Das Unbewußte 1915-005/1924
1915-005/1924 Das Unbewußte
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    DAS UNBEWUSSTE

    Wir haben aus der Psychoanalyse erfahren, das Wesen des 
    Prozesses der Verdrängung bestehe nicht darin, eine den Trieb 
    repräsentierende Vorstellung aufzuheben, zu vernichten, sondern 
    sie vom Bewußtwerden abzuhalten. Wir sagen dann, sie befinde 
    sich im Zustande des „Unbewußten“, und haben gute Beweise 
    dafür vorzubringen, daß sie auch unbewußt Wirkungen äußern 
    kann, auch solche, die endlich das Bewußtsein erreichen. Alles 
    Verdrängte muß unbewußt bleiben, aber wir wollen gleich ein-
    gangs feststellen, daß das Verdrängte nicht alles Unbewußte 
    deckt. Das Unbewußte hat den weiteren Umfang; das Verdrängte 
    ist ein Teil des Unbewußten.

    Wie sollen wir zur Kenntnis des Unbewußten kommen? Wir 
    kennen es natürlich nur als Bewußtes, nachdem es eine Um-
    setzung oder Übersetzung in Bewußtes erfahren hat. Die psycho-
    analytische Arbeit läßt uns alltäglich die Erfahrung machen, daß 
    solche Übersetzung möglich ist. Es wird hiezu erfordert, daß der 
    Analysierte gewisse Widerstände überwinde, die nämlichen, welche 
    es seinerzeit durch Abweisung vom Bewußten zu einem Ver-
    drängten gemacht haben.


    Die Rechtfertigung des Unbewußten

    Die Berechtigung, ein unbewußtes Seelisches anzunehmen und 
    mit dieser Annahme wissenschaftlich zu arbeiten, wird uns von 
    vielen Seiten bestritten. Wir können dagegen anführen, daß die 
    Annahme des Unbewußten notwendig und legitim ist, und 

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    daß wir für die Existenz des Unbewußten mehrfache Beweise 
    besitzen. Sie ist notwendig, weil die Daten des Bewußtseins in 
    hohem Grade lückenhaft sind; sowohl bei Gesunden als bei 
    Kranken kommen häufig psychische Akte vor, welche zu ihrer 
    Erklärung andere Akte voraussetzen, für die aber das Bewußt-
    sein nicht zeugt. Solche Akte sind nicht nur die Fehlhandlungen 
    und die Träume bei Gesunden, alles, was man psychische Sym-
    ptome und Zwangserscheinungen heißt, bei Kranken – unsere 
    persönlichste tägliche Erfahrung macht uns mit Einfällen bekannt, 
    deren Herkunft wir nicht kennen, und mit Denkresultaten, deren 
    Ausarbeitung uns verborgen geblieben ist. Alle diese bewußten 
    Akte blieben zusammenhanglos und unverständlich, wenn wir 
    den Anspruch festhalten wollen, daß wir auch alles durchs Be-
    wußtsein erfahren müssen, was an seelischen Akten in uns vor-
    geht, und ordnen sich in einen aufzeigbaren Zusammenhang 
    ein, wenn wir die erschlossenen unbewußten Akte interpolieren. 
    Gewinn an Sinn und Zusammenhang ist aber ein vollberechtigtes 
    Motiv, das uns über die unmittelbare Erfahrung hinaus führen 
    darf. Zeigt es sich dann noch, daß wir auf die Annahme des 
    Unbewußten ein erfolgreiches Handeln aufbauen können, durch 
    welches wir den Ablauf der bewußten Vorgänge zweckdienlich 
    beeinflussen, so haben wir in diesem Erfolg einen unanfecht-
    baren Beweis für die Existenz des Angenommenen gewonnen. 
    Man muß sich dann auf den Standpunkt stellen, es sei nichts 
    anderes als eine  unhaltbare Anmaßung, zu fordern, daß alles, 
    was im Seelischen vorgeht, auch dem Bewußtsein bekannt werden 
    müsse.

    Man kann weitergehen und zur Unterstützung eines unbe-
    wußten psychischen Zustandes anführen, daß das Bewußtsein in 
    jedem Moment nur einen geringen Inhalt umfaßt, so daß der 
    größte Teil dessen, was wir bewußte Kenntnis heißen, sich ohne-
    dies über die längsten Zeiten im Zustande der Latenz, also in 
    einem Zustande von psychischer Unbewußtheit, befinden muß. 

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    Der Widerspruch gegen das Unbewußte würde mit Rücksicht 
    auf alle unsere latenten Erinnerungen völlig unbegreiflich werden. 
    Wir stoßen dann auf den Einwand, daß diese latenten Erinne-
    rungen nicht mehr als psychisch zu bezeichnen seien, sondern 
    den Resten von somatischen Vorgängen entsprechen, aus denen 
    das Psychische wieder hervorgehen kann. Es liegt nahe zu er-
    widern, die latente Erinnerung sei im Gegenteil ein unzweifel-
    hafter Rückstand eines psychischen Vorganges. Wichtiger ist es 
    aber sich klarzumachen, daß der Einwand auf der nicht ausge-
    sprochenen, aber von vornherein fixierten Gleichstellung des Be-
    wußten mit dem Seelischen ruht. Diese Gleichstellung ist ent-
    weder eine petitio principii, welche die Frage, ob alles Psychische 
    auch bewußt sein müsse, nicht zuläßt, oder eine Sache der Kon-
    vention, der Nomenklatur. In letzterem Charakter ist sie natür-
    lich wie jede Konvention unwiderlegbar. Es bleibt nur die Frage 
    offen, ob sie sich als so zweckmäßig erweist, daß man sich ihr 
    anschließen muß. Man darf antworten, die konventionelle Gleich-
    stellung des Psychischen mit dem Bewußten ist durchaus un-
    zweckmäßig. Sie zerreißt die psychischen Kontinuitäten, stürzt 
    uns in die unlösbaren Schwierigkeiten des psychophysischen 
    Parallelismus, unterliegt dem Vorwurf, daß sie ohne einsichtliche 
    Begründung die Rolle des Bewußtseins überschätzt, und nötigt 
    uns, das Gebiet der psychologischen Forschung vorzeitig zu ver-
    lassen, ohne uns von anderen Gebieten her Entschädigung bringen 
    zu können.

    Immerhin ist es klar, daß die Frage, ob man die unabweis-
    baren latenten Zustände des Seelenlebens als unbewußte seelische 
    oder als physische auffassen soll, auf einen Wortstreit hinauszu-
    laufen droht. Es ist darum ratsam, das in den Vordergrund zu 
    rücken, was uns von der Natur dieser fraglichen Zustände mit 
    Sicherheit bekannt ist. Nun sind sie uns nach ihren physischen 
    Charakteren vollkommen unzugänglich; keine physiologische Vor-
    stellung, kein chemischer Prozeß kann uns eine Ahnung von 

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    ihrem Wesen vermitteln. Auf der anderen Seite steht fest, daß 
    sie mit den bewußten seelischen Vorgängen die ausgiebigste Be-
    rührung haben; sie lassen sich mit einer gewissen Arbeitsleistung 
    in sie umsetzen, durch sie ersetzen, und sie können mit all den 
    Kategorien beschrieben werden, die wir auf die bewußten Seelen-
    akte anwenden, als Vorstellungen, Strebungen, Entschließungen 
    u. dgl. Ja, von manchen dieser latenten Zustände müssen wir 
    aussagen, sie unterscheiden sich von den bewußten eben nur 
    durch den Wegfall des Bewußtseins. Wir werden also nicht 
    zögern, sie als Objekte psychologischer Forschung und in innigstem 
    Zusammenhang mit den bewußten seelischen Akten zu behandeln.

    Die hartnäckige Ablehnung des psychischen Charakters der 
    latenten seelischen Akte erklärt sich daraus, daß die meisten der 
    in Betracht kommenden Phänomene außerhalb der Psychoanalyse 
    nicht Gegenstand des Studiums geworden sind. Wer die patho-
    logischen Tatsachen nicht kennt, die Fehlhandlungen der Nor-
    malen als Zufälligkeiten gelten läßt und sich bei der alten Weis-
    heit bescheidet, Träume seien Schäume, der braucht dann nur 
    noch einige Rätsel der Bewußtseinspsychologie zu vernachlässigen, 
    um sich die Annahme unbewußter seelischer Tätigkeit zu er-
    sparen. Übrigens haben die hypnotischen Experimente, besonders 
    die posthypnotische Suggestion, Existenz und Wirkungsweise des 
    seelisch Unbewußten bereits vor der Zeit der Psychoanalyse sinn-
    fällig demonstriert.

    Die Annahme des Unbewußten ist aber auch eine völlig 
    legitime, insofern wir bei ihrer Aufstellung keinen Schritt von 
    unserer gewohnten, für korrekt gehaltenen Denkweise abweichen. 
    Das Bewußtsein vermittelt jedem einzelnen von uns nur die 
    Kenntnis von eigenen Seelenzuständen; daß auch ein anderer 
    Mensch ein Bewußtsein hat, ist ein Schluß, der per analogiam 
    auf Grund der wahrnehmbaren Äußerungen und Handlungen 
    dieses anderen gezogen wird, um uns dieses Benehmen des an-
    deren verständlich zu machen. (Psychologisch richtiger ist wohl 

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    die Beschreibung, daß wir ohne besondere Überlegung jedem 
    anderen außer uns unsere eigene Konstitution, und also auch 
    unser Bewußtsein, beilegen, und daß diese Identifizierung die 
    Voraussetzung unseres Verständnisses ist.) Dieser Schluß – oder 
    diese Identifizierung – wurde einst vom Ich auf andere Men-
    schen, Tiere, Pflanzen, Unbelebtes und auf das Ganze der Welt 
    ausgedehnt und erwies sich als brauchbar, solange die Ähnlich-
    keit mit dem Einzel‑Ich eine überwältigend große war, wurde 
    aber in dem Maße unverläßlicher, als sich das Andere vom Ich 
    entfernte. Unsere heutige Kritik wird bereits beim Bewußtsein 
    der Tiere unsicher, verweigert sich dem Bewußtsein der Pflanzen 
    und weist die Annahme eines Bewußtseins des Unbelebten der 
    Mystik zu. Aber auch, wo die ursprüngliche Identifizierungs-
    neigung die kritische Prüfung bestanden hat, bei dem uns 
    nächsten menschlichen Anderen, ruht die Annahme eines Be-
    wußtseins auf einem Schluß und kann nicht die unmittelbare 
    Sicherheit unseres eigenen Bewußtseins teilen.

    Die Psychoanalyse fordert nun nichts anderes, als daß dieses 
    Schlußverfahren auch gegen die eigene Person gewendet werde, 
    wozu eine konstitutionelle Neigung allerdings nicht besteht. Geht 
    man so vor, so muß man sagen, alle die Akte und Äußerungen, 
    die ich an mir bemerke und mit meinem sonstigen psychischen 
    Leben nicht zu verknüpfen weiß, müssen beurteilt werden, als 
    ob sie einer anderen Person angehörten, und sollen durch ein 
    ihr zugeschriebenes Seelenleben Aufklärung finden. Die Erfahrung 
    zeigt auch, daß man dieselben Akte, denen man bei der eigenen 
    Person die psychische Anerkennung verweigert, bei anderen sehr 
    wohl zu deuten, d. h. in den seelischen Zusammenhang einzu-
    reihen versteht. Unsere Forschung wird hier offenbar durch ein 
    besonderes Hindernis von der eigenen Person abgelenkt und an 
    deren richtiger Erkenntnis behindert. 

