S.
83
DIE VERDRÄNGUNG
(1915)
Es kann das Schicksal einer Triebregung werden, daß sie auf Widerstände stößt, welche sie unwirksam machen wollen. Unter Bedingungen, deren nähere Untersuchung uns bevorsteht, gelangt sie dann in den Zustand der Verdrängung. Handelte es sich um die Wirkung eines äußeren Reizes, so wäre offenbar die Flucht das geeignete Mittel. Im Falle des Triebes kann die Flucht nichts nützen, denn das Ich kann sich nicht selbst entfliehen. Später einmal wird in der Urteilsverwerfung (Verurteilung) ein gutes Mittel gegen die Triebregung gefunden werden. Eine Vorstufe der Verurteilung, ein Mittelding zwischen Flucht und Verurteilung ist die Verdrängung, deren Begriff in der Zeit vor den psychoanalytischen Studien nicht aufgestellt werden konnte.
Die Möglichkeit einer Verdrängung ist theoretisch nicht leicht abzuleiten. Warum sollte eine Triebregung einem solchen Schicksal verfallen? Offenbar muß hier die Bedingung erfüllt sein, daß die Erreichung des Triebzieles Unlust an Stelle von Lust bereitet. Aber dieser Fall ist nicht gut denkbar. Solche Triebe gibt es nicht, eine Triebbefriedigung ist immer lustvoll. Es müßten besondere Verhältnisse anzunehmen sein, irgendein Vorgang, durch den die Befriedigungslust in Unlust verwandelt wird.
S.
84
Wir können zur besseren Abgrenzung der Verdrängung einige andere Triebsituationen in Erörterung ziehen. Es kann vorkommen, daß sich ein äußerer Reiz, z. B. dadurch, daß er ein Organ anätzt und zerstört, verinnerlicht und so eine neue Quelle beständiger Erregung und Spannungsvermehrung ergibt. Er erwirbt damit eine weitgehende Ähnlichkeit mit einem Trieb. Wir wissen, daß wir diesen Fall als Schmerz empfinden. Das Ziel dieses Pseudotriebes ist aber nur das Aufhören der Organveränderung und der mit ihr verbundenen Unlust. Andere, direkte Lust kann aus dem Aufhören des Schmerzes nicht gewonnen werden. Der Schmerz ist auch imperativ; er unterliegt nur noch der Einwirkung einer toxischen Aufhebung und der Beeinflussung durch psychische Ablenkung.
Der Fall des Schmerzes ist zu wenig durchsichtig, um etwas für unsere Absicht zu leisten. Nehmen wir den Fall, daß ein Triebreiz wie der Hunger unbefriedigt bleibt. Er wird dann imperativ, ist durch nichts anderes als durch die Befriedigungsaktion zu beschwichtigen, unterhält eine beständige Bedürfnisspannung. Etwas wie eine Verdrängung scheint hier auf lange hinaus nicht in Betracht zu kommen.
Der Fall der Verdrängung ist also gewiß nicht gegeben, wenn die Spannung infolge von Unbefriedigung einer Triebregung unerträglich groß wird. Was dem Organismus an Abwehrmitteln gegen diese Situation gegeben ist, muß in anderem Zusammenhang erörtert werden.
Halten wir uns lieber an die klinische Erfahrung, wie sie uns in der psychoanalytischen Praxis entgegentritt. Dann werden wir belehrt, daß die Befriedigung des der Verdrängung unterliegenden Triebes wohl möglich und daß sie auch jedesmal an sich lustvoll wäre, aber sie wäre mit anderen Ansprüchen und Vorsätzen unvereinbar; sie würde also Lust an der einen, Unlust an anderer Stelle erzeugen. Zur Bedingung
S.
