Das Unbewußte (Schluß.) 1915-005/1915.4
1915-005/1915.4 Das Unbewußte (Schluß.)
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    SEPARATABDRUCK

    aus der

    INTERNATIONALEN ZEITSCHRIFT FÜR ÄRZTLICHE PSYCHOANALYSE

    herausg. von Prof. S. Freud, redig. von Dr. S. Fereneczi, Dr. O. Rank u. Prof. E. Jones.
    III. Jahrgang 1916. Verlag von Hugo Heller & Co. in Leipzig und Wien, I. Bauernmarkt 3,
    Abonnementspreis ganzjährig M 18.——K 21.60.

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    Das Unbewußte.

    Von Sigm. Freud.
    (Schluß)

    Die besonderen Eigenschaften des Systems Ubw.

    Eine neue Bedeutung erhält die Unterscheidung der beiden psychi-
    schen Systeme, wenn wir darauf aufmerksam werden, daß die Vorgänge 
    des einen Systems, des Ubw, Eigenschaften zeigen, die sich in dem 
    nächst höheren nicht wiederfinden.

    Der Kern des Ubw besteht aus Triebrepräsentanzen, die ihre Be-
    setzung abführen wollen, also aus Wunschregungen. Diese Triebregungen 
    sind einander koordiniert, bestehen unbeeinflußt nebeneinander, wider-
    sprechen einander nicht. Wenn zwei Wunschregungen gleichzeitig akti-
    viert werden, deren Ziele uns unvereinbar erscheinen müssen, so ziehen 
    sich die beiden Regungen nicht etwa voneinander ab oder heben ein-
    ander auf, sondern sie treten zur Bildung eines mittleren Zieles, eines 
    Kompromisses, zusammen.

    Es gibt in diesem System keine Negation, keinen Zweifel, keine 
    Grade von Sicherheit. All dies wird erst durch die Arbeit der Zensur 
    zwischen Ubw und Vbw eingetragen. Die Negation ist ein Ersatz der 
    Verdrängung von höherer Stufe. Im Ubw gibt es nur mehr oder weniger 
    stark besetzte Inhalte.

    Es herrscht eine weit größere Beweglichkeit der Besetzungsinten-
    sitäten. Durch den Prozeß der Verschiebung kann eine Vorstellung 
    den ganzen Betrag ihrer Besetzung an eine andere abgeben, durch den 
    der Verdichtung die ganze Besetzung mehrerer anderer an sich 
    nehmen. Ich habe vorgeschlagen, diese beiden Prozesse als Anzeichen 
    des sogenannten psychischen Primärvorganges anzusehen. Im 
    System Vbw herrscht der Sekundärvorgang;1) wo ein solcher Pri-
    märvorgang sich an Elementen des Systems Vbw abspielen darf, er-
    scheint er „komisch“ und erregt Lachen.

    Die Vorgänge des Systems Ubw sind zeitlos, d. h., sie sind nicht 
    zeitlich geordnet, werden durch die verlaufende Zeit nicht abgeändert, 
    haben überhaupt keine Beziehung zur Zeit. Auch die Zeitbeziehung ist 
    an die Arbeit des Bw-Systems geknüpft.

    1)Siehe die Ausführungen im VII. Abschnitt der Traumdeutung, welche sich
    auf die von J. Breuer in den „Studien über Hysterie“ entwickelten Ideen stützt.

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    Ebensowenig kennen die Ubw‑Vorgänge eine Rücksicht auf die 
    Realität. Sie sind dem Lustprinzip unterworfen; ihr Schicksal hängt 
    nur davon ab, wie stark sie sind, und ob sie die Anforderungen der 
    Lust‑Unlustregulierung erfüllen.