    Dies trotz inneren Widerstrebens gegen die eigene Person ge-
    wendete Schlußverfahren führt nun nicht zur Aufdeckung eines 

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    Unbewußten, sondern korrekterweise zur Annahme eines anderen, 
    zweiten Bewußtseins, welches mit dem mir bekannten in meiner 
    Person vereinigt ist. Allein hier findet die Kritik berechtigten 
    Anlaß, einiges einzuwerfen. Erstens ist ein Bewußtsein, von dem 
    der eigene Träger nichts weiß, noch etwas anderes als ein 
    fremdes Bewußtsein, und es wird fraglich, ob ein solches Be-
    wußtsein, dem der wichtigste Charakter abgeht, überhaupt noch 
    Diskussion verdient. Wer sich gegen die Annahme eines unbe-
    wußten Psychischen gesträubt hat, der wird nicht zufrieden sein 
    können, dafür ein unbewußtes Bewußtsein einzutauschen. 
    Zweitens weist die Analyse darauf hin, daß die einzelnen latenten 
    Seelenvorgänge, die wir erschließen, sich eines hohen Grades von 
    gegenseitiger Unabhängigkeit erfreuen, so als ob sie miteinander 
    nicht in Verbindung stünden und nichts voneinander wüßten. 
    Wir müssen also bereit sein, nicht nur ein zweites Bewußtsein 
    in uns anzunehmen, sondern auch ein drittes, viertes, vielleicht 
    eine unabschließbare Reihe von Bewußtseinszuständen, die sämt-
    lich uns und miteinander unbekannt sind. Drittens kommt als 
    schwerstes Argument in Betracht, daß wir durch die analytische 
    Untersuchung erfahren, ein Teil dieser latenten Vorgänge besitze 
    Charaktere und Eigentümlichkeiten, welche uns fremd, selbst un-
    glaublich erscheinen und den uns bekannten Eigenschaften des 
    Bewußtseins direkt zuwiderlaufen. Somit werden wir Grund haben, 
    den gegen die eigene Person gewendeten Schluß dahin abzu-
    ändern, er beweise uns nicht ein zweites Bewußtsein in uns, 
    sondern die Existenz von psychischen Akten, welche des Bewußt-
    seins entbehren. Wir werden auch die Bezeichnung eines „Unter-
    bewußtseins“ als inkorrekt und irreführend ablehnen dürfen. Die 
    bekannten Fälle von „double conscience“ (Bewußtseinsspaltung) 
    beweisen nichts gegen unsere Auffassung. Sie lassen sich am zu-
    treffendsten beschreiben als Fälle von Spaltung der seelischen Tätig-
    keiten in zwei Gruppen, wobei sich dann das nämliche Bewußt-
    sein alternierend dem einen oder dem anderen Lager zuwendet.

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    Es bleibt uns in der Psychoanalyse gar nichts anderes übrig, 
    als die seelischen Vorgänge für an sich unbewußt zu erklären 
    und ihre Wahrnehmung durch das Bewußtsein mit der Wahr-
    nehmung der Außenwelt durch die Sinnesorgane zu vergleichen. 
    Wir hoffen sogar aus diesem Vergleich einen Gewinn für unsere 
    Erkenntnis zu ziehen. Die psychoanalytische Annahme der un-
    bewußten Seelentätigkeit erscheint uns einerseits als eine weitere 
    Fortbildung des primitiven Animismus, der uns überall Ebenbilder 
    unseres Bewußtseins vorspiegelte, und anderseits als die Fort-
    setzung der Korrektur, die Kant an unserer Auffassung der 
    äußeren Wahrnehmung vorgenommen hat. Wie Kant uns ge-
    warnt hat, die subjektive Bedingtheit unserer Wahrnehmung 
    nicht zu übersehen und unsere Wahrnehmung nicht für identisch 
    mit dem unerkennbaren Wahrgenommenen zu halten, so mahnt 
    die Psychoanalyse, die Bewußtseinswahrnehmung nicht an die 
    Stelle des unbewußten psychischen Vorganges zu setzen, welcher 
    ihr Objekt ist. Wie das Physische, so braucht auch das Psychische 
    nicht in Wirklichkeit so zu sein, wie es uns erscheint. Wir 
    werden uns aber mit Befriedigung auf die Erfahrung vorbereiten, 
    daß die Korrektur der inneren Wahrnehmung nicht ebenso große 
    Schwierigkeit bietet wie die der äußeren, daß das innere Objekt 
    minder unerkennbar ist als die Außenwelt.

    II
    Die Vieldeutigkeit des Unbewußten und 
    der topische Gesichtspunkt

    Ehe wir weitergehen, wollen wir die wichtige, aber auch be-
    schwerliche Tatsache feststellen, daß die Unbewußtheit nur ein 
    Merkmal des Psychischen ist, welches für dessen Charakteristik 
    keineswegs ausreicht. Es gibt psychische Akte von sehr ver-
    schiedener Dignität, die doch in dem Charakter, unbewußt zu 
    sein, übereinstimmen. Das Unbewußte umfaßt einerseits Akte, 
    die bloß latent, zeitweilig unbewußt sind, sich aber sonst von 

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    den bewußten in nichts unterscheiden, und anderseits Vorgänge 
    wie die verdrängten, die, wenn sie bewußt würden, sich von 
    den übrigen bewußten aufs grellste abheben müßten. Es würde 
    allen Mißverständnissen ein Ende machen, wenn wir von nun 
    an bei der Beschreibung der verschiedenartigen psychischen Akte 
    ganz davon absehen würden, ob sie bewußt oder unbewußt sind, 
    und sie bloß nach ihrer Beziehung zu den Trieben und Zielen, 
    nach ihrer Zusammensetzung und Angehörigkeit zu den einander 
    übergeordneten psychischen Systemen klassifizieren und in Zu-
    sammenhang bringen würden. Dies ist aber aus verschiedenen 
    Gründen undurchführbar, und somit können wir der Zweideutig-
    keit nicht entgehen, daß wir die Worte bewußt und unbewußt 
    bald im deskriptiven Sinne gebrauchen, bald im systematischen, 
    wo sie dann Zugehörigkeit zu bestimmten Systemen und Be-
    gabung mit gewissen Eigenschaften bedeuten. Man könnte noch 
    den Versuch machen, die Verwirrung dadurch zu vermeiden, daß 
    man die erkannten psychischen Systeme mit willkürlich gewählten 
    Namen bezeichnet, in denen die Bewußtheit nicht gestreift wird. 
    Allein man müßte vorher Rechenschaft ablegen, worauf man die 
    Unterscheidung der Systeme gründet, und könnte dabei die Be-
    wußtheit nicht umgehen, da sie den Ausgangspunkt aller unserer 
    Untersuchungen bildet. Wir können vielleicht einige Abhilfe von 
    dem Vorschlag erwarten, wenigstens in der Schrift Bewußtsein 
    durch die Darstellung Bw und Unbewußtes durch die ent-
    sprechende Abkürzung Ubw zu ersetzen, wenn wir die beiden 
    Worte im systematischen Sinne gebrauchen.

    In positiver Darstellung sagen wir nun als Ergebnis der 
    Psychoanalyse aus, daß ein psychischer Akt im allgemeinen zwei 
    Zustandsphasen durchläuft, zwischen welche eine Art Prüfung 
    (Zensur) eingeschaltet ist. In der ersten Phase ist er unbewußt 
    und gehört dem System Ubw an; wird er bei der Prüfung von 
    der Zensur abgewiesen, so ist ihm der Übergang in die zweite 
    Phase versagt; er heißt dann „verdrängt“ und muß unbewußt 

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    bleiben. Besteht er aber diese Prüfung, so tritt er in die zweite 
    Phase ein und wird dem zweiten System zugehörig, welches wir 
    das System Bw nennen wollen. Sein Verhältnis zum Bewußtsein 
    ist aber durch diese Zugehörigkeit noch nicht eindeutig bestimmt. 
    Er ist noch nicht bewußt, wohl aber bewußtseinsfähig (nach 
    dem Ausdruck von J. Breuer), d. h. er kann nun ohne be-
    sonderen Widerstand beim Zutreffen gewisser Bedingungen Objekt 
    des Bewußtseins werden. Mit Rücksicht auf diese Bewußtseins-
    fähigkeit heißen wir das System Bw auch das „Vorbewußte“. 
    Sollte es sich herausstellen, daß auch das Bewußtwerden des 
    Vorbewußten durch eine gewisse Zensur mitbestimmt wird, so 
    werden wir die Systeme Vbw und Bw strenger voneinander 
    sondern. Vorläufig genüge es festzuhalten, daß das System Vbw 
    die Eigenschaften des Systems Bw teilt und daß die strenge 
    Zensur am Übergang vom Ubw zum Vbw (oder Bw) ihres 
    Amtes waltet.

    Mit der Aufnahme dieser (zwei oder drei) psychischen Systeme 
    hat sich die Psychoanalyse einen Schritt weiter von der deskrip-
    tiven Bewußtseinspsychologie entfernt, sich eine neue Fragestel-
    lung und einen neuen Inhalt beigelegt. Sie unterschied sich von 
    der Psychologie bisher hauptsächlich durch die dynamische 
    Auffassung der seelischen Vorgänge; nun kommt hinzu, daß sie 
    auch die psychische Topik berücksichtigen und von einem be-
    liebigen seelischen Akt angeben will, innerhalb welchen Systems 
    oder zwischen welchen Systemen er sich abspielt. Wegen dieses 
    Bestrebens hat sie auch den Namen einer Tiefenpsychologie 
    erhalten. Wir werden hören, daß sie auch noch um einen anderen 
    Gesichtspunkt bereichert werden kann.

    Wollen wir mit einer Topik der seelischen Akte Ernst machen, 
    so müssen wir unser Interesse einer an dieser Stelle auftauchen-
    den Zweifelsfrage zuwenden. Wenn ein psychischer Akt (be-
    schränken wir uns hier auf einen solchen von der Natur einer 
    Vorstellung) die Umsetzung aus dem System Ubw in das System 

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    Bw (oder Vbw) erfährt, sollen wir annehmen, daß mit dieser 
    Umsetzung eine neuerliche Fixierung, gleichsam eine zweite 
    Niederschrift der betreffenden Vorstellung verbunden ist, die also 
    auch in einer neuen psychischen Lokalität enthalten sein kann, 
    und neben welcher die ursprüngliche unbewußte Niederschrift 
    fortbesteht? Oder sollen wir eher glauben, daß die Umsetzung 
    in einer Zustandsänderung besteht, welche sich an dem näm-
    lichen Material und an derselben Lokalität vollzieht? Diese Frage 
    kann abstrus erscheinen, muß aber aufgeworfen werden, wenn 
    wir uns von der psychischen Topik, der psychischen Tiefen-
    dimension, eine bestimmtere Idee bilden wollen. Sie ist schwierig, 
    weil sie über das rein Psychologische hinausgeht und die Be-
    ziehungen des seelischen Apparates zur Anatomie streift. Wir 
    wissen, daß solche Beziehungen im gröbsten existieren. Es ist 
    ein unerschütterliches Resultat der Forschung, daß die seelische 
    Tätigkeit an die Funktion des Gehirns gebunden ist wie an kein 
    anderes Organ. Ein Stück weiter – es ist nicht bekannt, wie 
    weit – führt die Entdeckung von der Ungleichwertigkeit der 
    Gehirnteile und deren Sonderbeziehung zu bestimmten Körper-
    teilen und geistigen Tätigkeiten. Aber alle Versuche, von da aus 
    eine Lokalisation der seelischen Vorgänge zu erraten, alle Be-
    mühungen, die Vorstellungen in Nervenzellen aufgespeichert zu 
    denken und die Erregungen auf Nervenfasern wandern zu lassen, 
    sind gründlich gescheitert. Dasselbe Schicksal würde einer Lehre 
    bevorstehen, die etwa den anatomischen Ort des Systems Bw, der 
    bewußten Seelentätigkeit, in der Hirnrinde erkennen und die 
    unbewußten Vorgänge in die subkortikalen Hirnpartien ver-
    setzen wollte. Es klafft hier eine Lücke, deren Ausfüllung der-
    zeit nicht möglich ist, auch nicht zu den Aufgaben der Psycho-
    logie gehört. Unsere psychische Topik hat vorläufig nichts mit 
    der Anatomie zu tun; sie bezieht sich auf Regionen des seeli-
    schen Apparats, wo immer sie im Körper gelegen sein mögen, 
    und nicht auf anatomische Örtlichkeiten.

