-
S.
Prof. Dr. Freud
IX., Berggasse 19.
30. XI. 05Liebe Emma
Es nützt Ihnen gar nichts, wenn Sie
mich in der Titulatur noch so weit
herabsetzen. Es kann nicht viel ändern
zwischen uns u ich ändere meine
Gesinnungen ebenso schwer wie
meine Meinungen. Lassen Sie mich
also wiederholen, daß es nur ein
garstiger Zufall ist, wenn ich mich
nicht um die Wiederaufnahme der
Kur bei Ihnen bewerben kann.Als ob er auf Sie gewartet hätte, ist
das Gedränge nach Ihrem Ausbleiben
losgegangen, so daß ich in einer
Woche 4 annehmen u dabei 2 zurück-
weisen mußte. Die traurige Notwendig-
keit erwerben zu müßen, ist Ihnen
zu wol bekannt, u die Empfindlich-
keit, die Sie wiewol von Ferne
verraten, daß ich Sie hätte behandeln
müßen, ohne Geld von Ihnen zu
erwarten, ist etwas, was Ihnen so -
S.
wenig ähnlich sieht, daß ich überzeugt
bin, diese wird das erste sein, was
Sie zurücknehmen werden.Mir liegt natürlich ebensoviel am
Anderen. Daß Sie so aufsitzen können,
die Redefreiheit in der Cur so
mißverstehen können u mir beleidig-
ende Absichten zumuten, wo ich mich
meines unerschütterlichen Vertrauens
in Ihre Freundschaft u Ihre Wahrheits-
liebe bedient habe, um Sie in eine
heikle, aber doch gewohnte u zu
erwartende Übertragung Einsicht
nehmen zu lassen, das hat zwar nicht
mein Urtheil über Sie erschüttert
aber mir doch wieder Respekt vor
dem elementar-Frauenzim̄erlichen
mit dem ich immer zu kämpfen
habe, eingeflößt.Ich wundere mich nicht, daß Sie dann
auch andere nicht mißverständliche
Sätze meines Briefes nicht begreifen. -
S.
Ich kann doch nichts anderes gemeint
haben, als daß es mir unmöglich
ist, den Abbruch (die Unterbrechung
hoffentlich) der Cur durch die Ausrede,
ich hielte Ihre Schmerzen für organische
erklären zu lassen. Daß Sie dafür etwas
anderes sagen müßten, was der
Wahrheit näher kom̄t z.B, daß wir
uns gezankt hätten, daß Sie etwas
nicht annehmen können, was ich
behaupte u. dgl, daß Sie sich eine
Frist zur Überlegung genom̄en haben
oder so ähnlich.Darf ich Sie noch am Schluß auf einen
kleinen Widerspruch aufmerksam
machen, der doch Ihrem Bösesein zu
Grunde liegt. Das eine Mal soll
ich Sie beleidigt haben, indem ich
Ihnen alle Eignung absprach, einem
Mann zu gefallen, das Andere
Mal muß ich Sie beleidigt haben, -
S.