    Fassen wir zusammen: Widerspruchslosigkeit, Primärvorgang 
    (Beweglichkeit der Besetzungen), Zeitlosigkeit und Ersetzung 
    der äußeren Realität durch die psychische sind die 
    Charaktere, die wir an zum System Ubw gehörigen Vorgängen zu finden erwarten dürfen.1)

    Die unbewußten Vorgänge werden für uns nur unter den Bedingungen 
    des Träumens und der Neurosen erkennbar, also dann, wenn Vorgänge 
    des höheren Vbw-Systems durch eine Erniedrigung (Regression) auf eine 
    frühere Stufe zurückversetzt werden. An und für sich sind sie un-
    erkennbar, auch existenzunfähig, weil das System Ubw sehr frühzeitig 
    von dem Vbw überlagert wird, welches den Zugang zum Bewußtsein 
    und zur Motilität an sich gerissen hat. Die Abfuhr des Systems Ubw 
    geht in die Körperinnervation zur Affektentwicklung, aber auch dieser 
    Entladungsweg wird ihm, wie wir gehört haben, vom Vbw streitig ge-
    macht. Für sich allein könnte das Ubw‑System unter normalen Verhält-
    nissen keine zweckmäßige Muskelaktion zu stande bringen, mit Aus-
    nahme jener, die als Reflexe bereits organisiert sind.

    Die volle Bedeutung der beschriebenen Charaktere des Systems Ubw 
    könnte uns erst einleuchten, wenn wir sie den Eigenschaften des Systems 
    Vbw gegenüberstellen und an ihnen messen würden. Allein dies würde 
    uns so weitab führen, daß ich vorschlage, wiederum einen Aufschub gut-
    zuheißen und die Vergleichung der beiden Systeme erst im Anschluß an 
    die Würdigung des höheren Systems vorzunehmen. Nur das Aller-
    dringendste soll schon jetzt seine Erwähnung finden.

    Die Vorgänge des Systems Vbw zeigen – und zwar gleichgültig, 
    ob sie bereits bewußt oder nur bewußtseinsfähig sind – eine Hemmung 
    der Abfuhrneigung von den besetzten Vorstellungen. Wenn der Vorgang 
    von einer Vorstellung auf eine andere übergeht, so hält die erstere einen 
    Teil ihrer Besetzung fest und nur ein kleiner Anteil erfährt die Verschiebung. 
    Verschiebungen und Verdichtungen wie beim Primärvorgang sind aus-
    geschlossen oder sehr eingeschränkt. Dieses Verhältnis hat J. Breuer
    veranlaßt, zwei verschiedene Zustände der Besetzungsenergie im Seelen-
    leben anzunehmen, einen tonisch gebundenen und einen frei beweglichen, 
    der Abfuhr zustrebenden. Ich glaube, daß diese Unterscheidung bis jetzt 
    unsere tiefste Einsicht in das Wesen der nervösen Energie darstellt, und 
    sehe nicht, wie man um sie herumkommen soll. Es wäre ein dringendes 
    Bedürfnis der metapsychologischen Darstellung – vielleicht aber noch ein

    1)Die Erwähnung eines anderen bedeutsamen Vorrechtes des Ubw sparen wir 
    für einen anderen Zusammenhang auf.

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    allzu gewagtes Unternehmen –, an dieser Stelle die Diskussion fortzu-
    führen.

    Dem System Vbw fallen ferner zu die Herstellung einer Verkehrs-
    fähigkeit unter den Vorstellungsinhalten, so daß sie einander beeinflussen 
    können, die zeitliche Anordnung derselben, die Einführung der einen 
    Zensur oder mehrerer Zensuren, die Realitätsprüfung und das Realitäts-
    prinzip. Auch das bewußte Gedächtnis scheint ganz am Vbw zu hängen, 
    es ist scharf von den Erinnerungsspuren zu scheiden, in denen sich die 
    Erlebnisse des Ubw fixieren, und entspricht wahrscheinlich einer be-
    sonderen Niederschrift, wie wir sie für das Verhältnis der bewußten zur 
    unbewußten Vorstellung annehmen wollten, aber bereits verworfen haben. 
    In diesem Zusammenhang werden wir auch die Mittel finden, unserem 
    Schwanken in der Benennung des höheren Systems, das wir jetzt rich-
    tungslos bald Vbw bald Bw heißen, ein Ende zu machen.