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    Unsere Arbeit ist also in dieser Hinsicht frei und darf nach 
    ihren eigenen Bedürfnissen vorgehen. Es wird auch förderlich 
    sein, wenn wir uns daran mahnen, daß unsere Annahmen zu-
    nächst nur den Wert von Veranschaulichungen beanspruchen. 
    Die erstere der beiden in Betracht gezogenen Möglichkeiten, 
    nämlich daß die bw Phase der Vorstellung eine neue, an anderem 
    Orte befindliche Niederschrift derselben bedeute, ist unzweifelhaft 
    die gröbere, aber auch die bequemere. Die zweite Annahme, die 
    einer bloß funktionellen Zustandsänderung, ist die von vorn-
    herein wahrscheinlichere, aber sie ist minder plastisch, weniger 
    leicht zu handhaben. Mit der ersten, der topischen Annahme ist 
    die einer topischen Trennung der Systeme Ubw und Bw und 
    die Möglichkeit verknüpft, daß eine Vorstellung gleichzeitig an 
    zwei Stellen des psychischen Apparats vorhanden sei, ja, daß sie, 
    wenn durch die Zensur ungehemmt, regelmäßig von dem einen 
    Ort an den anderen vorrücke, eventuell ohne ihre erste Nieder-
    lassung oder Niederschrift zu verlieren. Das mag befremdlich 
    aussehen, kann sich aber an Eindrücke aus der psychoanalytischen 
    Praxis anlehnen.

    Wenn man einem Patienten eine seinerzeit von ihm ver-
    drängte Vorstellung, die man erraten hat, mitteilt, so ändert dies 
    zunächst an seinem psychischen Zustand nichts. Es hebt vor 
    allem nicht die Verdrängung auf, macht deren Folgen nicht 
    rückgängig, wie man vielleicht erwarten konnte, weil die früher 
    unbewußte Vorstellung nun bewußt geworden ist. Man wird im 
    Gegenteil zunächst nur eine neuerliche Ablehnung der ver-
    drängten Vorstellung erzielen. Der Patient hat aber jetzt tat-
    sächlich dieselbe Vorstellung in zweifacher Form an verschiedenen 
    Stellen seines seelischen Apparats, erstens hat er die bewußte 
    Erinnerung an die Gehörspur der Vorstellung durch die Mit-
    teilung, zweitens trägt er daneben, wie wir mit Sicherheit wissen, 
    die unbewußte Erinnerung an das Erlebte in der früheren Form 
    in sich. In Wirklichkeit tritt nun eine Aufhebung der Verdrängung 

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    nicht eher ein, als bis die bewußte Vorstellung sich nach 
    Überwindung der Widerstände mit der unbewußten Erinnerungs-
    spur in Verbindung gesetzt hat. Erst durch das Bewußtmachen 
    dieser letzteren selbst wird der Erfolg erreicht. Damit schiene ja 
    für oberflächliche Erwägung erwiesen, daß bewußte und unbe-
    wußte Vorstellungen verschiedene und topisch gesonderte Nieder-
    schriften des nämlichen Inhaltes sind. Aber die nächste Über-
    legung zeigt, daß die Identität der Mitteilung mit der ver-
    drängten Erinnerung des Patienten nur eine scheinbare ist. Das 
    Gehörthaben und das Erlebthaben sind zwei nach ihrer psycho-
    logischen Natur ganz verschiedene Dinge, auch wenn sie den 
    nämlichen Inhalt haben.

    Wir sind also zunächst nicht imstande, zwischen den beiden 
    erörterten Möglichkeiten zu entscheiden. Vielleicht treffen wir 
    späterhin auf Momente, welche für eine von beiden den Aus-
    schlag geben können. Vielleicht steht uns die Entdeckung bevor, 
    daß unsere Fragestellung unzureichend war und daß die Unter-
    scheidung der unbewußten Vorstellung von der bewußten noch 
    ganz anders zu bestimmen ist.

    III
    Unbewußte Gefühle

    Wir haben die vorstehende Diskussion auf Vorstellungen ein-
    geschränkt und können nun eine neue Frage aufwerfen, deren 
    Beantwortung zur Klärung unserer theoretischen Ansichten bei-
    tragen muß. Wir sagten, es gäbe bewußte und unbewußte Vor-
    stellungen; gibt es aber auch unbewußte Triebregungen, Gefühle, 
    Empfindungen, oder ist es diesmal sinnlos, solche Zusammen-
    setzungen zu bilden?

    Ich meine wirklich, der Gegensatz von Bewußt und Unbewußt 
    hat auf den Trieb keine Anwendung. Ein Trieb kann nie Ob-
    jekt des Bewußtseins werden, nur die Vorstellung, die ihn re-
    präsentiert. Er kann aber auch im Unbewußten nicht anders als 

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    durch die Vorstellung repräsentiert sein. Würde der Trieb sich 
    nicht an eine Vorstellung heften oder nicht als ein Affektzustand 
    zum Vorschein kommen, so könnten wir nichts von ihm wissen. 
    Wenn wir aber doch von einer unbewußten Triebregung oder 
    einer verdrängten Triebregung reden, so ist dies eine harmlose 
    Nachlässigkeit des Ausdrucks. Wir können nichts anderes meinen 
    als eine Triebregung, deren Vorstellungsrepräsentanz unbewußt 
    ist, denn etwas anderes kommt nicht in Betracht.

    Man sollte meinen, die Antwort auf die Frage nach den un-
    bewußten Empfindungen, Gefühlen, Affekten sei ebenso leicht zu 
    geben. Zum Wesen eines Gefühls gehört es doch, daß es ver-
    spürt, also dem Bewußtsein bekannt wird. Die Möglichkeit einer 
    Unbewußtheit würde also für Gefühle, Empfindungen, Affekte 
    völlig entfallen. Wir sind aber in der psychoanalytischen Praxis 
    gewöhnt, von unbewußter Liebe, Haß, Wut usw. zu sprechen 
    und finden selbst die befremdliche Vereinigung „unbewußtes 
    Schuldbewußtsein“ oder eine paradoxe „unbewußte Angst“ un-
    vermeidlich. Geht dieser Sprachgebrauch an Bedeutung über den 
    im Falle des „unbewußten Triebes“ hinaus?

    Der Sachverhalt ist hier wirklich ein anderer. Es kann zu-
    nächst vorkommen, daß eine Affekt- oder Gefühlsregung wahr-
    genommen, aber verkannt wird. Sie ist durch die Verdrängung 
    ihrer eigentlichen Repräsentanz zur Verknüpfung mit einer an-
    deren Vorstellung genötigt worden und wird nun vom Bewuß-
    tsein für die Äußerung dieser letzteren gehalten. Wenn wir den 
    richtigen Zusammenhang wiederherstellen, heißen wir die ur-
    sprüngliche Affektregung eine „unbewußte“, obwohl ihr Affekt nie-
    mals unbewußt war, nur ihre Vorstellung der Verdrängung erlegen 
    ist. Der Gebrauch der Ausdrücke „unbewußter Affekt und un-
    bewußtes Gefühl“ weist überhaupt auf die Schicksale des quantitativen 
    Faktors der Triebregung infolge der Verdrängung zurück (siehe 
    die Abhandlung über Verdrängung). Wir wissen, daß dies Schick-
    sal ein dreifaches sein kann; der Affekt bleibt entweder – ganz 

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    oder teilweise – als solcher bestehen, oder er erfährt eine Ver-
    wandlung in einen qualitativ anderen Affektbetrag, vor allem in 
    Angst, oder er wird unterdrückt, d. h. seine Entwicklung über-
    haupt verhindert. (Diese Möglichkeiten sind an der Traumarbeit 
    vielleicht noch leichter zu studieren als bei den Neurosen.) Wir 
    wissen auch, daß die Unterdrückung der Affektentwicklung das 
    eigentliche Ziel der Verdrängung ist, und daß deren Arbeit un-
    abgeschlossen bleibt, wenn das Ziel nicht erreicht wird. In allen 
    Fällen, wo der Verdrängung die Hemmung der Affektentwick-
    lung gelingt, heißen wir die Affekte, die wir im Redressement 
    der Verdrängungsarbeit wieder einsetzen, „unbewußte“. Dem 
    Sprachgebrauch ist also die Konsequenz nicht abzustreiten; es 
    besteht aber im Vergleiche mit der unbewußten Vorstellung der 
    bedeutsame Unterschied, daß die unbewußte Vorstellung nach 
    der Verdrängung als reale Bildung im System Ubw bestehen 
    bleibt, während dem unbewußten Affekt ebendort nur eine An-
    satzmöglichkeit, die nicht zur Entfaltung kommen durfte, ent-
    spricht. Streng genommen und obwohl der Sprachgebrauch tadel-
    los bleibt, gibt es also keine unbewußten Affekte, wie es unbe-
    wußte Vorstellungen gibt. Es kann aber sehr wohl im System 
    Ubw Affektbildungen geben, die wie andere bewußt werden. Der 
    ganze Unterschied rührt daher, daß Vorstellungen Besetzungen 
    – im Grunde von Erinnerungsspuren – sind, während die 
    Affekte und Gefühle Abfuhrvorgängen entsprechen, deren letzte 
    Äußerungen als Empfindungen wahrgenommen werden. Im 
    gegenwärtigen Zustand unserer Kenntnis von den Affekten und 
    Gefühlen können wir diesen Unterschied nicht klarer ausdrücken.

    Die Feststellung, daß es der Verdrängung gelingen kann, die 
    Umsetzung der Triebregung in Affektäußerung zu hemmen, ist 
    für uns von besonderem Interesse. Sie zeigt uns, daß das System 
    Bw normalerweise die Affektivität wie den Zugang zur Motilität 
    beherrscht, und hebt den Wert der Verdrängung, indem sie als 
    deren Folgen nicht nur die Abhaltung vom Bewußtsein, sondern

  • S.

    494

    auch von der Affektentwicklung und von der Motivierung der 
    Muskeltätigkeit aufzeigt. Wir können auch in umgekehrter Dar-
    stellung sagen: Solange das System Bw Affektivität und Motili-
    tät beherrscht, heißen wir den psychischen Zustand des Individuums 
    normal. Indes ist ein Unterschied in der Beziehung des herrschenden 
    Systems zu den beiden einander nahestehenden Abfuhraktionen 
    unverkennbar.1 Während die Herrschaft des Bw über die will-
    kürliche Motilität fest gegründet ist, dem Ansturm der Neurose 
    regelmäßig widersteht und erst in der Psychose zusammenbricht, 
    ist die Beherrschung der Affektentwicklung durch Bw minder 
    gefestigt. Noch innerhalb des normalen Lebens läßt sich ein be-
    ständiges Ringen der beiden Systeme Bw und Ubw um den 
    Primat in der Affektivität erkennen, grenzen sich gewisse Ein-
    flußsphären voneinander ab und stellen sich Vermengungen der 
    wirksamen Kräfte her.

    Die Bedeutung des Systems Bw (Vbw) für die Zugänge zur 
    Affektentbindung und Aktion macht uns auch die Rolle ver-
    ständlich, welche in der Krankheitsgestaltung der Ersatzvorstellung 
    zufällt. Es ist möglich, daß die Affektentwicklung direkt vom 
    System Ubw ausgeht, in diesem Falle hat sie immer den Charakter 
    der Angst, gegen welche alle „verdrängten“ Affekte eingetauscht 
    werden. Häufig aber muß die Triebregung warten, bis sie eine 
    Ersatzvorstellung im System Bw gefunden hat. Dann ist die 
    Affektentwicklung von diesem bewußten Ersatz her ermöglicht 
    und der qualitative Charakter des Affekts durch dessen Natur 
    bestimmt. Wir haben behauptet, daß bei der Verdrängung eine 
    Trennung des Affekts von seiner Vorstellung stattfindet, worauf 
    beide ihren gesonderten Schicksalen entgegengehen. Das ist des-
    kriptiv unbestreitbar; der wirkliche Vorgang aber ist in der Regel, 

    1)Die Affektivität äußert sich wesentlich in motorischer (sekretorischer, gefäß-
    regulierender) Abfuhr zur (inneren) Veränderung des eigenen Körpers ohne Be-
    ziehung zur Außenwelt, die Motilität in Aktionen, die zur Veränderung der Außen-
    welt bestimmt sind.

