen privaten Meinungen 
    Ausdruck.

    Ihr Plan, eine neue – englische – Imago in Amerika 
    hat mir zunächst nicht gefallen.  Der Grund 
    ist, wir haben beschloßen, das Licht in 
    Deutschland nicht ausgelöscht zu lassen 
    und in dieser Absicht bei einem 
    neutralen oder englischen Verlag eine 
    neue Zeitschrift herauszubringen, die 
    als Erbe der beiden verblichenen 
    deren beide Namen auf dem Titelblatt 
    vereinigen sollte.  Nun schien es mir 
    nicht zweckmäßig gleichzeitig eine 
    andere Schwester-Imago in’s Leben 
    zu rufen, die der unsrigen das Wasser 
    abschneiden oder passender ausgedrückt 
    die Milch wegtrinken könnte.  Die 

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    beiden anderen haben mir widersprochen, diese 
    Gefahr gering eingeschätzt und auf die Bedeutg 
    eines neuen periodical in Ihrem Lande für 
    die Vorbereitung einer Gruppe hingewiesen, 
    in der die Freunde unserer Analyse sich 
    treffen können.  So habe ich meinen Einspruch 
    zurückgezogen und Buße gethan durch den 
    Vorschlag, Ihre Zeitschrift kön̄te sich American 
    Imago heißen und ein direktes Kartell mit unserer 
    Neugründung eingehen.  Zur Über-
    nahme der Herausgeberschaft bin ich bereit 
    u wollte, ich kön̄te mehr thun, um den Herrn 
    drüben zu zeigen, was ich ¿¿ von ihnen halte. 
    Die Redaktion bleibt natürlich in Ihren 
    Händen, Jones einzuladen scheint mir nicht 
    nötig. Er macht sich übrigens keine Illusionen 
    über Amerika, sagt, daß sie ihn drüben plan-
    mäßig boycottiren.

    Das wird also wo werden, wie Sie es einrichten 
    wollen. Das Hauptziel, sagen Jones u Anna
    ist die Gründung einer neuen Gruppe, die 
    Ihnen im Verein mit Nunberg Wälder 
    u Simmel im Lauf der nächsten Jahre 
    gelingen müßte.  Sie wird zwar von den 
    Amerikanern nicht anerkan̄t werden 
    u die I.P.V. hat sich leider der Einflußnahme 
    auf amerik. Verhältniße begeben.  Aber 
    vielleicht thun sie bis dahin den Gefallen 
    aus der Organisation auszutreten und 
    dann, wie es in der Zauberflöte heißt:

    „und er lebte ohne sie 
    in der schönsten Harmonie.“

    Auch eine Anwendung der Psychoanalyse.

    Mit herzlichem Gruß in der 
    Erwartung bald von Ihnen zu hören
    Ihr getreuer
    Freud