• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

     23.3.09

    Lieber Herr Doktor

    Gleichzeitig mit Ihrem Brief traf ein Schreiben 
    Jung’s ein, das seine Ankunft in Wien für 
    Donnerstag abend ankündigt. Ich wiederhole also 
    meine Einladung an Sie, die nicht strenge an 
    den Sonntag geknüpft ist.

    Ihre Arbeit werden wir im kleinen Comité 
    würdigen. Sie muß die notwendige Fortsetzg 
    der vorigen sein u wird sich wiederum mit 
    dem entsprechenden Stück meiner „Methodik, 
     hoffe ich, decken. Außerdem werden wir 
    Amerika‑Conferenz abhalten. Mein Bruder 
    reist sehr wahrscheinlich nicht mit, weil in seinem 
    Beruf jetzt volle Gärung herrscht. Die 
    Reise über Patras mit der Austro.Amerikana 
    würde mir sehr gut passen, aber das Schiff geht 
    am 21 Aug, braucht angeblich 14 Tage u wir 
    sind in Gefahr, durch irgendeinen Zufall 
    zu spät zu kom̄en.

    Das Jahrbuch scheint auch mir eine glänzende 
    Leistung zu sein. Es ist nebenbei eine 
    Inkarnation u hält nun seinerseits die 
    Sache zusam̄en. Ich werde Jung zu Deuticke 
    bringen, so daß er freie Hand mit der 
    Erweiterung des geplanten Rahmens bekom̄t.

  • S.

    Von unserem kleinen Congreß in den 
    nächsten Tagen erwarte ich mir die 
    Hebung der Stim̄ung, die man doch 
    von Zeit zu Zeit braucht, nachdem 
    sie unter Unwolsein u Überarbeit 
    gelitten hat.

    Ich grüße Sie herzlich
    Ihr Freud 

    Anmerkungen aus: Brabant, Eva; Falzeder, Ernst; Giamperi-Deutsch, Patrizia (Hg.): Sigmund Freud / Sandor Ferenczi Briefwechsel. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1993-2005. 1993 in Band I/1 (1908 –1911)

    Jung und seine Frau trafen wie angekündigt am 25. ein und blieben bis zum 30.3.1909 in Wien. Ferenczis Osterbesuch kam jedoch offenbar nicht zustande.

        2    Vgl. 48 Fer und Anm. 1.

        3    Des ersten Teils von ›Introjektion und Übertragung‹: "Die Introjektion in der Neurose".

        4    Franz Deuticke (1850-1919) war bereits Verleger von Freuds Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre, der Schriften zur angewandten Seelenkunde (vom Verleger Hugo Heller ab Heft 3 übernommen) und des Jahrbuchs. Freud und Jung verhandelten mit ihm in der Folge über die Umwandlung des Jahrbuchs in ein zweimonatliches Journal und über die Herausgabe zusätzlicher Periodika (Freud/Jung, 12.4.1910, Briefwechsel, S. 337f.).