• S.

    31. 1. 1932

    Dear Brill

    Ihr heutiger Brief, der mir $ 1000
    für mein Schmerzenskind, den Verlag,
    zusagt, hat mich außerordentlich erfreut.
    Es ist schön erfahren zu haben, daß
    man nicht vergeblich mit Ihnen rechnet.
    Ich will Ihnen nun die Lage eingehend
    schildern und Sie alles wissen lassen,
    was geschehen ist in der Erwartung,
    daß Sie Ihr Wissen für sich behalten
    und mich weiterhin unterstützen
    werden in einer Sache, die mir
    für die ΨA in Europa lebenswichtig
    scheint.

    Der Verlag wurde noch während des
    Kriegs gegründet durch eine Spende
    des Dr Anton v. Freund (Bpest), die
    damals $ 75000 gleich kam. Wir wußten,
    daß wir von ihm noch mehr zu er-
    warten hatten, und fühlten uns sicher.
    Aber Freund starb 1920, eben 40 J alt,
    und unsere Kronen wurden, wie
    Sie wissen, wertlos. Rank war ein
    ausgezeichneter Geschäftsführer und
    intellektueller Leiter, wie er
    ja alles gut gemacht hat, was er unter-
    nahm. Als er vor 10 Jahren die
    Leitung an A. J. Storfer abgab,
    setzten bald die Schwierigkeiten
    ein. Storfer ist reich an Ideen und
    Kenntnißen, sehr wertvoll als intellekt.
    Leiter, aber ein Narr, Phantast, unver-
    träglich, von Großmannssucht beherrscht;
    unter seiner verschwenderischen Wirt-
    schaft geriet der Verlag in’s größte
    Elend.

  • S.

    Als ich Ihnen kabelte stand er unmittelbar vor
    dem Bankerott, mit dem große Werte
    verloren gewesen wären. Wir hatten
    immer die geheime Hoffnung gehabt,
    daß Eitingon, hinter dem eine reiche
    Weltfirma stand, dieses Äußerste
    vom Verlag abwenden werde. Aber
    der Reichtum der Familie Eitingon
    ist grade jetzt zusam̄engebrochen.
    Es blieb nichts anderes übrig als daß
    ich mit eigenen Opfern eingreife.
    Ich hatte, wie Sie wissen, fast alle Gelder,
    die mir zu wiederholten Malen,
    durch Sammlung zur Verfügung ge-
    stellt worden, in den Verlag
    gesteckt. Er schuldet mir an Honor-
    aren M 86000 = $ 20000, auf die
    natürlich keinen Anspruch erhebe. Ich
    habe nun nicht unbedeutende
    Sum̄en aus Eigenem hergegeben u
    bin bereit, es auch weiter zu
    thun. Beiträge wie der von Ihnen
    und ein gleich großer von einer
    hiesigen Analysandin entlasten
    also streng genom̄en mich selbst,
    da ich doch nicht reich genug bin,
    unbegrenzt zu geben was erforderlich
    ist. $ 2500 die ich als Vorschuß auf
    ein im nächsten Jahr erscheinendes
    Werk erhielt, habe ich dem Ver-
    lag bereits zugewiesen, weitere
    $ 3000 liegen für ihn bereit. Wir
    haben Storfer durch meinen
    geschäftstüchtigen Sohn Martin,
    der Ihnen heute gekabelt hat,
    abgelöst. Storfer bleibt noch einige
    Monate als Redakteur.

  • S.

    Martin meint, wenn er nur die
    Zeit bis zum heurigen Sommer
    übersteht, kann er den Verlag
    am Leben erhalten. Er wird vor
    allem die unsinnige Regie Storfer’s
    herabsetzen, das Lokal gegen ein
    bescheidenes tauschen, Gehalte
    herabsetzen, Angestellte entlassen,
    die Produktion einschränken. Ich
    bin der Überzeugung, daß wir
    hier den Verlag nicht entbehren
    können. Die ganze psa Bewegung
    würde auseinanderfahren, wenn
    sie diesen Mittelpunkt verlöre.
    Darum bringe ich selbst diese
    Opfer und mute sie gern auch
    anderen zu.

    Es wäre mir eine große Beruhigung,
    wenn ich annehmen könnte, daß
    Sie, lieber Brill, sich dauernd in
    irgend einer Form für den Ver-
    lag interessiren, so daß er nicht
    mit meinem Ableben aufgelöst
    werden muss. Die Form dafür
    muß sich finden lassen. Außer
    an Ihnen kann ich noch an Prinzessin
    Marie v. Griechenland (Bonaparte)
    einen solchen Testamentshelfer zu
    finden erwarten. Eitingon leistet
    noch diesmal einen Beitrag
    von M 6000, scheidet aber dann
    durch seine Verarmung aus.
    Ferenczi hat gewiß nicht viel
    u isolirt sich immer mehr.

  • S.

    Zur gleichen Zeit wie an Sie kabelte ich an
    Alexander in Cambridge, der in Beziehungen
    zu den Erben des eben verstorbenen
    Rosenwald steht. Er konnte nichts aus-
    richten u schickte nur $ 200 als Bei-
    trag von sich u meiner lieben Dr
    Irma Putnam in Boston. Aber wenn
    Sie in Amerika die Absicht, den Ver-
    lag zu halten, nicht fallen lassen,
    muß sich einem von Ihnen einmal
    die Gelegenheit bieten, von einem
    reichen Mann einen großen Beitrag
    zu erpressen. Martin denkt auch
    daran, einmal hinüber zu fahren,
    um geschäftliche Beziehungen mit einem
    amerikan. Verleger anzuknüpfen.

    So sehen Sie also, daß Sie mir
    durch Ihre Beteiligung an meiner
    Aufgabe, einen wesentlichen Dienst
    geleistet haben, daß aber diese
    Aufgabe, die meine eigenen
    Kräfte übersteigt, noch nicht ge-
    löst ist. Danken Sie in meinem
    Namen allen Anderen, die
    sich an der Sam̄lung beteiligt
    haben und seien Sie herzlich
    gegrüßt von Ihrem alten
    Freud