  • S.

    495

    daß ein Affekt so lange nicht zu stande kommt, bis nicht der 
    Durchbruch zu einer neuen Vertretung im System Bw gelungen ist.

    IV 
    Topik und Dynamik der Verdrängung

    Wir haben das Resultat erhalten, daß die Verdrängung im 
    wesentlichen ein Vorgang ist, der sich an Vorstellungen an der 
    Grenze der Systeme Ubw und Vbw (Bw) vollzieht, und können 
    nun einen neuerlichen Versuch machen, diesen Vorgang eingehender 
    zu beschreiben. Es muß sich dabei um eine Entziehung von 
    Besetzung handeln, aber es fragt sich, in welchem System findet 
    die Entziehung statt, und welchem System gehört die entzogene 
    Besetzung an.

    Die verdrängte Vorstellung bleibt im Ubw aktionsfähig; sie 
    muß also ihre Besetzung behalten haben. Das Entzogene muß 
    etwas anderes sein. Nehmen wir den Fall der eigentlichen Ver-
    drängung vor (des Nachdrängens), wie sie sich an der vorbe-
    wußten oder selbst bereits bewußten Vorstellung abspielt, dann 
    kann die Verdrängung nur darin bestehen, daß der Vorstellung 
    die (vor)bewußte Besetzung entzogen wird, die dem System Vbw 
    angehört. Die Vorstellung bleibt dann unbesetzt, oder sie erhält 
    Besetzung vom Ubw her, oder sie behält die ubw Besetzung, 
    die sie schon früher hatte. Also Entziehung der vorbewußten, 
    Erhaltung der unbewußten Besetzung oder Ersatz der vorbe-
    wußten Besetzung durch eine unbewußte. Wir bemerken übrigens, 
    daß wir dieser Betrachtung wie unabsichtlich die Annahme zu 
    Grunde gelegt haben, der Übergang aus dem System Ubw in 
    ein nächstes geschehe nicht durch eine neue Niederschrift, 
    sondern durch eine Zustandsänderung, einen Wandel in der Be-
    setzung. Die funktionale Annahme hat hier die topische mit 
    leichter Mühe aus dem Felde geschlagen.

    Dieser Vorgang der Libidoentziehung reicht aber nicht aus, 
    um einen anderen Charakter der Verdrängung begreiflich zu

  • S.

    496 

    machen. Es ist nicht einzusehen, warum die besetzt gebliebene 
    oder vom Ubw her mit Besetzung versehene Vorstellung nicht 
    den Versuch erneuern sollte, kraft ihrer Besetzung in das System 
    Vbw einzudringen. Dann müßte sich die Libidoentziehung an 
    ihr wiederholen, und dasselbe Spiel würde sich unabgeschlossen 
    fortsetzen, das Ergebnis aber nicht das der Verdrängung sein. 
    Ebenso würde der besprochene Mechanismus der Entziehung 
    vorbewußter Besetzung versagen, wenn es sich um die Darstellung 
    der Urverdrängung handelt; in diesem Falle liegt ja eine unbe-
    wußte Vorstellung vor, die noch keine Besetzung vom Vbw er-
    halten hat, der eine solche also auch nicht entzogen werden kann.

    Wir bedürfen also hier eines anderen Vorganges, welcher im 
    ersten Falle die Verdrängung unterhält, im zweiten ihre Her-
    stellung und Fortdauer besorgt, und können diesen nur in der 
    Annahme einer Gegenbesetzung finden, durch welche sich das 
    System Vbw gegen das Andrängen der unbewußten Vorstellung 
    schützt. Wie sich eine solche Gegenbesetzung, die im System Vbw 
    vor sich geht, äußert, werden wir an klinischen Beispielen sehen. 
    Sie ist es, welche den Daueraufwand einer Urverdrängung 
    repräsentiert, aber auch deren Dauerhaftigkeit verbürgt. Die 
    Gegenbesetzung ist der alleinige Mechanismus der Urverdrängung; 
    bei der eigentlichen Verdrängung (dem Nachdrängen) kommt 
    die Entziehung der vbw Besetzung hinzu. Es ist sehr wohl 
    möglich, daß gerade die der Vorstellung entzogene Besetzung zur 
    Gegenbesetzung verwendet wird.

    Wir merken, wie wir allmählich dazu gekommen sind, in der 
    Darstellung psychischer Phänomene einen dritten Gesichtspunkt 
    zur Geltung zu bringen, außer dem dynamischen und dem 
    topischen den ökonomischen, der die Schicksale der Erregungs-
    größen zu verfolgen und eine wenigstens relative Schätzung 
    derselben zu gewinnen strebt. Wir werden es nicht unbillig 
    finden, die Betrachtungsweise, welche die Vollendung der psycho-analytischen Forschung ist, durch einen besonderen Namen auszuzeichnen. 

  • S.

    497

    Ich schlage vor, daß es eine metapsychologische 
    Darstellung genannt werden soll, wenn es uns gelingt, einen 
    psychischen Vorgang nach seinen dynamischen, topischen und 
    ökonomischen Beziehungen zu beschreiben. Es ist vorherzu-
    sagen, daß es uns bei dem gegenwärtigen Stand unserer Ein-
    sichten nur an vereinzelten Stellen gelingen wird.

    Machen wir einen zaghaften Versuch, eine metapsychologische 
    Beschreibung des Verdrängungsvorganges bei den drei bekannten 
    Übertragungsneurosen zu geben. Wir dürfen dabei „Besetzung“ 
    durch „Libido“ ersetzen, weil es sich ja, wie wir wissen, um 
    die Schicksale von Sexualtrieben handelt.

    Eine erste Phase des Vorganges bei der Angsthysterie wird 
    häufig übersehen, vielleicht auch wirklich übergangen, ist aber 
    bei sorgfältiger Beobachtung gut kenntlich. Sie besteht darin, 
    daß Angst auftritt, ohne daß wahrgenommen würde, wovor. Es 
    ist anzunehmen, daß im Ubw eine Liebesregung vorhanden war, 
    die nach der Umsetzung ins System Vbw verlangte; aber die 
    von diesem System her ihr zugewendete Besetzung zog sich 
    nach Art eines Fluchtversuches von ihr zurück, und die unbe-
    wußte Libidobesetzung der zurückgewiesenen Vorstellung wurde 
    als Angst abgeführt. Bei einer etwaigen Wiederholung des Vor-
    ganges wurde ein erster Schritt zur Bewältigung der unliebsamen 
    Angstentwicklung unternommen. Die fliehende Besetzung wendete 
    sich einer Ersatzvorstellung zu, die einerseits assoziativ mit der 
    abgewiesenen Vorstellung zusammenhing, anderseits durch die 
    Entfernung von ihr der Verdrängung entzogen war (Verschiebungsersatz
    und eine Rationalisierung der noch unhemmbaren Angst-
    entwicklung gestattete. Die Ersatzvorstellung spielt nun für das 
    System Bw (Vbw) die Rolle einer Gegenbesetzung, indem sie 
    es gegen das Auftauchen der verdrängten Vorstellung im Bw 
    versichert, anderseits ist sie die Ausgangsstelle der nun erst recht 
    unhemmbaren Angstaffektentbindung oder benimmt sich als solche. 
    Die klinische Beobachtung zeigt, daß z. B. das an der Tierphobie 

  • S.

    498

    leidende Kind nun unter zweierlei Bedingungen Angst verspürt, 
    erstens wenn die verdrängte Liebesregung eine Verstärkung er-
    fährt, und zweitens wenn das Angsttier wahrgenommen wird. 
    Die Ersatzvorstellung benimmt sich in dem einen Falle wie die 
    Stelle einer Überleitung aus dem System Ubw in das System Bw
    im anderen wie eine selbständige Quelle der Angstentbindung. 
    Die Ausdehnung der Herrschaft des Systems Bw pflegt sich 
    darin zu äußern, daß die erste Erregungsweise der Ersatzvor-
    stellung gegen die zweite immer mehr zurücktritt. Vielleicht 
    benimmt sich am Ende das Kind so, als hätte es gar keine 
    Neigung zu dem Vater, wäre ganz von ihm frei geworden, und 
    als hätte es wirklich Angst vor dem Tier. Nur daß diese Tier-
    angst, aus der unbewußten Triebquelle gespeist, sich widerspenstig 
    und übergroß gegen alle Beeinflussungen aus dem System Bw 
    erweist und dadurch ihre Herkunft aus dem System Ubw verrät.

    Die Gegenbesetzung aus dem System Bw hat also in der 
    zweiten Phase der Angsthysterie zur Ersatzbildung geführt. Der-
    selbe Mechanismus findet bald eine neuerliche Anwendung. Der 
    Verdrängungsvorgang ist, wie wir wissen, noch nicht abgeschlossen 
    und findet ein weiteres Ziel in der Aufgabe, die vom Ersatz 
    ausgehende Angstentwicklung zu hemmen. Dies geschieht in der 
    Weise, daß die gesamte assoziierte Umgebung der Ersatzvorstel-
    lung mit besonderer Intensität besetzt wird, so daß sie eine hohe 
    Empfindlichkeit gegen Erregung bezeigen kann. Eine Erregung 
    irgendeiner Stelle dieses Vorbaues muß zufolge der Verknüpfung 
    mit der Ersatzvorstellung den Anstoß zu einer geringen Angst-
    entwicklung geben, welche nun als Signal benützt wird, um 
    durch neuerliche Flucht der Besetzung den weiteren Fortgang 
    der Angstentwicklung zu hemmen. Je weiter weg vom gefürch-
    teten Ersatz die empfindlichen und wachsamen Gegenbesetzungen 
    angebracht sind, desto präziser kann der Mechanismus funktio-
    nieren, der die Ersatzvorstellung isolieren und neue Erregungen 
    von ihr abhalten soll. Diese Vorsichten schützen natürlich nur 

  • S.

    499

    gegen Erregungen, die von außen, durch die Wahrnehmung an 
    die Ersatzvorstellung herantreten, aber niemals gegen die Trieb-
    regung, die von der Verbindung mit der verdrängten Vor-
    stellung her die Ersatzvorstellung trifft. Sie beginnen also erst zu 
    wirken, wenn der Ersatz die Vertretung des Verdrängten gut 
    übernommen hat, und können niemals ganz verläßlich wirken. 
    Bei jedem Ansteigen der Trieberregung muß der schützende 
    Wall um die Ersatzvorstellung um ein Stück weiter hinaus ver-
    legt werden. Die ganze Konstruktion, die in analoger Weise bei 
    den anderen Neurosen hergestellt wird, trägt den Namen einer 
    Phobie. Der Ausdruck der Flucht vor bewußter Besetzung der 
    Ersatzvorstellung sind die Vermeidungen, Verzichte und Verbote, 
    an denen man die Angsthysterie erkennt. Überschaut man den 
    ganzen Vorgang, so kann man sagen, die dritte Phase hat die 
    Arbeit der zweiten in größerem Ausmaß wiederholt. Das System 
    Bw schützt sich jetzt gegen die Aktivierung der Ersatzvorstellung 
    durch die Gegenbesetzung der Umgebung, wie es sich vorhin 
    durch die Besetzung der Ersatzvorstellung gegen das Auftauchen 
    der verdrängten Vorstellung gesichert hatte. Die Ersatzbildung 
    durch Verschiebung hat sich in solcher Weise fortgesetzt. Man 
    muß auch hinzufügen, daß das System Bw früher nur eine 
    kleine Stelle besaß, die eine Einbruchspforte der verdrängten 
    Triebregung war, die Ersatzvorstellung nämlich, daß aber am 
    Ende der ganze phobische Vorbau einer solchen Enklave des un-
    bewußten Einflusses entspricht. Man kann ferner den interes-
    santen Gesichtspunkt hervorheben, daß durch den ganzen ins 
    Werk gesetzten Abwehrmechanismus eine Projektion der Trieb-
    gefahr nach außen erreicht worden ist. Das Ich benimmt sich 
    so, als ob ihm die Gefahr der Angstentwicklung nicht von einer 
    Triebregung, sondern von einer Wahrnehmung her drohte, und 
    darf darum gegen diese äußere Gefahr mit den Fluchtversuchen 
    der phobischen Vermeidungen reagieren. Eines gelingt bei diesem 
    Vorgang der Verdrängung: die Entbindung von Angst läßt sich 

  • S.