85
der Verdrängung ist dann geworden, daß das Unlustmotiv eine stärkere Macht gewinnt als die Befriedigungslust. Wir werden ferner durch die psychoanalytische Erfahrung an den Übertragungsneurosen zu dem Schluß genötigt, daß die Verdrängung kein ursprünglich vorhandener Abwehrmechanismus ist, daß sie nicht eher entstehen kann, als bis sich eine scharfe Sonderung von bewußter und unbewußter Seelentätigkeit hergestellt hat, und daß ihr Wesen nur in der Abweisung und Fernhaltung vom Bewußten besteht. Diese Auffassung der Verdrängung würde durch die Annahme ergänzt werden, daß vor solcher Stufe der seelischen Organisation die anderen Triebschicksale, wie die Verwandlung ins Gegenteil, die Wendung gegen die eigene Person, die Aufgabe der Abwehr von Triebregungen bewältigen.
Wir meinen jetzt auch, Verdrängung und Unbewußtes seien in so großem Ausmaße korrelativ, daß wir die Vertiefung in das Wesen der Verdrängung aufschieben müssen, bis wir mehr von dem Aufbau des psychischen Instanzenzuges und der Differenzierung von Unbewußt und Bewußt erfahren haben. Vorher können wir nur noch einige klinisch erkannte Charaktere der Verdrängung in rein deskriptiver Weise zusammenstellen, auf die Gefahr hin, vieles anderwärts Gesagte ungeändert zu wiederholen.
Wir haben also Grund, eine Urverdrängung anzunehmen, eine erste Phase der Verdrängung, die darin besteht, daß der psychischen (Vorstellungs‑)Repräsentanz des Triebes die Übernahme ins Bewußte versagt wird. Mit dieser ist eine Fixierunggegeben; die betreffende Repräsentanz bleibt von da an unveränderlich bestehen und der Trieb an sie gebunden. Dies geschieht infolge der später zu besprechenden Eigenschaften unbewußter Vorgänge.
Die zweite Stufe der Verdrängung, die eigentliche
S.
86
Verdrängung, betrifft psychische Abkömmlinge der verdrängten Repräsentanz oder solche Gedankenzüge, die, anderswoher stammend, in assoziative Beziehung zu ihr geraten sind. Wegen dieser Beziehung erfahren diese Vorstellungen dasselbe Schicksal wie das Urverdrängte. Die eigentliche Verdrängung ist also ein Nachdrängen. Man tut übrigens unrecht, wenn man nur die Abstoßung hervorhebt, die vom Bewußten her auf das zu Verdrängende wirkt. Es kommt ebensosehr die Anziehung in Betracht, welche das Urverdrängte auf alles ausübt, womit es sich in Verbindung setzen kann. Wahrscheinlich würde die Verdrängungstendenz ihre Absicht nicht erreichen, wenn diese Kräfte nicht zusammenwirkten, wenn es nicht ein vorher Verdrängtes gäbe, welches das vom Bewußten Abgestoßene aufzunehmen bereit wäre. Unter dem Einfluß des Studiums der Psychoneurosen, welches uns die bedeutsamen Wirkungen der Verdrängung vorführt, werden wir geneigt, deren psychologischen Inhalt zu überschätzen, und vergessen zu leicht, daß die Verdrängung die Triebrepräsentanz nicht daran hindert, im Unbewußten fortzubestehen, sich weiter zu organisieren, Abkömmlinge zu bilden und Verbindungen anzuknüpfen. Die Verdrängung stört wirklich nur die Beziehung zu einem psychischen System, dem des Bewußten.
Die Psychoanalyse kann uns noch anderes zeigen, was für das Verständnis der Wirkungen der Verdrängung bei den Psychoneurosen bedeutsam ist. Z. B., daß die Triebrepräsentanz sich ungestörter und reichhaltiger entwickelt, wenn sie durch die Verdrängung dem bewußten Einfluß entzogen ist. Sie wuchert dann sozusagen im Dunkeln und findet extreme Ausdrucksformen, welche, wenn sie dem Neurotiker übersetzt und vorgehalten werden, ihm nicht nur fremd erscheinen müssen, sondern ihn auch durch die Vorspiegelung einer außerordentlichen und gefährlichen Triebstärke schrecken. Diese täuschende Triebstärke
S.
87
schrecken. Diese täuschende Triebstärke ist das Ergebnis einer ungehemmten Entfaltung in der Phantasie und der Aufstauung infolge versagter Befriedigung. Daß dieser letztere Erfolg an die Verdrängung geknüpft ist, weist darauf hin, worin wir ihre eigentliche Bedeutung zu suchen haben.