    Es wird auch die Warnung am Platze sein, nicht voreilig zu ver-
    allgemeinern, was wir hier über die Verteilung der seelischen Leistungen 
    an die beiden Systeme zutage gefördert haben. Wir beschreiben die 
    Verhältnisse, wie sie sich beim reifen Menschen zeigen, bei dem das 
    System Ubw streng genommen nur als Vorstufe der höheren Organi-
    sation funktioniert. Welchen Inhalt und welche Beziehungen dies System 
    während der individuellen Entwicklung hat,und welche Bedeutung ihm 
    beim Tiere zukommt, das soll nicht aus unserer Beschreibung abgeleitet, 
    sondern selbständig erforscht werden. Wir müssen auch beim Menschen 
    darauf gefaßt sein, etwa krankhafte Bedingungen zu finden, unter denen 
    die beiden Systeme Inhalt wie Charaktere ändern oder selbst miteinander 
    tauschen.

    Der Verkehr der beiden Systeme. Die Abkömmlinge des Ubw.

    Es wäre doch unrecht, sich vorzustellen, daß das Ubw in Ruhe ver-
    bleibt, während die ganze psychische Arbeit vom Vbw geleistet wird, daß 
    das Ubw etwas Abgetanes, ein rudimentäres Organ, ein Residuum der Ent-
    wicklung sei. Oder anzunehmen, daß sich der Verkehr der beiden Systeme 
    auf den Akt der Verdrängung beschränkt, indem das Vbw alles, was ihm 
    störend erscheint, in den Abgrund des Ubw wirft. Das Ubw ist vielmehr 
    lebend, entwicklungsfähig und unterhält eine Anzahl von anderen Be-
    ziehungen zum Vbw, darunter auch die der Kooperation. Man muß zu-
    sammenfassend sagen, das Ubw setzt sich in die sogenannten Abkömm-
    linge fort, es ist den Einwirkungen des Lebens zugänglich, beeinflußt 
    beständig das Vbw und ist seinerseits sogar Beeinflussungen von seiten 
    des Vbw unterworfen.

    Das Studium der Abkömmlinge des Ubw wird unseren Erwartungen 
    einer schematisch reinlichen Scheidung zwischen den beiden psychischen 
    Systemen eine gründliche Enttäuschung bereiten. Das wird gewiß Unzu-
    friedenheit mit unseren Ergebnissen erwecken und wahrscheinlich dazu 
    benützt werden, den Wert unserer Art der Trennung der psychischen

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    Vorgänge in Zweifel zu ziehen. Allein wir werden geltend machen, daß 
    wir keine andere Aufgabe haben, als die Ergebnisse der Beobachtung in 
    Theorie umzusetzen, und die Verpflichtung von uns weisen, auf den ersten 
    Anlauf eine glatte und durch Einfachheit sich empfehlende Theorie zu 
    erreichen. Wir vertreten deren Komplikationen, solange sie sich der 
    Beobachtung adäquat erweisen, und geben die Erwartung nicht auf, 
    gerade durch sie zur endlichen Erkenntnis eines Sachverhaltes geleitet 
    zu werden, der, an sich einfach, den Komplikationen der Realität gerecht 
    werden kann.