    500

    einigermaßen eindämmen, aber nur unter schweren Opfern an 
    persönlicher Freiheit. Fluchtversuche vor Triebansprüchen sind 
    aber im allgemeinen nutzlos, und das Ergebnis der phobischen 
    Flucht bleibt doch unbefriedigend.

    Von den Verhältnissen, die wir bei der Angsthysterie erkannt 
    haben, gilt ein großer Anteil auch für die beiden anderen Neu-
    rosen, so daß wir die Erörterung auf die Unterschiede und die 
    Rolle der Gegenbesetzung beschränken können. Bei der Kon-
    versionshysterie wird die Triebbesetzung der verdrängten Vor-
    stellung in die Innervation des Symptoms umgesetzt. Inwieweit 
    und unter welchen Umständen die unbewußte Vorstellung durch 
    diese Abfuhr zur Innervation drainiert ist, so daß sie ihr Andrängen 
    gegen das System Bw aufgeben kann, diese und ähnliche Fragen 
    bleiben besser einer speziellen Untersuchung der Hysterie vorbe-
    halten. Die Rolle der Gegenbesetzung, die vom System Bw (Vbw) 
    ausgeht, ist bei der Konversionshysterie deutlich und kommt 
    in der Symptombildung zum Vorschein. Die Gegenbesetzung ist 
    es, welche die Auswahl trifft, auf welches Stück der Triebreprä-
    sentanz die ganze Besetzung derselben konzentriert werden darf. 
    Dies zum Symptom erlesene Stück erfüllt die Bedingung, daß es 
    dem Wunschziel der Triebregung ebensosehr Ausdruck gibt wie 
    dem Abwehr‑ oder Strafbestreben des Systems Bw; es wird also 
    überbesetzt und von beiden Seiten her gehalten wie die Ersatzvor-
    stellung der Angsthysterie. Wir können aus diesem Verhältnis 
    ohne weiteres den Schluß ziehen, daß der Verdrängungsauf-
    wand des Systems Bw nicht so groß zu sein braucht wie die 
    Besetzungsenergie des Symptoms, denn die Stärke der Ver-
    drängung wird durch die aufgewendete Gegenbesetzung gemessen, 
    und das Symptom stützt sich nicht nur auf die Gegenbesetzung, 
    sondern auch auf die in ihm verdichtete Triebbesetzung aus dem 
    System Ubw.

    Für die Zwangsneurose hätten wir den in der vorigen Ab-
    handlung enthaltenen Bemerkungen nur hinzuzufügen, daß hier

  • S.

    501

    die Gegenbesetzung des Systems Bw am sinnfälligsten in den 
    Vordergrund tritt. Sie ist es, die als Reaktionsbildung organisiert 
    die erste Verdrängung besorgt und an welcher später der Durch-
    bruch der verdrängten Vorstellung erfolgt. Man darf der Ver-
    mutung Raum geben, daß es an dem Vorwiegen der Gegenbe-
    setzung und Ausfallen einer Abfuhr liegt, wenn das Werk der 
    Verdrängung bei Angsthysterie und Zwangsneurose weit weniger 
    geglückt erscheint als bei der Konversionshysterie.


    Die besonderen Eigenschaften des Systems Ubw

    Eine neue Bedeutung erhält die Unterscheidung der beiden 
    psychischen Systeme, wenn wir darauf aufmerksam werden, daß 
    die Vorgänge des einen Systems, des Ubw, Eigenschaften zeigen, 
    die sich in dem nächst höheren nicht wiederfinden.

    Der Kern des Ubw besteht aus Triebrepräsentanzen, die ihre 
    Besetzung abführen wollen, also aus Wunschregungen. Diese 
    Triebregungen sind einander koordiniert, bestehen unbeeinflußt 
    nebeneinander, widersprechen einander nicht. Wenn zwei Wunsch-
    regungen gleichzeitig aktiviert werden, deren Ziele uns unver-
    einbar erscheinen müssen, so ziehen sich die beiden Regungen 
    nicht etwa voneinander ab oder heben einander auf, sondern sie 
    treten zur Bildung eines mittleren Zieles, eines Kompromisses, 
    zusammen.

    Es gibt in diesem System keine Negation, keinen Zweifel, 
    keine Grade von Sicherheit. All dies wird erst durch die Arbeit 
    der Zensur zwischen Ubw und Vbw eingetragen. Die Negation 
    ist ein Ersatz der Verdrängung von höherer Stufe. Im Ubw gibt 
    es nur mehr oder weniger stark besetzte Inhalte.

    Es herrscht eine weit größere Beweglichkeit der Besetzungs-
    intensitäten. Durch den Prozeß der Verschiebung kann eine 
    Vorstellung den ganzen Betrag ihrer Besetzung an eine andere 
    abgeben, durch den der Verdichtung die ganze Besetzung

  • S.

    502

    mehrerer anderer an sich nehmen. Ich habe vorgeschlagen, diese 
    beiden Prozesse als Anzeichen des sogenannten psychischen 
    Primärvorganges anzusehen. Im System Vbw herrscht der 
    Sekundärvorgang;1 wo ein solcher Primärvorgang sich an 
    Elementen des Systems Vbw abspielen darf, erscheint er „komisch“ 
    und erregt Lachen.

    Die Vorgänge des Systems Ubw sind zeitlos, d. h., sie sind 
    nicht zeitlich geordnet, werden durch die verlaufende Zeit nicht 
    abgeändert, haben überhaupt keine Beziehung zur Zeit. Auch die 
    Zeitbeziehung ist an die Arbeit des Bw-Systems geknüpft.

    Ebensowenig kennen die Ubw‑Vorgänge eine Rücksicht auf 
    die Realität. Sie sind dem Lustprinzip unterworfen; ihr Schick-
    sal hängt nur davon ab, wie stark sie sind, und ob sie die An-
    forderungen der Lust‑Unlustregulierung erfüllen.

    Fassen wir zusammen: Widerspruchslosigkeit, Primärvorgang 
    (Beweglichkeit der Besetzungen), Zeitlosigkeit und 
    Ersetzung der äußeren Realität durch die psychische 
    sind die Charaktere, die wir an zum System Ubw gehörigen 
    Vorgängen zu finden erwarten dürfen.2

    Die unbewußten Vorgänge werden für uns nur unter den 
    Bedingungen des Träumens und der Neurosen erkennbar, also 
    dann, wenn Vorgänge des höheren Vbw-Systems durch eine Er-
    niedrigung (Regression) auf eine frühere Stufe zurückversetzt 
    werden. An und für sich sind sie unerkennbar, auch existenz-
    unfähig, weil das System Ubw sehr frühzeitig von dem Vbw 
    überlagert wird, welches den Zugang zum Bewußtsein und zur 
    Motilität an sich gerissen hat. Die Abfuhr des Systems Ubw 
    geht in die Körperinnervation zur Affektentwicklung, aber auch 
    dieser Entladungsweg wird ihm, wie wir gehört haben, vom 

    1)S. die Ausführungen im VII. Abschnitt der Traumdeutung (Gesamtausgabe, 
    Band III), welche sich auf die von J. Breuer in den „Studien über Hysterie“ ent-
    wickelten Ideen stützt.

    2)Die Erwähnung eines anderen bedeutsamen Vorrechtes des Ubw sparen wir 
    für einen anderen Zusammenhang auf.

  • S.

    503

    Vbw streitig gemacht. Für sich allein könnte das Ubw‑System 
    unter normalen Verhältnissen keine zweckmäßige Muskelaktion 
    zustande bringen, mit Ausnahme jener, die als Reflexe bereits 
    organisiert sind.

    Die volle Bedeutung der beschriebenen Charaktere des Systems 
    Ubw könnte uns erst einleuchten, wenn wir sie den Eigen-
    schaften des Systems Vbw gegenüberstellen und an ihnen messen 
    würden. Allein dies würde uns so weitab führen, daß ich vor-
    schlage, wiederum einen Aufschub gutzuheißen und die Ver-
    gleichung der beiden Systeme erst im Anschluß an die Wür-
    digung des höheren Systems vorzunehmen. Nur das Aller-
    dringendste soll schon jetzt seine Erwähnung finden.

    Die Vorgänge des Systems Vbw zeigen – und zwar gleich-
    gültig, ob sie bereits bewußt oder nur bewußtseinsfähig sind – 
    eine Hemmung der Abfuhrneigung von den besetzten Vor-
    stellungen. Wenn der Vorgang von einer Vorstellung auf eine 
    andere übergeht, so hält die erstere einen Teil ihrer Besetzung 
    fest und nur ein kleiner Anteil erfährt die Verschiebung. Ver-
    schiebungen und Verdichtungen wie beim Primärvorgang sind 
    ausgeschlossen oder sehr eingeschränkt. Dieses Verhältnis hat 
    J. Breuer veranlaßt, zwei verschiedene Zustände der Besetzungs-
    energie im Seelenleben anzunehmen, einen tonisch gebundenen 
    und einen frei beweglichen, der Abfuhr zustrebenden. Ich glaube, 
    daß diese Unterscheidung bis jetzt unsere tiefste Einsicht in das 
    Wesen der nervösen Energie darstellt, und sehe nicht, wie man 
    um sie herumkommen soll. Es wäre ein dringendes Bedürfnis 
    der metapsychologischen Darstellung – vielleicht aber noch ein 
    allzu gewagtes Unternehmen –, an dieser Stelle die Diskussion 
    fortzuführen.

    Dem System Vbw fallen ferner zu die Herstellung einer Ver-
    kehrsfähigkeit unter den Vorstellungsinhalten, so daß sie einander 
    beeinflussen können, die zeitliche Anordnung derselben, die Ein-
    führung der einen Zensur oder mehrerer Zensuren, die Realitätsprüfung 

  • S.

    504

    und das Realitätsprinzip. Auch das bewußte Gedächtnis 
    scheint ganz am Vbw zu hängen, es ist scharf von den Erinnerungs-
    spuren zu scheiden, in denen sich die Erlebnisse des Ubw fixieren, 
    und entspricht wahrscheinlich einer besonderen Niederschrift, wie 
    wir sie für das Verhältnis der bewußten zur unbewußten Vor-
    stellung annehmen wollten, aber bereits verworfen haben. In 
    diesem Zusammenhang werden wir auch die Mittel finden, 
    unserem Schwanken in der Benennung des höheren Systems, das 
    wir jetzt richtungslos bald Vbw, bald Bw heißen, ein Ende zu 
    machen.

    Es wird auch die Warnung am Platze sein, nicht voreilig zu 
    verallgemeinern, was wir hier über die Verteilung der seelischen 
    Leistungen an die beiden Systeme zutage gefördert haben. Wir 
    beschreiben die Verhältnisse, wie sie sich beim reifen Menschen 
    zeigen, bei dem das System Ubw strenggenommen nur als Vor-
    stufe der höheren Organisation funktioniert. Welchen Inhalt und 
    welche Beziehungen dies System während der individuellen 
    Entwicklung hat,und welche Bedeutung ihm beim Tiere zu-
    kommt, das soll nicht aus unserer Beschreibung abgeleitet, 
    sondern selbständig erforscht werden. Wir müssen auch beim 
    Menschen darauf gefaßt sein, etwa krankhafte Bedingungen zu 
    finden, unter denen die beiden Systeme Inhalt wie Charaktere 
    ändern oder selbst miteinander tauschen.


    VI 
    Der Verkehr der beiden Systeme

    Es wäre doch unrecht, sich vorzustellen, daß das Ubw in Ruhe 
    verbleibt, während die ganze psychische Arbeit vom Vbw ge-
    leistet wird, daß das Ubw etwas Abgetanes, ein rudimentäres 
    Organ, ein Residuum der Entwicklung sei. Oder anzunehmen, 
    daß sich der Verkehr der beiden Systeme auf den Akt der Ver-
    drängung beschränkt, indem das Vbw alles, was ihm störend er-
    scheint, in den Abgrund des Ubw wirft. Das Ubw ist vielmehr 

  • S.

