• S.

    26. 1. 1930

    Dear Brill

    Ich sollte mich vor allem entschuldigen,
    daß ich Ihren lieben Brief so lange
    ohne Antwort gelassen. Schuld daran
    trug meine eilige Vorbereitung einer
    achten Auflage der Trdeutung und
    eine gleichzeitige Überflutung mit
    lästiger Korrespondenz. (Sie können
    sich nicht vorstellen, was für nuisance
    das ist. Alles Beiwerk der Berühmtheit
    ohne ihr Wesentliches und Wertvolles.
    Nur Aufforderung zu Vorträgen,
    zu Äußerungen über Dinge, von denen ich
    einen blauen Teufel verstehe, Bitten
    um Photos und Autogramme, Zusendungen
    von meist närrischen Aufsätzen, die
    ich begutachten und womöglich in die
    Öffentlichkeit befördern soll usw)

    Jetzt mahnt mich die letzte Sendung Ihrer
    schönen Arbeiten, die Antwort nicht
    länger aufzuschieben. Ich habe mich für
    alle Ihre Mitteilungen über die
    Eröffnung des Medical Centre, das
    Benehmen von Jones u Bleuler, Anna’s
    Einladung und Feigenbaum’s analytische
    Nummer sehr interessirt, u schulde Ihnen
    dazu einige Aufklärungen. Ich habe
    Anna nicht beeinflußt abzusagen,
    sie that das aus eigenem Antrieb.
    Wahrscheinlich will sie mich nicht für
    längere Zeit allen lassen. Auch
    hat sie überlegt, daß sie hier zuviel
    einbüßt, wenn sie ihre Arbeit 

  • S.

    – doch für etwa 2 Monate – unterbricht. Ich glaube
    auch, daß es für die Sache gut sein wird, daß
    Anna nach NY kom̄t, aber besser zu einem
    späteren Zeitpunkt. Ich bin überzeugt, sie
    wird es thun, wenn ich nicht mehr da bin.

    Auf Frankw. Williams’ Brief an mich, der
    Anna’s Einladung sehr dringlich machte, habe
    ich eine sehr unfreundliche Antwort gegeben.
    Der Brief, Deutsch geschrieben, fehlerlos, schlug
    einen unberechtigt intimen Ton an; ja
    ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren,
    daß Rank ihn selbst verfaßt hatte. Williams
    erinnerte ich darin, daß er als follower
    von Rank kein Recht hat, sich Analytiker
    zu heißen udgl. Ich bin wie Sie sehen,
    des sanften Tones mit den Amerikanern
    satt und mit jedem von ihnen so grob,
    als meinem Herzen wolthut.

    In dem Aufsatz für Feigenbaum wäre ich
    mit jeder Änderung einverstanden
    gewesen. Ich riet dazu, daß er Sie um
    Rat frage.

    Es geht uns hier nicht schlecht. Mein Be-
    finden erlaubt mir, die Wechsel-
    fälle des Lebens mitzumachen und
    im Übrigen erwarte ich mir ja
    nicht viel. Allen, die wie Sie noch
    im vollen trafic stehen, schaue ich
    mit Anteilsnahme zu.

    Mit herzlichen Grüßen u besonderem
    Dank für Anna’s Einladung an
    Mrs Brill
    Ihr
    Freud