    Unter den Abkömmlingen der ubw Triebregungen vom beschriebenen 
    Charakter gibt es welche, die entgegengesetzte Bestimmungen in sich 
    vereinigen. Sie sind einerseits hochorganisiert, widerspruchsfrei, haben 
    allen Erwerb des Systems Bw verwertet und würden sich für unser Urteil 
    von den Bildungen dieses Systems kaum unterscheiden. Anderseits sind 
    sie unbewußt und unfähig, bewußt zu werden. Sie gehören also qualitativ 
    zum System Vbw, faktisch aber zum Ubw. Ihre Herkunft bleibt das für 
    ihr Schicksal Entscheidende. Man muß sie mit den Mischlingen mensch-
    licher Rassen vergleichen, die im großen und ganzen bereits den Weißen 
    gleichen, ihre farbige Abkunft aber durch den einen oder anderen auf-
    fälligen Zug verraten und darum von der Gesellschaft ausgeschlossen 
    bleiben und keines der Vorrechte der Weißen genießen. Solcher Art sind 
    die Phantasiebildungen der Normalen wie der Neurotiker, die wir als 
    Vorstufen der Traum‑ wie der Symptombildung erkannt haben, und die 
    trotz ihrer hohen Organisation verdrängt bleiben und als solche nicht 
    bewußt werden können. Sie kommen nahe ans Bewußtsein heran, bleiben 
    ungestört, solange sie keine intensive Besetzung haben, werden aber 
    zurückgeworfen, sobald sie eine gewisse Höhe der Besetzung überschreiten. 
    Ebensolche höher organisierte Abkömmlinge des Ubw sind die Ersatz-
    bildungen, denen aber der Durchbruch zum Bewußtsein dank einer gün-
    stigen Relation gelingt, wie z. B. durch das Zusammentreffen mit einer 
    Gegenbesetzung des Vbw.

    Wenn wir an anderer Stelle die Bedingungen des Bewußtwerdens 
    eingehender untersuchen, wird uns ein Teil der hier auftauchenden 
    Schwierigkeiten lösbar werden. Hier mag es uns vorteilhaft erscheinen, 
    der bisherigen vom Ubw her aufsteigenden Betrachtung eine vom Bewußt-
    sein ausgehende gegenüberzustellen. Dem Bewußtsein tritt die ganze 
    Summe der psychischen Vorgänge als das Reich des Vorbewußten ent-
    gegen. Ein sehr großer Anteil dieses Vorbewußten stammt aus dem Un-
    bewußten, hat den Charakter der Abkömmlinge desselben und unterliegt 
    einer Zensur, ehe er bewußt werden kann. Ein anderer Anteil des Vbw 
    ist ohne Zensur bewußtseinsfähig. Wir gelangen hier zu einem Wider-
    spruch gegen eine frühere Annahme. In der Betrachtung der Verdrängung 
    wurden wir genötigt, die für das Bewußtwerden entscheidende Zensur

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    zwischen die Systeme Ubw und Vbw zu verlegen. Jetzt wird uns eine 
    Zensur zwischen Vbw und Bw nahegelegt. Wir tun aber gut daran, in 
    dieser Komplikation keine Schwierigkeit zu erblicken, sondern anzu-
    nehmen, daß jedem Übergang von einem System zum nächst höheren, 
    also jedem Fortschritt zu einer höheren Stufe psychischer Organisation 
    eine neue Zensur entspreche. Die Annahme einer fortlaufenden Er-
    neuerung der Niederschriften ist damit allerdings abgetan.

    Der Grund all dieser Schwierigkeiten ist darin zu suchen, daß die 
    Bewußtheit, der einzige uns unmittelbar gegebene Charakter der psychi-
    schen Vorgänge, sich zur Systemunterscheidung in keiner Weise eignet. 
    Abgesehen davon, daß das Bewußte nicht immer bewußt, sondern zeit-
    weilig auch latent ist, hat uns die Beobachtung gezeigt, daß vieles, was 
    die Eigenschaften des Systems Vbw teilt, nicht bewußt wird, und haben 
    wir noch zu erfahren, daß das Bewußtwerden durch gewisse Richtungen 
    seiner Aufmerksamkeit eingeschränkt ist. Das Bewußtsein hat so weder 
    zu den Systemen noch zur Verdrängung ein einfaches Verhältnis. Die 
    Wahrheit ist, daß nicht nur das psychisch Verdrängte dem Bewußtsein 
    fremd bleibt, sondern auch ein Teil der unser Ich beherrschenden Re-
    gungen, also der stärkste funktionelle Gegensatz des Verdrängten. In 
    dem Maße, als wir uns zu einer metapsychologischen Betrachtung des 
    Seelenlebens durchringen wollen, müssen wir lernen, uns von der Be-
    deutung des Symptoms „Bewußtheit“ zu emanzipieren.