Indem wir aber noch zur Gegenansicht zurückkehren, stellen wir fest, es sei nicht einmal richtig, daß die Verdrängung alle Abkömmlinge des Urverdrängten vom Bewußten abhalte. Wenn sich diese weit genug von der verdrängten Repräsentanz entfernt haben, sei es durch Annahme von Entstellungen oder durch die Anzahl der eingeschobenen Mittelglieder, so steht ihnen der Zugang zum Bewußten ohne weiteres frei. Es ist, als ob der Widerstand des Bewußten gegen sie eine Funktion ihrer Entfernung vom ursprünglich Verdrängten wäre. Während der Ausübung der psychoanalytischen Technik fordern wir den Patienten unausgesetzt dazu auf, solche Abkömmlinge des Verdrängten zu produzieren, die infolge ihrer Entfernung oder Entstellung die Zensur des Bewußten passieren können. Nichts anderes sind ja die Einfälle, die wir unter Verzicht auf alle bewußten Zielvorstellungen und alle Kritik von ihm verlangen und aus denen wir eine bewußte Übersetzung der verdrängten Repräsentanz wiederherstellen. Wir beobachten dabei, daß der Patient eine solche Einfallsreihe fortspinnen kann, bis er in ihrem Ablauf auf eine Gedankenbildung stößt, bei welcher die Beziehung zum Verdrängten so intensiv durchwirkt, daß er seinen Verdrängungsversuch wiederholen muß. Auch die neurotischen Symptome müssen der obigen Bedingung genügt haben, denn sie sind Abkömmlinge des Verdrängten, welches sich mittels dieser Bildungen den ihm versagten Zugang zum Bewußtsein endlich erkämpft hat.
Wie weit die Entstellung und Entfernung vom Verdrängten gehen muß, bis der Widerstand des Bewußten aufgehoben ist,
S.
88
läßt sich allgemein nicht angeben. Es findet dabei eine feine Abwägung statt, deren Spiel uns verdeckt ist, deren Wirkungsweise uns aber erraten läßt, es handle sich darum, vor einer bestimmten Intensität der Besetzung des Unbewußten haltzumachen, mit deren Überschreitung es zur Befriedigung durchdringen würde. Die Verdrängung arbeitet also höchst individuell; jeder einzelne Abkömmling des Verdrängten kann sein besonderes Schicksal haben; ein wenig mehr oder weniger von Entstellung macht, daß der ganze Erfolg umschlägt. In demselben Zusammenhang ist auch zu begreifen, daß die bevorzugten Objekte der Menschen, ihre Ideale, aus denselben Wahrnehmungen und Erlebnissen stammen wie die von ihnen am meisten verabscheuten, und sich ursprünglich nur durch geringe Modifikationen voneinander unterscheiden. Ja, es kann, wie wir’s bei der Entstehung des Fetisch gefunden haben, die ursprüngliche Triebrepräsentanz in zwei Stücke zerlegt worden sein, von denen das eine der Verdrängung verfiel, während der Rest, gerade wegen dieser innigen Verknüpftheit, das Schicksal der Idealisierung erfuhr.
Dasselbe, was ein Mehr oder Weniger an Entstellung leistet, kann auch sozusagen am anderen Ende des Apparates durch eine Modifikation in den Bedingungen der Lust‑Unlustproduktion erzielt werden. Es sind besondere Techniken ausgebildet worden, deren Absicht dahin geht, solche Veränderungen des psychischen Kräftespieles herbeizuführen, daß dasselbe, was sonst Unlust erzeugt, auch einmal lustbringend wird, und sooft solch ein technisches Mittel in Aktion tritt, wird die Verdrängung für eine sonst abgewiesene Triebrepräsentanz aufgehoben. Diese Techniken sind bisher nur für den Witz genauer verfolgt worden. In der Regel ist die Aufhebung der Verdrängung nur eine vorübergehende; sie wird alsbald wiederhergestellt.
Erfahrungen dieser Art reichen aber hin, uns auf weitere
S.
