-
S.
1
PROF. DR. FREUD
WIEN, IX. BERGGASSE 19.7. 5. 16
Lieber Herr Doktor
So schön und so liebevoll wie Ihre nicht
gehaltene Rede ist sonst nur ein
Nachruf auf dem Zentralfriedhof.
Ich wußte ja, daß Sie etwas ausdrücken
können, Sie haben es oft in Publikat-
ionen gezeigt aber diesmal bin ich
geradezu gerührt, wahrscheinlich weil ich
selbst das Objekt bin. Gewiß habe ich
das alles sein und thun wollen, was
Sie mir nachrühmen, aber wird man
in kühleren Stunden behaupten
können, daß es mir gelungen ist?
Ich weiß es nicht, aber ich weiß, daß man,
um leben zu können, einige Leute
braucht, die es glaubenHaben Sie also herzlichen Dank für
die Worte der Anerkennung und der
Anhänglichkeit, die mich weit über
das gewohnte Maß von Enttäuschung
in den Menschen entschädigen. Ich
bin nicht verbittert, u weiß daß ich
keinen Grund dazu habe, freue mich
mit allem Guten, was mir zu teil gewor-
den ist. Halten Sie weiter bei mir
aus in wissenschaftlicher Bemühung -
S.