• S.

    Tegel  16. 7. 1930.

    Dear Brill

    Dank für Ihren lieben, ausführlichen
    Brief. Ich bin noch immer in Berlin
    zurückgehalten u warte ungeduldig
    darauf, dass meine Prothese soweit
    gut ist, dass ich nach Wien und
    dann nach Grundlsee (in Steiermark)
    reisen kann. Ich habe hier eine
    schwere Zeit durchgemacht.

    In die Angelegenheit Deuticke – Unwin
    menge ich mich nicht weiter; sie
    werden zu irgend einem Abkom̄en
    gelangen. Ich vermute nur, es ist
    Unrecht, dass ich die royalties von
    der Trdeutung annehme. Ich glaube,
    sie gehören Ihnen, es ist nur ein
    Geschenk, wenn Sie an mich
    schicken lassen. Aber ich fürchte
    Ihre Empfindlichkeit u schlage
    Ihnen darum vor, dass wir sie
    teilen. Sollte es möglich sein,
    dass Sie kein Exemplar der 8
    Auflage, die seit Wochen heraus
    ist, erhalten haben? Ich werde
    sofort an Storfer schreiben, um
    mich zu erkundigen.

    Was Sie von den Schwierigkeiten
    mit den Vereinsmitgliedern
    schreiben, klingt nur zu
    glaubwürdig. Es ist immer 

  • S.

    und überall dasselbe. Aber ich glaube, man
    darf es nicht zu schwer nehmen und
    muss aushalten. Alle diese Leute geben
    nach einer Weile wieder Ruhe, meist
    wollten sie nur abreagiren oder
    eine Rolle spielen, ihre eigene
    Bedeutung unterstreichen usw.
    Lässt man sich aber von ihnen ein-
    schüchtern u zieht sich zurück, so
    fällt die Sache zusammen und man
    hat einen dauernden Schaden.
    Wenn Sie z.B. die Führung in N York
    aufgeben, verliert die Gruppe jede
    Fühlung mit uns u dann kann
    man nicht sagen, was aus ihr wird.

    Wir haben doch in den 20 Jahren seit-
    dem Sie mich in NY über die
    Strasse geführt haben, manches
    erreicht.

    Ich hoffe Ihre Tochter befindet sich
    in der Ehe wol. Von Ihrem
    Sohn weiss ich zu wenig.

    Mit herzlichen Grüssen
    Ihr
    Freud