89
Charaktere der Verdrängung aufmerksam zu machen. Sie ist nicht nur, wie eben ausgeführt, individuell, sondern auch im hohen Grade mobil. Man darf sich den Verdrängungsvorgang nicht wie ein einmaliges Geschehen mit Dauererfolg vorstellen, etwa wie wenn man etwas Lebendes erschlagen hat, was von da an tot ist; sondern die Verdrängung erfordert einen anhaltenden Kraftaufwand, mit dessen Unterlassung ihr Erfolg in Frage gestellt wäre, so daß ein neuerlicher Verdrängungsakt notwendig würde. Wir dürfen uns vorstellen, daß das Verdrängte einen kontinuierlichen Druck in der Richtung zum Bewußten hin ausübt, dem durch unausgesetzten Gegendruck das Gleichgewicht gehalten werden muß. Die Erhaltung einer Verdrängung setzt also eine beständige Kraftausgabe voraus, und ihre Aufhebung bedeutet ökonomisch eine Ersparung. Die Mobilität der Verdrängung findet übrigens auch einen Ausdruck in den psychischen Charakteren des Schlafzustandes, welcher allein die Traumbildung ermöglicht. Mit dem Erwachen werden die eingezogenen Verdrängungsbesetzungen wieder ausgeschickt.
Wir dürfen endlich nicht vergessen, daß wir von einer Triebregung erst sehr wenig ausgesagt haben, wenn wir feststellen, sie sei eine verdrängte. Sie kann sich unbeschadet der Verdrängung in sehr verschiedenen Zuständen befinden, inaktiv sein, d. h. sehr wenig mit psychischer Energie besetzt, oder in wechselndem Grade besetzt und damit zur Aktivität befähigt. Ihre Aktivierung wird zwar nicht die Folge haben, daß sie die Verdrängung direkt aufhebt, wohl aber alle die Vorgänge anregen, welche mit dem Durchdringen zum Bewußtsein auf Umwegen einen Abschluß finden. Bei unverdrängten Abkömmlingen des Unbewußten entscheidet oft das Ausmaß der Aktivierung oder Besetzung über das Schicksal der einzelnen Vorstellung. Es ist ein alltägliches Vorkommnis, daß ein solcher Abkömmling unverdrängt bleibt, s
S.
90
solange er eine geringe Energie repräsentiert, obwohl sein Inhalt geeignet wäre, einen Konflikt mit dem bewußt Herrschenden zu ergeben. Das quantitative Moment zeigt sich aber als entscheidend für den Konflikt; sobald die im Grunde anstößige Vorstellung sich über ein gewisses Maß verstärkt, wird der Konflikt aktuell und gerade die Aktivierung zieht die Verdrängung nach sich. Zunahme der Energiebesetzung wirkt also in Sachen der Verdrängung gleichsinnig wie Annäherung an das Unbewußte, Abnahme derselben wie Entfernung davon oder Entstellung. Wir verstehen, daß die verdrängenden Tendenzen in der Abschwächung des Unliebsamen einen Ersatz für dessen Verdrängung finden können.
In den bisherigen Erörterungen behandelten wir die Verdrängung einer Triebrepräsentanz und verstanden unter einer solchen eine Vorstellung oder Vorstellungsgruppe, welche vom Trieb her mit einem bestimmten Betrag von psychischer Energie (Libido, Interesse) besetzt ist. Die klinische Beobachtung nötigt uns nun zu zerlegen, was wir bisher einheitlich aufgefaßt hatten, denn sie zeigt uns, daß etwas anderes, was den Trieb repräsentiert, neben der Vorstellung in Betracht kommt und daß dieses andere ein Verdrängungsschicksal erfährt, welches von dem der Vorstellung ganz verschieden sein kann. Für dieses andere Element der psychischen Repräsentanz hat sich der Name Affektbetrag eingebürgert; es entspricht dem Triebe, insofern er sich von der Vorstellung abgelöst hat und einen seiner Quantität gemäßen Ausdruck in Vorgängen findet, welche als Affekte der Empfindung bemerkbar werden. Wir werden von nun an, wenn wir einen Fall von Verdrängung beschreiben, gesondert verfolgen müssen, was durch die Verdrängung aus der Vorstellung und was aus der an ihr haftenden Triebenergie geworden ist.