    Solange wir noch an diesem haften, sehen wir unsere Allgemein-
    heiten regelmäßig durch Ausnahmen durchbrochen. Wir sehen, daß Ab-
    kömmlinge des Vbw als Ersatzbildungen und als Symptome bewußt 
    werden, in der Regel nach großen Entstellungen gegen das Unbewußte, 
    aber oft mit Erhaltung vieler zur Verdrängung auffordernden Charaktere. 
    Wir finden, daß viele vorbewußte Bildungen unbewußt bleiben, die, sollten 
    wir meinen, ihrer Natur nach sehr wohl bewußt werden dürften. Wahr
    scheinlich macht sich bei ihnen die stärkere Anziehung des Ubw geltend. 
    Wir werden darauf hingewiesen, die bedeutsamere Differenz nicht zwi-
    schen dem Bewußten und dem Vorbewußten, sondern zwischen dem 
    Vorbewußten und dem Unbewußten zu suchen. Das Ubw wird an der 
    Grenze des Vbw durch die Zensur zurückgewiesen, Abkömmlinge des-
    selben können diese Zensur umgehen, sich hoch organisieren, im Vbw 
    bis zu einer gewissen Intensität der Besetzung heranwachsen, werden 
    aber dann, wenn sie diese überschritten haben und sich dem Bewußtsein 
    aufdrängen wollen, als Abkömmlinge des Ubw erkannt und an der neuen 
    Zensurgrenze zwischen Vbw und Bw neuerlich verdrängt. Die erstere 
    Zensur funktioniert so gegen das Ubw selbst, die letztere gegen die vbw 
    Abkömmlinge desselben. Man könnte meinen, die Zensur habe sich im 
    Laufe der individuellen Entwicklung um ein Stück vorgeschoben.

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    In der psychoanalytischen Kur erbringen wir den unanfechtbaren 
    Beweis für die Existenz der zweiten Zensur, der zwischen den Systemen 
    Vbw und Bw. Wir fordern den Kranken auf, reichlich Abkömmlinge des 
    Ubw zu bilden, verpflichten ihn dazu, die Einwendungen der Zensur 
    gegen das Bewußtwerden dieser vorbewußten Bildungen zu überwinden, 
    und bahnen uns durch die Besiegung dieser Zensur den Weg zur Auf-
    hebung der Verdrängung, die das Werk der früheren Zensur ist. Fügen 
    wir noch die Bemerkung an, daß die Existenz der Zensur zwischen Vbw 
    und Bw uns mahnt, das Bewußtwerden sei kein bloßer Wahrnehmungs-
    akt, sondern wahrscheinlich auch eine Überbesetzung, ein weiterer 
    Fortschritt der psychischen Organisation.

    Wenden wir uns zum Verkehr des Ubw mit den anderen Systemen, 
    weniger um Neues festzustellen, als um nicht das Sinnfälligste zu über-
    gehen. An den Wurzeln der Triebtätigkeit kommunizieren die Systeme 
    aufs ausgiebigste miteinander. Ein Anteil der hier erregten Vorgänge geht 
    durch das Ubw wie durch eine Vorbereitungsstufe durch und erreicht 
    die höchste psychische Ausbildung im Bw, ein anderer wird als Ubw 
    zurückgehalten. Das Ubw wird aber auch von den aus der äußeren 
    Wahrnehmung stammenden Erlebnissen getroffen. Alle Wege von der 
    Wahrnehmung zum Ubw bleiben in der Norm frei; erst die vom Ubw 
    weiterführenden Wege unterliegen der Sperrung durch die Verdrängung.