    505

    lebend, entwicklungsfähig und unterhält eine Anzahl von anderen 
    Beziehungen zum Vbw, darunter auch die der Kooperation. Man 
    muß zusammenfassend sagen, das Ubw setzt sich in die soge-
    nannten Abkömmlinge fort, es ist den Einwirkungen des Lebens 
    zugänglich, beeinflußt beständig das Vbw und ist seinerseits sogar 
    Beeinflussungen von Seiten des Vbw unterworfen.

    Das Studium der Abkömmlinge des Ubw wird unseren Er-
    wartungen einer schematisch reinlichen Scheidung zwischen den 
    beiden psychischen Systemen eine gründliche Enttäuschung be-
    reiten. Das wird gewiß Unzufriedenheit mit unseren Ergebnissen 
    erwecken und wahrscheinlich dazu benützt werden, den Wert 
    unserer Art der Trennung der psychischen Vorgänge in Zweifel 
    zu ziehen. Allein wir werden geltend machen, daß wir keine 
    andere Aufgabe haben, als die Ergebnisse der Beobachtung in 
    Theorie umzusetzen, und die Verpflichtung von uns weisen, auf 
    den ersten Anlauf eine glatte und durch Einfachheit sich em-
    pfehlende Theorie zu erreichen. Wir vertreten deren Komplika-
    tionen, solange sie sich der Beobachtung adäquat erweisen, und 
    geben die Erwartung nicht auf, gerade durch sie zur endlichen 
    Erkenntnis eines Sachverhaltes geleitet zu werden, der, an sich 
    einfach, den Komplikationen der Realität gerecht werden kann.

    Unter den Abkömmlingen der ubw Triebregungen vom be-
    schriebenen Charakter gibt es welche, die entgegengesetzte Be-
    stimmungen in sich vereinigen. Sie sind einerseits hochorganisiert, 
    widerspruchsfrei, haben allen Erwerb des Systems Bw verwertet 
    und würden sich für unser Urteil von den Bildungen dieses 
    Systems kaum unterscheiden. Anderseits sind sie unbewußt und 
    unfähig, bewußt zu werden. Sie gehören also qualitativ zum 
    System Vbw, faktisch aber zum Ubw. Ihre Herkunft bleibt das 
    für ihr Schicksal Entscheidende. Man muß sie mit den Misch-
    lingen menschlicher Rassen vergleichen, die im großen und 
    ganzen bereits den Weißen gleichen, ihre farbige Abkunft aber 
    durch den einen oder anderen auffälligen Zug verraten und 

  • S.

    506

    darum von der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben und keines 
    der Vorrechte der Weißen genießen. Solcher Art sind die 
    Phantasiebildungen der Normalen wie der Neurotiker, die wir 
    als Vorstufen der Traum‑ wie der Symptombildung erkannt 
    haben, und die trotz ihrer hohen Organisation verdrängt bleiben 
    und als solche nicht bewußt werden können. Sie kommen nahe 
    ans Bewußtsein heran, bleiben ungestört, solange sie keine inten-
    sive Besetzung haben, werden aber zurückgeworfen, sobald sie 
    eine gewisse Höhe der Besetzung überschreiten. Ebensolche höher 
    organisierte Abkömmlinge des Ubw sind die Ersatzbildungen, 
    denen aber der Durchbruch zum Bewußtsein dank einer günstigen 
    Relation gelingt, wie z. B. durch das Zusammentreffen mit einer 
    Gegenbesetzung des Vbw.

    Wenn wir an anderer Stelle die Bedingungen des Bewußt-
    werdens eingehender untersuchen, wird uns ein Teil der hier 
    auftauchenden Schwierigkeiten lösbar werden. Hier mag es uns 
    vorteilhaft erscheinen, der bisherigen vom Ubw her aufsteigenden 
    Betrachtung eine vom Bewußtsein ausgehende gegenüberzustellen. 
    Dem Bewußtsein tritt die ganze Summe der psychischen Vor-
    gänge als das Reich des Vorbewußten entgegen. Ein sehr großer 
    Anteil dieses Vorbewußten stammt aus dem Unbewußten, hat 
    den Charakter der Abkömmlinge desselben und unterliegt einer 
    Zensur, ehe er bewußt werden kann. Ein anderer Anteil des 
    Vbw ist ohne Zensur bewußtseinsfähig. Wir gelangen hier zu 
    einem Widerspruch gegen eine frühere Annahme. In der Be-
    trachtung der Verdrängung wurden wir genötigt, die für das 
    Bewußtwerden entscheidende Zensur zwischen die Systeme Ubw 
    und Vbw zu verlegen. Jetzt wird uns eine Zensur zwischen Vbw 
    und Bw nahegelegt. Wir tun aber gut daran, in dieser Kompli-
    kation keine Schwierigkeit zu erblicken, sondern anzunehmen, 
    daß jedem Übergang von einem System zum nächst höheren, 
    also jedem Fortschritt zu einer höheren Stufe psychischer Organi-
    sation eine neue Zensur entspreche. Die Annahme einer fortlaufenden

  • S.

    507

    Erneuerung der Niederschriften ist damit allerdings 
    abgetan.

    Der Grund all dieser Schwierigkeiten ist darin zu suchen, daß 
    die Bewußtheit, der einzige uns unmittelbar gegebene Charakter 
    der psychischen Vorgänge, sich zur Systemunterscheidung in 
    keiner Weise eignet. Abgesehen davon, daß das Bewußte nicht 
    immer bewußt, sondern zeitweilig auch latent ist, hat uns die 
    Beobachtung gezeigt, daß vieles, was die Eigenschaften des Systems 
    Vbw teilt, nicht bewußt wird, und haben wir noch zu erfahren, 
    daß das Bewußtwerden durch gewisse Richtungen seiner Auf-
    merksamkeit eingeschränkt ist. Das Bewußtsein hat so weder zu 
    den Systemen noch zur Verdrängung ein einfaches Verhältnis. 
    Die Wahrheit ist, daß nicht nur das psychisch Verdrängte dem 
    Bewußtsein fremd bleibt, sondern auch ein Teil der unser Ich 
    beherrschenden Regungen, also der stärkste funktionelle Gegen-
    satz des Verdrängten. In dem Maße, als wir uns zu einer meta-
    psychologischen Betrachtung des Seelenlebens durchringen wollen, 
    müssen wir lernen, uns von der Bedeutung des Symptoms 
    „Bewußtheit“ zu emanzipieren.

    Solange wir noch an diesem haften, sehen wir unsere Allge-
    meinheiten regelmäßig durch Ausnahmen durchbrochen. Wir 
    sehen, daß Abkömmlinge des Ubw als Ersatzbildungen und als 
    Symptome bewußt werden, in der Regel nach großen Entstel-
    lungen gegen das Unbewußte, aber oft mit Erhaltung vieler 
    zur Verdrängung auffordernden Charaktere. Wir finden, daß viele 
    vorbewußte Bildungen unbewußt bleiben, die, sollten wir meinen, 
    ihrer Natur nach sehr wohl bewußt werden dürften. Wahr-
    scheinlich macht sich bei ihnen die stärkere Anziehung des Ubw 
    geltend. Wir werden darauf hingewiesen, die bedeutsamere 
    Differenz nicht zwischen dem Bewußten und dem Vorbewußten, 
    sondern zwischen dem Vorbewußten und dem Unbewußten zu 
    suchen. Das Ubw wird an der Grenze des Vbw durch die Zensur 
    zurückgewiesen, Abkömmlinge desselben können diese Zensur

  • S.

    508

    umgehen, sich hoch organisieren, im Vbw bis zu einer gewissen 
    Intensität der Besetzung heranwachsen, werden aber dann, wenn 
    sie diese überschritten haben und sich dem Bewußtsein auf-
    drängen wollen, als Abkömmlinge des Ubw erkannt und an der 
    neuen Zensurgrenze zwischen Vbw und Bw neuerlich verdrängt. 
    Die erstere Zensur funktioniert so gegen das Ubw selbst, die 
    letztere gegen die vbw Abkömmlinge desselben. Man könnte 
    meinen, die Zensur habe sich im Laufe der individuellen Ent-
    wicklung um ein Stück vorgeschoben. 

    In der psychoanalytischen Kur erbringen wir den unanfecht-
    baren Beweis für die Existenz der zweiten Zensur, der zwischen 
    den Systemen Vbw und Bw. Wir fordern den Kranken auf, 
    reichlich Abkömmlinge des Ubw zu bilden, verpflichten ihn dazu, 
    die Einwendungen der Zensur gegen das Bewußtwerden dieser 
    vorbewußten Bildungen zu überwinden, und bahnen uns durch 
    die Besiegung dieser Zensur den Weg zur Aufhebung der Ver-
    drängung, die das Werk der früheren Zensur ist. Fügen wir 
    noch die Bemerkung an, daß die Existenz der Zensur zwischen 
    Vbw und Bw uns mahnt, das Bewußtwerden sei kein bloßer 
    Wahrnehmungsakt, sondern wahrscheinlich auch eine Überbesetzung
    ein weiterer Fortschritt der psychischen Organisation.

    Wenden wir uns zum Verkehr des Ubw mit den anderen 
    Systemen, weniger um Neues festzustellen, als um nicht das 
    Sinnfälligste zu übergehen. An den Wurzeln der Triebtätigkeit 
    kommunizieren die Systeme aufs ausgiebigste miteinander. Ein 
    Anteil der hier erregten Vorgänge geht durch das Ubw wie 
    durch eine Vorbereitungsstufe durch und erreicht die höchste 
    psychische Ausbildung im Bw, ein anderer wird als Ubw zurück-
    gehalten. Das Ubw wird aber auch von den aus der äußeren 
    Wahrnehmung stammenden Erlebnissen getroffen. Alle Wege von 
    der Wahrnehmung zum Ubw bleiben in der Norm frei; erst 
    die vom Ubw weiterführenden Wege unterliegen der Sperrung 
    durch die Verdrängung.

  • S.

    509

    Es ist sehr bemerkenswert, daß das Ubw eines Menschen mit 
    Umgehung des Bw auf das Ubw eines anderen reagieren kann. 
    Die Tatsache verdient eingehendere Untersuchung, besonders 
    nach der Richtung, ob sich vorbewußte Tätigkeit dabei aus-
    schließen läßt, ist aber als Beschreibung unbestreitbar.

    Der Inhalt des Systems Vbw (oder Bw) entstammt zu einem 
    Teile dem Triebleben (durch Vermittlung des Ubw), zum anderen 
    Teile der Wahrnehmung. Es ist zweifelhaft, inwieweit die Vor-
    gänge dieses Systems eine direkte Einwirkung auf das Ubw 
    äußern können; die Erforschung pathologischer Fälle zeigt oft 
    eine kaum glaubliche Selbständigkeit und Unbeeinflußbarkeit des 
    Ubw. Ein völliges Auseinandergehen der Strebungen, ein abso-
    luter Zerfall der beiden Systeme, ist überhaupt die Charakteristik des 
    Krankseins. Allein die psychoanalytische Kur ist auf die Beeinflussung 
    des Ubw vom Bw her gebaut und zeigt jedenfalls, daß solche, wie-
    wohl mühsam, nicht unmöglich ist. Die zwischen beiden Systemen 
    vermittelnden Abkömmlinge des Ubw bahnen uns, wie schon er-
    wähnt, den Weg zu dieser Leistung. Wir dürfen aber wohl annehmen, 
    daß die spontan erfolgende Veränderung des Ubw von Seiten des 
    Bw ein schwieriger und langsam verlaufender Prozeß ist.