Gern würden wir über beiderlei Schicksale etwas allgemeines
S.
91
aussagen wollen. Dies wird uns auch nach einiger
Orientierung möglich. Das allgemeine Schicksal der den
Trieb repräsentierenden Vorstellung kann nicht leicht etwas
anderes sein, als daß sie aus dem Bewußten verschwindet,
wenn sie früher bewußt war, oder vom Bewußtsein abgehalten
wird, wenn sie im Begriffe war, bewußt zu werden. Der
Unterschied ist nicht mehr bedeutsam; er kommt etwa darauf
hinaus, ob ich einen unliebsamen Gast aus meinem Salon hin-
ausbefördere oder aus meinem Vorzimmer oder ihn, nach-
dem ich ihn erkannt habe, überhaupt nicht über die Schwelle
der Wohnungstür treten lasse1. Das Schicksal des quantitativen
Faktors der Triebrepräsentanz kann ein dreifaches sein, wie
uns eine flüchtige Übersicht über die in der Psychoanalyse
gemachten Erfahrungen lehrt: Der Trieb wird entweder ganz
unterdrückt, so daß man nichts von ihm auffindet, oder er
kommt als irgendwie qualitativ gefärbter Affekt zum Vor-
schein, oder er wird in Angst verwandelt. Die beiden letzteren
Möglichkeiten stellen uns die Aufgabe, die Umsetzung
der psychischen Energien der Triebe in Affekte und
ganz besonders in Angst als neues Triebschicksal ins Auge
zu fassen.Wir erinnern uns, daß Motiv und Absicht der Verdrän-
gung nichts anderes als die Vermeidung von Unlust war. Dar-
aus folgt, daß das Schicksal des Affektbetrags der Repräsen-
tanz bei weitem wichtiger ist als das der Vorstellung, und
daß dies über die Beurteilung des Verdrängungsvorganges
entscheidet. Gelingt es einer Verdrängung nicht, die Ent-
stehung von Unlustempfindungen oder Angst zu verhüten,1)Dieses für den Verdrängungsvorgang brauchbare Gleichnis
kann auch über einen früher erwähnten Charakter der Ver-
drängung ausgedehnt werden. Ich brauche nur hinzuzufügen, daß
ich die dem Gast verbotene Tür durch einen ständigen Wächter
bewachen lassen muß, weil der Abgewiesene sie sonst aufsprengen
würde. (S. o.)S.
S.
Die Verdrängung 93
zelnen Neuronen zu benbacheenden Erfolge der Vadtäugung
abgelöst werden muß. Ich muß aber den Vornhlag nahm
auch diwe Arbeit Anfmeclzieben, bis wir um verllßlißbe Vor-
stellungen iibcr das Verhältnix den Bewußwen zum Unbflrußm
gebildet haben. Nur um die vorliegende Erörterung nicht
ganz unfruchtbar ausgehen zu las-en, will ich vorwegnehmtfl.
daß 1. der Mechanismus der Verdrängung muWich nicht
mit dem oder den Mechaninnen der Eremzbildung zusammen-
fällt, 1. daß es sehr verschiedene Maßnahmen der Emu-
bildung gibt, und 3. daß den Macban der Veldtinz\lns
wenigstens eines gemeian ist, die Entziebung der
Energiebesetzung (oder Libido, mu wir von
Sexualtneben handeln).
Ichwillaucbuncerünsebrlnkunguufdiedni’hhh‘nmtesten Psychoneurosen m u'nigm Beitp'cllen neigen, die
hier eingeführten Begrifle mi in Studium der Verdrämug
Anwendung finden. Von der Angsthy!!érie werde idi
das gut analysienze Beispiel einer 'n'an wülenuDie der
Verdrängung unserliegende Tficbregung in: eine libidinöle
Einstellung zum Vauer, gem mit: der Am vor demselben.
