• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

    Hotel Wittebrug

    25.7.10.

    Lieber Freund

    Sofort nach Empfang Ihres Briefes habe ich mir 
    von der Agentur in Haag die Nachweise geholt 
    u kann Ihnen über die Reise folgendes berichten.

    Am 29. Aug geht von Antwerpen (nicht Rotterdam
    der Yorck aus nach Ostasien u nim̄t Passagiere 
    bis Genua oder Neapel auf. Er berührt South-
    hampton, Gibraltar, Algier, kom̄t am 8 nach Genua 
    am 9 nach Neapel. Der Preis ist 396 Mk I Cl 
    eventuell etwas mehr oder weniger (Gewisse Details) 
    Von Genua könnte man mit einem ital. oder 
    anderen Schiff auch direkt nach Palermo, ganz 
    wie Sie wollen. Ich wäre nun ganz dabei, meine 
    Gesundheit würde nicht stören, ich bin bereits 
    sehr erholt, meine Kolitis sehr gebessert, wegen 
    einer einfachen Obstipation würde ich auf 
    nichts verzichten. Es bleibt ein gewißes Risiko 
    Wochen vorher Plätze zu bestellen u jeder 
    200 Mk zu riskiren, es ist ihm aber kaum 
    auszuweichen. Nur die Vorgänge in Hambg 
    wo die alte Frau sehr elend marastisch 
    ist könnten die Reiseabsicht stören. Ich 
    werde zwar nicht direkt davon betroffen, so daß 
    ich zB. nach Hamburg müßte, aber fiele das 
    Ende gerade in diese Tage – es kann sich 
    noch Monate hinausziehen so wäre es 
    mir natürlich peinlich, die Frauen gerade 
    dann allein zulassen. Wenn Sie es also 
    wagen wollen, so geben Sie mir Auftrag 
    zwei Kabinen hier zu bestellen. Ob 

  • S.

    das Gedränge zu diesen Fahrten groß oder klein ist, 
    darüber habe ich kein Urteil. Mein Bruder, 
    der auch hier ist, meint, es sei nicht groß, da, wer 
    wirklich nach Asien reist, die Fahrt über Genua 
    mit der Bahn macht.

    Für Ihre wissensch. Neuheiten habe ich im̄erhin 
    noch Interesse verspürt. Hoche hat mich sehr 
    amüsirt u sehr wenig erschüttert. Deuticke 
    verlangt, daß ich zur jetzt notwendig ge-
    wordenen 2 Auflage der Sam̄lung Erste Folge 
    eine Vorrede schreibe; vielleicht mache ich 
    einen lustigen Essay über Gegner u Wider-
    stände daraus, aber sehr milde, denn ich 
    bin gut aufgelegt.

    Hitze kann ich mir gegenwärtig nicht gut 
    vorstellen. Es ist hier kalt, es regnet 
    mehrmals im Tag, es bläst ein arger Wind 
    von der See, doch baden wir täglich u sind 
    im Haag sehr behaglich. Meine Jungen be-
    nehmen sich sehr anständig u sind bereits 
    gute Gesellschaft.

    Antwerpen ist nur 3 St von Haag resp. Leiden 
    Vielleicht holen Sie mich also einen Tag zuvor 
    von Noordwijk ab, oder wir treffen uns 
    erst in Antwerpen.

    Mit herzl Grüßen u in Erwartung Ihrer 
    baldigen Antwort 
    Ihr treu ergebener 
    Freud

    P.S. Bis Sonntag, 31., hier 
    dann Noordwijk, H. Noordzee.