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    Prof. Dr. Freud                                                          

    Wien, IX. Berggasse 19.

    [Karlsbad,] 

    27.7.15

    Lieber Freund

    Ihre lang erwartete Äußerung über 
    die phylogenetische Reihe war sehr willkom̄en 
    u hat die Sache weiter in Fluß gebracht. Ich 
    antworte Ihnen aber umgehend nicht darauf, 
    sondern auf Ihr neues Projekt, das Sie als 
    dringlich bezeichnen.

    Mein Rat ist, es mit allen Mitteln schleunigst zu 
    fördern, da es mehr als einen Vorteil bringt. 
    Nicht nur, daß es Sie von Pápa losankert 
    und Ihnen eine sichere Stellung in Bpest 
    verschafft, es erscheint mir auch wertvoll, 
    daß es Ihnen ein neues Arbeitsfeld er-
    öffnet, das von der ΨA aus zu bearbeiten 
    ist; und es kann sehr gut für Ihre nicht 
    aufzugebende Dozentur vorbereitend 
    wirken. Daß es Sie zuviel in Anspruch nehmen 
    würde halte ich für keinen starken Einwand. 
    Unsere Literatur liegt ohnedies während 
    des Krieges brach; es ist selbst fraglich, ob 
    wir die Zeitschriften noch lange aufrecht 
    halten können. Für die Therapien, die 
    Ihnen nicht passen wie Sprechübungen etc 
    können Sie sich im̄er Gehilfen schaffen 
    Ich sehe nichts dagegen, alles nur dafür, bis 
    auf eines: Ich weiß nicht, ob der Plan 

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    durchgehen, oder im positiven Falle, ob man 
    Ihnen die Oberleitung zugestehen wird. 
    Die Leitung der psychotherap. Abteilung 
    wäre aber im̄er noch der Mühe wert für Sie.

    Wir haben wechselndes Wetter, ich bin auch 
    oft müde u habe mehr Karlsbader Be-
    schwerden als sonst. Martin schreibt lustig 
    weiter, er hätte auch einen Schuß durch die 
    Kappe bekommen; hat heute ein sehr gutes 
    Bild geschickt – von eigener Person u seinem 
    Pferd. Auf Erkundigg, wann die Ver-
    letzung war, noch keine Antwort 
    möglich.

    Ich grüße Sie herzlich 
    Ihr 
    Freud