Nach der Verdrängung ist diene Regung zu; dem Bewußtsein
geschmmden, der Vater kommt als Objekt der Libido nicht
d:rin vor. Als Ersatz findet sich m analoger Selle ein Tier.
das sich mehr oder weniger gut zum Anptobiekt eignet. Die
Ersatzbildung des Vorstellunpanbeilel hat sich luf demWege
der Verschiebung länge einen in bestimmter Weise
determinierten Zusammenhangec hergestellt. Der gueneimive
Anteil ist nicht verschwunden, eondern im eich in Anger um-
gesetzt. Das Ergebnis ist eine Angst vor dem Wolf an Stelle
eines Li:belanspruchfll an den Vam. Nltiirlieb reichen die
hier verwendeten Kategorien nicht mit, um den Erklärung!—
anspriichen nach nur dee einfachsten Falle; von Peyelm—S.
94 Die Veldrängun‘
‘neurose zu genügen. Es kommen immer noch andere Gev
sichtspunkte in Betracht.Eine solche Verdrängung wie im Falle der Tierphobie darf
als eine gründlich mißgliickte bezeichnet werden. Das Werk
der Verdrängung besteht nur in der Beseitigung und Er-
setzung der Vorstellung, die Unlustersparnis ist überhaupt
nicht gelungen. Deshalb ruht die Arbeit der Neurose auch
nicht, sondern setzt sich in einem zweiten Tempo fort, um
ihr nächstes, wichtigeres Ziel zu erreichen. Es k0mmt zur
Bildung eines Fluchtversuches, der eigentlichen Phobie,
einer Anzahl von Vermeidungtn, welche die Angstentbin»
dung ausschließen sollen. Durch welchen Mechanismus die
Phobie ans Ziel gelangt, können wir in einer spezielleren
Untersuchung verstehen lernen.Zu einer ganz anderen Würdigung des Verdrängungsvor-
ganges nötigt uns das Bild der echten Konversions-
hysterie. Hier ist das Hervorsrechende, daß es gelingen
kann, den Aflektbetrag zum völligen Verschwinden zu brin-
gen. Der Kranke zeigt dann gegen seine Symptome das Ver-
halten° welches Chance „la belle indifie’renee der hysléri-
quei“ genannt hat. Andere Male gelingt diese Unterdrückung
nicht so vollständig, ein Anteil peinlicher Sensationen knüpft
sich an die Symptome selbst, oder ein Stück Angstentbindung
hat sich nicht vermeiden lassen, das seinerseits den Mechanismus
der Phobiebildung ins Werk setzt. Der Vorstellungsinhalt der
Triebrepräsentanz ist dem Bewußtsein gründlich entzogen; als
Ersatzbildung _ und gleichzeitig „is Symptom _ findet sich
eine übersta.rke —- in den vorbildlichen Fällen somadsche —
1nnervation, bald sensorischer, bald motorischer Natur, ent-
weder als Erregung oder als Henn-nung. Die überinnervierte
Stelle erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Stück der
verdrängten Triebrepräsentanz selbst, welches wie durch V e r-
dichtung die gesamte Besetzung auf sich gezogen hat.S.
Die Verdrängung 95
Natürlich decken auch diese Bemerkungen den Mechanismus
einer Konversiunshysterie nicht restlos auf; vor allem ist
noch das Moment der R e g r e s s i o n hinzuzufügen, das in
anderem Zusammenhang gewürdigt werden soll.Die Verdrängung der Hysterie kann als völlig mißglückt
beurteilt werden, insofern sie nur durch ausgiebige Ersatz-
hildungen ermöglicht worden ist; mit Bezug auf die Erledigung
des Aflektbetrages‚ die eigentliche Aufgabe der Verdrängung,
bedeutet sie aber in der Regel einen vollen Erfolg. Der Ver-
drängungsvorgang der Konversionshysterie ist dann auch mit
der Symptombildung abgeschlossen und braucht sich nicht
wie bei Angsthysterie zweizeitig — oder eigentlich unbe-
grenzt — fortzusetzen.Ein ganz anderes Ansehen zeigt die Verdrängung wieder bei
der dritten Afiektion‚ die wir zu dieser Vergleichung heran<
ziehen, bei der Z w a n g s n e u r o s e. Hier gerät man zuerst
in Zweifel, was man als die der Verdrängung unterliegende
Repräsentanz anzusehen hat, eine lihidinöse oder eine feind—
selige Strebung. Die Unsicherheit rührt daher, daß die Zwangs—
neurose auf der Voraussetzung einer Regression ruht, durch
welche eine sadistische Strebung an die Stelle der zirtlichen
getreten ist. Dieser feindselige Impuls gegen eine geliebte Person
ist es, welcher der Verdrängung unterliegt. Der Eflekt ist in
einer ersten Phase der Verdrängungsarheit ein ganz anderer als
später. Zunächst hat diese vollen Erfolg, der Vorstellungsinhnli
wird abgewiesen und der Aflekt zum Verschwinden gebracht
Als Ersatzhilclung einen sich eine Iehveränderung, die Steige—
rung der Gewissenhaftigkeit, die man nicht gut ein Symptom
heißen kann. Ersatz- und Symptombildung fallen hier anein-
ander. Hier erfährt man auch etwas über den Mechanismus der
Verdrängung. Diese lm wie überall eine Libidoentziehung zu—
standegebrneht, aber sich zu diesem Zwecke der Re ak-
t i o n s b i l d u n g durch Verstärkung eines Gegensatzes be-S.