    Es ist sehr bemerkenswert, daß das Ubw eines Menschen mit Um-
    gehung des Bw auf das Ubw eines anderen reagieren kann. Die Tat-
    sache verdient eingehendere Untersuchung, besonders nach der Richtung, 
    ob sich vorbewußte Tätigkeit dabei ausschließen läßt, ist aber als Be-
    schreibung unbestreitbar.

    Der Inhalt des Systems Vbw (oder Bw) entstammt zu einem Teil 
    dem Triebleben (durch Vermittlung des Ubw), zum anderen Teil der 
    Wahrnehmung. Es ist zweifelhaft, inwieweit die Vorgänge dieses Systems 
    eine direkte Einwirkung auf das Ubw äußern können; die Erforschung 
    pathologischer Fälle zeigt oft eine kaum glaubliche Selbständigkeit und 
    Unbeeinflußbarkeit des Ubw. Ein völliges Auseinandergehen der Stre-
    bungen, ein absoluter Zerfall der beiden Systeme, ist überhaupt die Cha-
    rakteristik des Krankseins. Allein die psychoanalytische Kur ist auf die 
    Beeinflussung des Ubw vom Bw her gebaut und zeigt jedenfalls, daß 
    solche, wiewohl mühsam, nicht unmöglich ist. Die zwischen beiden Sy-
    stemen vermittelnden Abkömmlinge des Ubw bahnen uns, wie schon er-
    wähnt, den Weg zu dieser Leistung. Wir dürfen aber wohl annehmen, 
    daß die spontan erfolgende Veränderung des Ubw von Seiten des Bw ein 
    schwieriger und langsam verlaufender Prozeß ist.

    Eine Kooperation zwischen einer vorbewußten und einer un-
    bewußten, selbst intensiv verdrängten Regung kann zu stande kommen, 
    wenn es die Situation ergibt, daß die unbewußte Regung gleichsinnig

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    mit einer der herrschenden Strebungen wirken kann. Die Verdrängung 
    wird für diesen Fall aufgehoben, die verdrängte Aktivität als Verstärkung 
    der vom Ich beabsichtigten zugelassen. Das Unbewußte wird für diese 
    eine Konstellation ichgerecht, ohne daß sonst an seiner Verdrängung 
    etwas abgeändert würde. Der Erfolg des Ubw ist bei dieser Kooperation 
    unverkennbar; die verstärkten Strebungen benehmen sich doch anders als 
    die normalen, sie befähigen zu besonders vollkommener Leistung und 
    sie zeigen gegen Widersprüche eine ähnliche Resistenz wie etwa die 
    Zwangssymptome.

    Den Inhalt des Ubw kann man einer psychischen Urbevölkerung 
    vergleichen. Wenn es beim Menschen ererbte psychische Bildungen, etwas 
    dem Instinkt der Tiere Analoges gibt, so macht dies den Kern des Ubw 
    aus. Dazu kommt später das während der Kindheitsentwicklung als un-
    brauchbar Beseitigte hinzu, was seiner Natur nach von dem Ererbten 
    nicht verschieden zu sein braucht. Eine scharfe und endgültige Scheidung 
    des Inhaltes der beiden Systeme stellt sich in der Regel erst mit dem 
    Zeitpunkte der Pubertät her.

    Die Agnoszierung des Unbewußten.

    Soviel, als wir in den vorstehenden Erörterungen zusammengetragen 
    haben, läßt sich etwa über das Ubw aussagen, solange man nur aus der 
    Kenntnis des Traumlebens und der Übertragungsneurosen schöpft. Es 
    ist gewiß nicht viel, macht stellenweise den Eindruck des Ungeklärten 
    und Verwirrenden und läßt vor allem die Möglichkeit vermissen, das Ubw 
    an einen bereits bekannten Zusammenhang anzuordnen oder es in ihn 
    einzureihen. Erst die Analyse einer der Affektionen, die wir narzißtische 
    Psychoneurosen heißen, verspricht uns Auffassungen zu liefern, durch 
    welche uns das rätselvolle Ubw nähergerückt und gleichsam greifbar 
    gemacht wird.

