• S.

    6. 2. 1933

    Dear Brill

    Ein Brief von Ihnen ist
    mir jedesmal ein Genuß.
    Sie erinnern sich, es gab
    eine Zeit, da ich mit
    Ihnen unzufrieden war
    und es Ihnen übel
    nahm, daß Sie nicht die
    Rolle eines Führers
    spielen wollten. Nun
    sind Sie der Führer in
    Amerika geworden, sind
    unentbehrlich und uner-
    setzlich. Es wäre der
    härteste Schlag für unsere
    Sache, wenn Sie sich durch
    all die dummen Schwier-
    igkeiten bewegen
    ließen, den Platz zu
    räumen. Zum Glück
    sind Sie ja besonders
    befähigt, mit den
    närrischen Menschlein
    fertig zu werden.

    Auf einen Punkt
    meines Briefes haben 

  • S.

    Sie nicht geantwortet, auf die
    Frage, wie ich mich zu den
    Werbungen des Quarterly
    verhalten soll. Von Ferenczi
    hören auch wir nur selten
    und dann oberflächliche Äuß-
    erungen. Seine Gesundheit
    soll wieder hergestellt
    sein; ich glaube nicht, daß
    er von seinem Irrweg
    zurückfinden wird. Sadger
    hat wahrscheinlich nicht viel
    gegen mich, er will sich
    an der Wiener Gruppe
    rächen. In seinen Indiskret-
    ionen setzt er den Weg
    fort, den ihm sein Neffe
    Wittels gezeigt hat.

    Die schwärzeste Wolke
    am Horizont ist die
    Situation in Deutschland.
    Seit Hitler Reichskanzler
    geworden ist, haben
    alle Bestellungen der
    deutschen Buchhändler
    beim Verlag aufge-
    hört. Bleibt das so,
    und man kann nicht
    wissen, zu welchen Ver-

  • S.

    boten es in Deutschland kom-
    men wird, so muß der Ver-
    lag zu Grunde gehen, zwar
    ehrenvoll, aber schmerzlich.
    Martin macht sich große
    Sorgen.

    Noch in anderer Hinsicht bin
    ich jetzt persönlich an der
    Politik interessirt. Es
    fragt sich, ob mein Mit-
    arbeiter am Buch über
    Wilson, William C. Bullitt,
    wirklich vom neuen Prae-
    sidenten zu einer ein-
    flußreichen Stellung be-
    fördert wird. Davon
    hängt dann das baldige
    Erscheinen unseres
    Buches ab. B. hat viele
    Feinde und Roosevelt
    wird sich vielleicht ein-
    schüchtern lassen.
    Noch in diesem Monat
    wird meine Diskussion
    mit Einstein unter dem
    Titel „Warum Krieg?“
    veröffentlicht werden.

  • S.

    Was Sie von Ihren beiden
    Kindern schreiben, ist sehr
    erfreulich. Scheinbar tele-
    pathische Erfahrungen, wie
    die Sie berichten, sind recht
    häufig, bedürfen in jedem
    Fall der strengsten Kritik,
    die Sie bei jener Patientin
    auch nicht versäumt haben.
    Man sollte alles Ähnliche
    sammeln.

    Ich bin nie ganz wol, aber
    doch im Ganzen noch er-
    träglich beisammen. Ich
    möchte in jedem Jahr, das
    mir noch bleibt, einen
    Besuch wie den Ihren
    in Poetzleinsdorf wieder
    haben. Anna arbeitet viel,
    selbständig und erfolgreich.

    Mit herzlichen Grüßen
    für Sie mit Frau und
    Kindern
    Ihr
    Freud