96 Die Verdrängung
dient. Die Ersatzl>ildung hat also hier demell>en Mechanis-
mus wie die Verdrängung und fällt im Grunde mit ihr
zusammen, sie trennt sich aber zeitlich wie begrifllich von
der Symptombildung. Es is: sehr wahrscheinlich, daß das
Ambiv=lenzverhältnis‚ in welches der zu verdrängende Sedi-
nische Impuls eingetragen ist, den ganzen Vorgang ermög-
licht.Die anfänglich gute Verdrängung hält eher nicht Stand,
im weiteren Verlaufe drängt sich da.! Mißgliicken der Verdrän-
gung imma mehr vor. Die Ambivalenz, welche die Verdrän-
gung durch Rezktionsbildung gestattet hat, ist auch die Stelle,
an welcher dem Verdränan die Wiederkehr gelingt. Der ver-
schwundene Aflekt kommt in der Verwandlung zur sozialen
Angst. Gewissenangst, Vorwurf ohne Ersparnis wieder; die ab-
gewiesene Vorstellung nennt sich durch Ver s ch i : bungs-
: ; sa tz, oft durch Verschiebung auf Kleinste:‚ Indil'ferentes,
Eine Tendenz zur intakten Herstellung der verdrängten Vor-
stellung ist meist unverkermbnr. Das Mißgliicken in der
Verdrängung des quantitativen, aflektiven Faktor; bringt
denselben Mechanismus der Flucht durch Vermeidung und
Verbote ins Spiel, den wir bei der Bildung der hysterischen
Phobic kennen gelernt haben. Die Abweisung der Vorstellung
vom Bewußten wird aber hartnäckig £stgelulten, weil mit
ihr die Abhaltung von der Aktiun, die motorische Fesselung
des Impulses‚ gegeben ist. So läuft die Verdrängungsarbeit
der Zwangsneurose in ein erfolgloia und unabschließhares
Ringen ausAus der kleinen, hier vorgehrachten Vergleichsreihe kann
man sich die Überzeugung holen, daß es noch umfassender
Untersuchungen bedarf, ehe man hoffen kann, die mit der Ver-
drängung und neumtischen Symptumbildung zusammenhän-
genden Vorgänge zu durchschauen. Die außerordentliche Ver-
schlungenheir alle: in Betracht kommenden Momente läßt unsS.
Die Verdringlm; 97
nur einen Weg zur Darstellung frei. Wir müssen bald dm
einen, bald den anderen Gesichtspunkt herausgreifen und ihn
durch das Material hindurchverfolgen, solange seine Anwen-
dung etwas zu leisten scheint. Jede einzelne diene: Bearbei-
tungen wixd an sich unvollständig sein und dort Unklarheiten
nicht vermiden können, wo sie an das noch nicht Bearbeitete
anrührt; wir dürfen aber hofien, daß sich aus der endlichen
Zusammensetzung ein gutes Verständnis ergeben wird.Fund. 'l'heornlllche Rahmen 7
Freud_1931_Theoretische_Schriften_k
83
–97