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5.7.10
Lieber Freund
ich bin am Ende meiner Arbeitszeit habe auch
meiner Arbeitskraft (noch 9 Tage u war in
letzter Woche viel unwol, daher habe ich auf
Ihren von den bedeutsamstem Gedanken
erfüllt den Brief nicht reagirt. Heute sehe
ich ein, daß meine Kritik sehr verfrüht
war, denke aber, daß so tiefreichen
Deutungen nicht in so knapper Weise vorgebracht
werden könnten, sondern auf die weit-
läufigste Begründung warten müßten, die
Sie dann gewiß hinzufügen werden. Gewiß
werde ich sehr froh sein, daß Opus in seiner
veränderten Form nochmals bei mir zu
sehen. Die Hauptschwierigkeit bei diesen
Deutungsarbeiten wird Ihnen kaum ent-
gangen sein; sie bestehtnichdarin, nicht wie
bei einer Allegorie die ganze Facade
als deutbar zu nehmen, sondern sich auf
den Inhalt zu beschränken, indem man der
Genese der Elemente nachgeht, u sich den
Irreführungen durch alle späteren Über-
arbeitungen, Verdoppelungen, Verdichtungen
etc zu entziehen. Also ähnlich wie beim
Traum.Obwol Sie mich nicht dazu aufgefordert haben,
dachte ich doch, ich könnte es verantworten
Binswanger um ein paar Aufklärungen
wegen des sonderbaren, schizophrenen -
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Benehmens der Züricher zu bitten. Hoches Vortrag
ist mir vor Augen gekom̄en, aber nichts zur Lektüre,
ich habe drei Num̄ern davon bestellt, um
etwas abgeben zu können; nach dem flüchtigsten
Einblick erscheint er mir als die größte
Anerkennung, zu der ich es bisher gebracht.
Ich habe es gerne schriftlich bestätigt, daß wir
unseren Gegnern um 15 Jahre voraus
sind.Die Wissenschaft ist in diesen dum̄en Wochen
bei mir zu kurz gekom̄en, obwol sich
von früher her die Pläne zu drei formul-
irenden Aufsätzen in meinem Kopf drängen.
Brill hat die ΨA nun auch in Kuba einge-
führt; heute habe ich die spanische Über-
setzung eines Aufsatzes von ihm aus Habana
erhalten. Übersetzer ist ein Dr Fernandez.
Das Jahrbuch ist sehr langweilig, den Aufsatz
fürs Zentralblatt (Nürnb. Vortrag) habe ich
bereits fertig gestellt. – Das klingt
aber wie das berühmteEinmaAbc von
Busch: Der Esel ist ein dum̄es Thier
der Elephant kann nichts dafür.
oder
Die Zwiebel ist der Juden Speis,°
das Zebra trifft man stellenweis.Ich sollte bei solche stilistischen Disposition
eigentlich aufhören zu schreiben. Kein -
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Wunder, ich bin sehr müde u habe bis zum letzten
Tag 9 Stunden Arbeit.Es ist noch nicht bestim̄t, wo wir die ersten 14
Tage verbringen werden, da wir in Noordwijk
erst vom 1 Aug an Quartier finden. Wahr-
scheinlich gehe ich mit zweien meiner Söhne
nach dem Haag u grase von diesem Zentrum
aus mit ihnen Holland ab. Die Frauen
und das Kleinzeug werden sich anders ver-
sorgen; mein ältester geht in die Berge.
Meiner Tochter geht es. Überraschend gut, sie
ist jetzt mit ihrem Mann da in Südtirol
Levico, Lavarone, Gegenden, die uns lieb
u vertraut sind.Ich dachte gewiß an die Schweiz für diese zweite
Hälfte Juli, aber Ruhe ist uns zu sehr
Bedürfnis, u wenn ich zu Ihnen komme,
diskutiren wir doch die ganze Zeit.
Ich kann jetzt nichts mehr rezipiren, ich bin
full to the brim, und zur Reaktion
dagegen brauche ich noch ein Stück Erholung.Immer mehr u mehr durch dringt mich
die Überzeugung von dem kulturellen
Wert der ΨA u ich wünschte den hellen
Kopf herbei, der die berechtigten Folger-
ungen für die Philosophie u die Sozietät -
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aus ihr zöge. Mein Eindruck ist, – aber vielleicht
ist es nur die Projektion meines gegenwärtigen
matten Zustandes –, als ob wir gegenwärtig
in einer Sperrung hielten u einen neuen
Schub abwarteten. Ungeduldig bin ich aber
nicht.Ich grüße sie herzlich u bitte Sie, bis
auf bestim̄tere Nachricht meiner Wiener
Adreße treu zu bleiben.Ihr getreuer
Freud