    Eine Kooperation zwischen einer vorbewußten und einer unbe-
    wußten, selbst intensiv verdrängten Regung kann zu stande 
    kommen, wenn es die Situation ergibt, daß die unbewußte 
    Regung gleichsinnig mit einer der herrschenden Strebungen 
    wirken kann. Die Verdrängung wird für diesen Fall aufgehoben, 
    die verdrängte Aktivität als Verstärkung der vom Ich beabsich-
    tigten zugelassen. Das Unbewußte wird für diese eine Konstel-
    lation ichgerecht, ohne daß sonst an seiner Verdrängung etwas 
    abgeändert würde. Der Erfolg des Ubw ist bei dieser Kooperation 
    unverkennbar; die verstärkten Strebungen benehmen sich doch 
    anders als die normalen, sie befähigen zu besonders vollkommener 
    Leistung und sie zeigen gegen Widersprüche eine ähnliche 
    Resistenz wie etwa die Zwangssymptome.

  • S.

    510

    Den Inhalt des Ubw kann man einer psychischen Urbevölkerung 
    vergleichen. Wenn es beim Menschen ererbte psychische Bil-
    dungen, etwas dem Instinkt der Tiere Analoges gibt, so macht 
    dies den Kern des Ubw aus. Dazu kommt später das während 
    der Kindheitsentwicklung als unbrauchbar Beseitigte hinzu, was 
    seiner Natur nach von dem Ererbten nicht verschieden zu sein 
    braucht. Eine scharfe und endgültige Scheidung des Inhaltes der 
    beiden Systeme stellt sich in der Regel erst mit dem Zeitpunkte 
    der Pubertät her.

    VII 
    Die Agnoszierung des Unbewußten

    Soviel, als wir in den vorstehenden Erörterungen zusammen-
    getragen haben, läßt sich etwa über das Ubw aussagen, solange 
    man nur aus der Kenntnis des Traumlebens und der Über-
    tragungsneurosen schöpft. Es ist gewiß nicht viel, macht stellen-
    weise den Eindruck des Ungeklärten und Verwirrenden und 
    läßt vor allem die Möglichkeit vermissen, das Ubw an einen 
    bereits bekannten Zusammenhang anzuordnen oder es in ihn 
    einzureihen. Erst die Analyse einer der Affektionen, die wir 
    narzißtische Psychoneurosen heißen, verspricht uns Auffassungen zu 
    liefern, durch welche uns das rätselvolle Ubw nähergerückt und 
    gleichsam greifbar gemacht wird.

    Seit einer Arbeit von Abraham (1908), welche der gewissen-
    hafte Autor auf meine Anregung zurückgeführt hat, versuchen 
    wir die Dementia praecox Kraepelins (Schizophrenie Bleulers
    durch ihr Verhalten zum Gegensatz von Ich und Objekt zu 
    charakterisieren. Bei den Übertragungsneurosen (Angst‑ und Kon-
    versionshysterie, Zwangsneurose) lag nichts vor, was diesen Gegen-
    satz in den Vordergrund gerückt hätte. Man wußte zwar, daß 
    die Versagung des Objekts den Ausbruch der Neurose herbeiführt, 
    und daß die Neurose den Verzicht auf das reale Objekt involviert, 
    auch daß die dem realen Objekt entzogene Libido auf ein phantasiertes

  • S.

    511

    Objekt und von da aus auf ein verdrängtes zurückgeht 
    (Introversion). Aber die Objektbesetzung überhaupt wird bei 
    ihnen mit großer Energie festgehalten, und die feinere Unter-
    suchung des Verdrängungsvorganges hat uns anzunehmen ge-
    nötigt, daß die Objektbesetzung im System Ubw trotz der Ver-
    drängung – vielmehr infolge derselben – fortbesteht. Die 
    Fähigkeit zur Übertragung, welche wir bei diesen Affektionen 
    therapeutisch ausnützen, setzt ja die ungestörte Objektbesetzung 
    voraus.

    Bei der Schizophrenie hat sich uns dagegen die Annahme auf-
    gedrängt, daß nach dem Prozesse der Verdrängung die abge-
    zogene Libido kein neues Objekt suche, sondern ins Ich zurück-
    trete, daß also hier die Objektbesetzungen aufgegeben und ein 
    primitiver objektloser Zustand von Narzißmus wieder hergestellt 
    werde. Die Unfähigkeit dieser Patienten zur Übertragung – so-
    weit der Krankheitsprozeß reicht –, ihre daraus folgende thera-
    peutische Unzugänglichkeit, die ihnen eigentümliche Ablehnung 
    der Außenwelt, das Auftreten von Zeichen einer Überbesetzung 
    des eigenen Ichs, der Ausgang in völlige Apathie, all diese 
    klinischen Charaktere scheinen zu der Annahme eines Aufgebens 
    der Objektbesetzungen trefflich zu stimmen. Von seiten des Ver-
    hältnisses der beiden psychischen Systeme wurde allen Beobachtern 
    auffällig, daß bei der Schizophrenie vieles als bewußt geäußert 
    wird, was wir bei den Übertragungsneurosen erst durch Psycho-
    analyse im Ubw nachweisen müssen. Aber es gelang zunächst 
    nicht, zwischen der Ich‑Objektbeziehung und den Bewußtseins-
    relationen eine verständliche Verknüpfung herzustellen.

    Das Gesuchte scheint sich auf folgendem unvermuteten Wege 
    zu ergeben. Bei den Schizophrenen beobachtet man, zumal in 
    den so lehrreichen Anfangsstadien, eine Anzahl von Verände-
    rungen der Sprache, von denen einige es verdienen, unter einem 
    bestimmten Gesichtspunkt betrachtet zu werden. Die Ausdrucks-
    weise wird oft Gegenstand einer besonderen Sorgfalt, sie wird 

  • S.

    512

    „gewählt“, „geziert“. Die Sätze erfahren eine besondere Des-
    organisation des Aufbaues, durch welche sie uns unverständlich 
    werden, so daß wir die Äußerungen der Kranken für unsinnig 
    halten. Im Inhalt dieser Äußerungen wird oft eine Beziehung 
    zu Körperorganen oder Körperinnervationen in den Vordergrund 
    gerückt. Dem kann man anreihen, daß in solchen Symptomen 
    der Schizophrenie, welche hysterischen oder zwangsneurotischen 
    Ersatzbildungen gleichen, doch die Beziehung zwischen dem Er-
    satz und dem Verdrängten Eigentümlichkeiten zeigt, welche uns 
    bei den beiden genannten Neurosen befremden würden.

    Herr Dr. V. Tausk (Wien) hat mir einige seiner Beobach-
    tungen bei beginnender Schizophrenie zur Verfügung gestellt, 
    die durch den Vorzug ausgezeichnet sind, daß die Kranke selbst 
    noch die Aufklärung ihrer Reden geben wollte. Ich will nun an 
    zweien seiner Beispiele zeigen, welche Auffassung ich zu ver-
    treten beabsichtige, zweifle übrigens nicht daran, daß es jedem 
    Beobachter leicht sein würde, solches Material in Fülle vorzubringen.

    Eine der Kranken Tausks, ein Mädchen, das nach einem 
    Zwist mit ihrem Geliebten auf die Klinik gebracht wurde, klagt:

    Die Augen sind nicht richtig, sie sind verdreht. Das 
    erläutert sie selbst, indem sie in geordneter Sprache eine Reihe 
    von Vorwürfen gegen den Geliebten vorbringt. „Sie kann ihn 
    gar nicht verstehen, er sieht jedesmal anders aus, er ist ein 
    Heuchler, ein Augenverdreher, er hat ihr die Augen verdreht, 
    jetzt hat sie verdrehte Augen, es sind nicht mehr ihre Augen, 
    sie sieht die Welt jetzt mit anderen Augen.“

    Die Äußerungen der Kranken zu ihrer unverständlichen Rede 
    haben den Wert einer Analyse, da sie deren Äquivalent in all-
    gemein verständlicher Ausdrucksweise enthalten; sie geben gleich-
    zeitig Aufschluß über Bedeutung und über Genese der schizo-
    phrenen Wortbildung. In Übereinstimmung mit Tausk hebe ich 
    aus diesem Beispiel hervor, daß die Beziehung zum Organ (zum

  • S.

    513

    Auge) sich zur Vertretung des ganzen Inhaltes aufgeworfen hat. 
    Die schizophrene Rede hat hier einen hypochondrischen Zug, sie 
    ist Organsprache geworden.

    Eine zweite Mitteilung derselben Kranken: „Sie steht in der 
    Kirche, plötzlich gibt es ihr einen Ruck, sie muß sich anders 
    stellen, als stellte sie jemand, als würde sie gestellt.“

    Dazu die Analyse durch eine neue Reihe von Vorwürfen 
    gegen den Geliebten, „der ordinär ist, der sie, die vom Hause 
    aus fein war, auch ordinär gemacht hat. Er hat sie sich ähnlich 
    gemacht, indem er sie glauben machte, er sei ihr überlegen; 
    nun sei sie so geworden, wie er ist, weil sie glaubte, sie werde 
    besser sein, wenn sie ihm gleich werde. Er hat sich verstellt
    sie ist jetzt so wie er (Identifizierung!), er hat sie verstellt.“

    Die Bewegung des „Sich anders Stellen„“, bemerkt Tausk, ist 
    eine Darstellung des Wortes „verstellen“ und der Identifizierung 
    mit dem Geliebten. Ich hebe wiederum die Prävalenz jenes Ele-
    ments des ganzen Gedankenganges hervor, welches eine körper-
    liche Innervation (vielmehr deren Empfindung) zum Inhalt hat. 
    Eine Hysterika hätte übrigens im ersten Falle krampfhaft die 
    Augen verdreht, im zweiten den Ruck wirklich ausgeführt, an-
    statt den Impuls dazu oder die Sensation davon zu verspüren, 
    und in beiden Fällen hätte sie keinen bewußten Gedanken da-
    bei gehabt und wäre auch nachträglich nicht im stande ge-
    wesen, solche zu äußern.

    Soweit zeugen diese beiden Beobachtungen für das, was wir 
    hypochondrische oder Organsprache genannt haben. Sie mahnen 
    aber auch, was uns wichtiger erscheint, an einen anderen Sach-
    verhalt, der sich beliebig oft z. B. an den in Bleulers Mono-
    graphie gesammelten Beispielen nachweisen und in eine be-
    stimmte Formel fassen läßt. Bei der Schizophrenie werden die 
    Worte demselben Prozeß unterworfen, der aus den latenten 
    Traumgedanken die Traumbilder macht, den wir den psychi-
    schen Primärvorgang geheißen haben. Sie werden verdichtet

  • S.

    514

    und übertragen einander ihre Besetzungen restlos durch Ver-
    schiebung; der Prozeß kann so weit gehen, daß ein einziges, 
    durch mehrfache Beziehungen dazu geeignetes Wort die Ver-
    tretung einer ganzen Gedankenkette übernimmt. Die Arbeiten 
    von Bleuler, Jung und ihren Schülern haben gerade für diese 
    Behauptung reichliches Material ergeben.

    Ehe wir aus solchen Eindrücken einen Schluß ziehen, wollen 
    wir noch der feinen, aber doch befremdlich wirkenden Unter-
    schiede zwischen der schizophrenen und der hysterischen und 
    zwangsneurotischen Ersatzbildung gedenken. Ein Patient, den ich 
    gegenwärtig beobachte, läßt sich durch den schlechten Zustand 
    seiner Gesichtshaut von allen Interessen des Lebens abziehen. Er 
    behauptet, Mitesser zu haben und tiefe Löcher im Gesicht, die 
    ihm jedermann ansieht. Die Analyse weist nach, daß er seinen 
    Kastrationskomplex an seiner Haut abspielt. Er beschäftigte sich 
    zunächst reuelos mit seinen Mitessern, deren Ausdrücken ihm 
    große Befriedigung bereitete, weil dabei etwas herausspritzte, wie 
    er sagt. Dann begann er zu glauben, daß überall dort, wo er 
    einen Comedo beseitigt hatte, eine tiefe Grube entstanden sei, 
    und er machte sich die heftigsten Vorwürfe, durch sein „bestän-
    diges Herumarbeiten mit der Hand“ seine Haut für alle Zeiten 
    verdorben zu haben. Es ist evident, daß ihm das Auspressen des 
    Inhaltes der Mitesser ein Ersatz für die Onanie ist. Die Grube, 
    die darauf durch seine Schuld entsteht, ist das weibliche Genitale, 
    d. h. die Erfüllung der durch die Onanie provozierten Kastrations-
    drohung (resp. der sie vertretenden Phantasie). Diese Ersatzbildung 
    hat trotz ihres hypochondrischen Charakters viel Ähnlichkeit mit 
    einer hysterischen Konversion, und doch wird man das Gefühl 
    haben, daß hier etwas anderes vorgehen müsse, daß man solche 
    Ersatzbildung einer Hysterie nicht zutrauen dürfe, noch ehe man 

    1)Gelegentlich behandelt die Traumarbeit die Worte wie die Dinge und schafft 
    dann sehr ähnliche „schizophrene“ Reden oder Wortneubildungen.

  • S.

    515

    sagen kann, worin die Verschiedenheit begründet ist. Ein win-
    ziges Grübchen wie eine Hautpore wird ein Hysteriker kaum 
    zum Symbol der Vagina nehmen, die er sonst mit allen mög-
    lichen Gegenständen vergleicht, welche einen Hohlraum um-
    schließen. Auch meinen wir, daß die Vielheit der Grübchen ihn 
    abhalten wird, sie als Ersatz für das weibliche Genitale zu ver-
    wenden. Ähnliches gilt für einen jugendlichen Patienten, über 
    den Tausk vor Jahren der Wiener Psychoanalytischen Gesell-
    schaft berichtet hat. Er benahm sich sonst ganz wie ein Zwangs-
    neurotiker, verbrauchte Stunden für seine Toilette u. dgl. Es 
    war aber an ihm auffällig, daß er widerstandslos die Bedeutung 
    seiner Hemmungen mitteilen konnte. Beim Anziehen der Strümpfe 
    störte ihn z. B. die Idee, daß er die Maschen des Gewebes, 
    also Löcher, auseinanderziehen müsse, und jedes Loch war ihm 
    Symbol der weiblichen Geschlechtsöffnung. Auch dies ist einem 
    Zwangsneurotiker nicht zuzutrauen; ein solcher, aus der Beob-
    achtung von R. Reitler, der am gleichen Verweilen beim 
    Strumpfanziehen litt, fand nach Überwindung der Widerstände 
    die Erklärung, daß der Fuß ein Penissymbol sei, das Überziehen 
    des Strumpfes ein onanistischer Akt, und er mußte den Strumpf 
    fortgesetzt an‑ und ausziehen, zum Teil, um das Bild der Onanie 
    zu vervollkommnen, zum Teil, um sie ungeschehen zu machen.

    Fragen wir uns, was der schizophrenen Ersatzbildung und dem 
    Symptom den befremdlichen Charakter verleiht, so erfassen wir 
    endlich, daß es das Überwiegen der Wortbeziehung über die 
    Sachbeziehung ist. Zwischen dem Ausdrücken eines Mitessers und 
    einer Ejakulation aus dem Penis besteht eine recht geringe Sach-
    ähnlichkeit, eine noch geringere zwischen den unzähligen seichten 
    Hautporen und der Vagina; aber im ersten Falle spritzt beide 
    Male etwas heraus, und für den zweiten gilt wörtlich der zynische 
    Satz: Loch ist Loch. Die Gleichheit des sprachlichen Ausdruckes, 
    nicht die Ähnlichkeit der bezeichneten Dinge, hat den Ersatz 
    vorgeschrieben. Wo die beiden – Wort und Ding  sich nicht

  • S.

    516

    decken, weicht die schizophrene Ersatzbildung von der bei den 
    Übertragungsneurosen ab.

    Setzen wir diese Einsicht mit der Annahme zusammen, daß 
    bei der Schizophrenie die Objektbesetzungen aufgegeben werden. 
    Wir müssen dann modifizieren: die Besetzung der Wortvor-
    stellungen der Objekte wird festgehalten. Was wir die bewußte 
    Objektvorstellung heißen durften, zerlegt sich uns jetzt in die 
    Wortvorstellung und in die Sachvorstellung, die in der Be-
    setzung, wenn nicht der direkten Sacherinnerungsbilder, doch 
    entfernterer und von ihnen abgeleiteter Erinnerungsspuren be-
    steht. Mit einem Male glauben wir nun zu wissen, wodurch 
    sich eine bewußte Vorstellung von einer unbewußten unter-
    scheidet. Die beiden sind nicht, wie wir gemeint haben, ver-
    schiedene Niederschriften desselben Inhaltes an verschiedenen 
    psychischen Orten, auch nicht verschiedene funktionelle Be-
    setzungszustände an demselben Orte, sondern die bewußte Vor-
    stellung umfaßt die Sachvorstellung plus der zugehörigen Wort-
    vorstellung, die unbewußte ist die Sachvorstellung allein. Das 
    System Ubw enthält die Sachbesetzungen der Objekte, die ersten 
    und eigentlichen Objektbesetzungen; das System Vbw entsteht, 
    indem diese Sachvorstellung durch die Verknüpfung mit den ihr 
    entsprechenden Wortvorstellungen überbesetzt wird. Solche Über-
    besetzungen, können wir vermuten, sind es, welche eine höhere 
    psychische Organisation herbeiführen und die Ablösung des Primär-
    vorganges durch den im Vbw herrschenden Sekundärvorgang er-
    möglichen. Wir können jetzt auch präzise ausdrücken, was die 
    Verdrängung bei den Übertragungsneurosen der zurückgewiesenen 
    Vorstellung verweigert: Die Übersetzung in Worte, welche mit 
    dem Objekt verknüpft bleiben sollen. Die nicht in Worte gefaßte 
    Vorstellung oder der nicht überbesetzte psychische Akt bleibt 
    dann im Ubw als verdrängt zurück.

    Ich darf darauf aufmerksam machen, wie frühzeitig wir bereits 
    die Einsicht besessen haben, die uns heute einen der auffälligsten

  • S.

    517

    Charaktere der Schizophrenie verständlich macht. Auf den letzten 
    Seiten der 1900 veröffentlichten „Traumdeutung“ ist ausgeführt, 
    daß die Denkvorgänge, d. i. die von den Wahrnehmungen ent-
    fernteren Besetzungsakte, an sich qualitätslos und unbewußt sind 
    und ihre Fähigkeit, bewußt zu werden, nur durch die Ver-
    knüpfung mit den Resten der Wortwahrnehmungen erlangen. 
    Die Wortvorstellungen entstammen ihrerseits der Sinneswahr-
    nehmung in gleicher Weise wie die Sachvorstellungen, so daß 
    man die Frage aufwerfen könnte, warum die Objektvorstellungen 
    nicht mittels ihrer eigenen Wahrnehmungsreste bewußt werden 
    können. Aber wahrscheinlich geht das Denken in Systemen vor 
    sich, die von den ursprünglichen Wahrnehmungsresten so weit 
    entfernt sind, daß sie von deren Qualitäten nichts mehr er-
    halten haben und zum Bewußtwerden einer Verstärkung durch 
    neue Qualitäten bedürfen. Außerdem können durch die Ver-
    knüpfung mit Worten auch solche Besetzungen mit Qualität 
    versehen werden, die aus den Wahrnehmungen selbst keine 
    Qualität mitbringen konnten, weil sie bloß Relationen zwischen 
    den Objektvorstellungen entsprechen. Solche erst durch Worte 
    faßbar gewordene Relationen sind ein Hauptbestandteil unserer 
    Denkvorgänge. Wir verstehen, daß die Verknüpfung mit Wort-
    vorstellungen noch nicht mit dem Bewußtwerden zusammenfällt, 
    sondern bloß die Möglichkeit dazu gibt, daß sie also kein anderes 
    System als das des Vbw charakterisiert. Nun merken wir aber, 
    daß wir mit diesen Erörterungen unser eigentliches Thema ver-
    lassen und mitten in die Probleme des Vorbewußten und Be-
    wußten geraten, die wir zweckmäßigerweise einer gesonderten 
    Behandlung vorbehalten.

    Bei der Schizophrenie, die wir ja hier auch nur so weit be-
    rühren, als uns zur allgemeinen Erkennung des Ubw unerläßlich 
    scheint, muß uns der Zweifel auftauchen, ob der hier Ver-
    drängung genannte Vorgang überhaupt noch etwas mit der Ver-
    drängung bei den Übertragungsneurosen gemein hat. Die Formel, 

  • S.

    518

    die Verdrängung sei ein Vorgang zwischen dem System Ubw 
    und dem Vbw (oder Bw) mit dem Erfolg der Fernhaltung vom 
    Bewußtsein, bedarf jedenfalls einer Abänderung, um den Fall der 
    Dementia praecox und anderer narzißtischer Affektionen mitein-
    schließen zu können. Aber der Fluchtversuch des Ichs, der sich 
    in der Abziehung der bewußten Besetzung äußert, bleibt immer-
    hin als das Gemeinsame bestehen. Um wie vieles gründlicher 
    und tiefgreifender dieser Fluchtversuch, diese Flucht des Ichs bei 
    den narzißtischen Neurosen ins Werk gesetzt wird, lehrt die 
    oberflächlichste Überlegung.

    Wenn diese Flucht bei der Schizophrenie in der Einziehung 
    der Triebbesetzung von den Stellen besteht, welche die unbe-
    wußte Objektvorstellung repräsentieren, so mag es befremdlich 
    erscheinen, daß der dem System Vbw angehörige Teil derselben 
    Objektvorstellung – die ihr entsprechenden Wortvorstellungen 
    – vielmehr eine intensivere Besetzung erfahren sollen. Man 
    könnte eher erwarten, daß die Wortvorstellung als der vorbe-
    wußte Anteil den ersten Stoß der Verdrängung auszuhalten hat, 
    und daß sie ganz und gar unbesetzbar wird, nachdem sich die 
    Verdrängung bis zu den unbewußten Sachvorstellungen fortgesetzt 
    hat. Dies ist allerdings eine Schwierigkeit des Verständnisses. Es 
    ergibt sich die Auskunft, daß die Besetzung der Wortvorstellung 
    nicht zum Verdrängungsakt gehört, sondern den ersten der Her-
    stellungs‑ oder Heilungsversuche darstellt, welche das klinische 
    Bild der Schizophrenie so auffällig beherrschen. Diese Bemühungen 
    wollen die verlorenen Objekte wiedergewinnen, und es mag 
    wohl sein, daß sie in dieser Absicht den Weg zum Objekt über 
    den Wortanteil desselben einschlagen, wobei sie sich aber dann 
    mit den Worten an Stelle der Dinge begnügen müssen. Unsere 
    seelische Tätigkeit bewegt sich ja ganz allgemein in zwei ent-
    gegengesetzten Verlaufsrichtungen, entweder von den Trieben 
    her durch das System Ubw zur bewußten Denkarbeit, oder auf 
    Anregung von außen durch das System des Bw und Vbw bis 

  • S.

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    zu den ubw Besetzungen des Ichs und der Objekte. Dieser zweite 
    Weg muß trotz der vorgefallenen Verdrängung passierbar bleiben 
    und steht den Bemühungen der Neurose, ihre Objekte wieder 
    zu gewinnen, ein Stück weit offen. Wenn wir abstrakt denken, 
    sind wir in Gefahr, die Beziehungen der Worte zu den unbe-
    wußten Sachvorstellungen zu vernachlässigen, und es ist nicht zu 
    leugnen, daß unser Philosophieren dann eine unerwünschte Ähn-
    lichkeit in Ausdruck und Inhalt mit der Arbeitsweise der Schizo-
    phrenen gewinnt. Anderseits kann man von der Denkweise der 
    Schizophrenen die Charakteristik versuchen, sie behandeln konkrete 
    Dinge, als ob sie abstrakte wären.

    Wenn wir wirklich das Ubw agnosziert und den Unterschied 
    einer unbewußten Vorstellung von einer vorbewußten richtig 
    bestimmt haben, so werden unsere Untersuchungen von vielen 
    anderen Stellen her zu dieser Einsicht zurückführen müssen.