    Seit einer Arbeit von Abraham (1908), welche der gewissenhafte 
    Autor auf meine Anregung zurückgeführt hat, versuchen wir die De-
    mentia praecox Kraepelins(Schizophrenie Bleulers) durch ihr Ver-
    halten zum Gegensatz von Ich und Objekt zu charakterisieren. Bei den 
    Übertragungsneurosen (Angst‑ und Konversionshysterie, Zwangsneurose) 
    lag nichts vor, was diesen Gegensatz in den Vordergrund gerückt hätte. 
    Man wußte zwar, daß die Versagung des Objekts den Ausbruch der 
    Neurose herbeiführt, und daß die Neurose den Verzicht auf das reale 
    Objekt involviert, auch daß die dem realen Objekt entzogene Libido auf 
    ein phantasiertes Objekt und von da aus auf ein verdrängtes zurück-
    geht (Introversion). Aber die Objektbesetzung überhaupt wird bei ihnen 
    mit großer Energie festgehalten, und die feinere Untersuchung des Ver-
    drängungsvorganges hat uns anzunehmen genötigt, daß die Objekt-
    besetzung im System Ubw trotz der Verdrängung – vielmehr infolge 
    derselben – fortbesteht. Die Fähigkeit zur Übertragung, welche wir bei

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    diesen Affektionen therapeutisch ausnützen, setzt ja die ungestörte Ob-
    jektbesetzung voraus.

    Bei der Schizophrenie hat sich uns dagegen die Annahme auf-
    gedrängt, daß nach dem Prozesse der Verdrängung die abgezogene Libido 
    kein neues Objekt suche, sondern ins Ich zurücktrete, daß also hier die 
    Objektbesetzungen aufgegeben und ein primitiver objektloser Zustand 
    von Narzißmus wieder hergestellt werde. Die Unfähigkeit dieser Patienten 
    zur Übertragung, – soweit der Krankheitsprozeß reicht, – ihre daraus 
    folgende therapeutische Unzugänglichkeit, die ihnen eigentümliche Ab-
    lehnung der Außenwelt, das Auftreten von Zeichen einer Überbesetzung 
    des eigenen Ichs, der Ausgang in völlige Apathie, all diese klinischen 
    Charaktere scheinen zu der Annahme eines Aufgebens der Objekt-
    besetzungen trefflich zu stimmen. Von seiten des Verhältnisses der beiden 
    psychischen Systeme wurde allen Beobachtern auffällig, daß bei der 
    Schizophrenie vieles als bewußt geäußert wird, was wir bei den Über-
    tragungsneurosen erst durch Psychoanalyse im Ubw nachweisen müssen. 
    Aber es gelang zunächst nicht, zwischen der Ich‑Objektbeziehung und 
    den Bewußtseinsrelationen eine verständliche Verknüpfung herzustellen.

    Das Gesuchte scheint sich auf folgendem unvermuteten Wege zu 
    ergeben. Bei den Schizophrenen beobachtet man, zumal in den so lehr-
    reichen Anfangsstadien, eine Anzahl von Veränderungen der Sprache
    von denen einige es verdienen, unter einem bestimmten Gesichtspunkt 
    betrachtet zu werden. Die Ausdrucksweise wird oft Gegenstand einer 
    besonderen Sorgfalt, sie wird „gewählt“, „geziert“. Die Sätze erfahren 
    eine besondere Desorganisation des Aufbaues, durch welche sie uns un-
    verständlich werden, so daß wir die Äußerungen der Kranken für un-
    sinnig halten. Im Inhalt dieser Äußerungen wird oft eine Beziehung zu 
    Körperorganen oder Körperinnervationen in den Vordergrund gerückt. 
    Dem kann man anreihen, daß in solchen Symptomen der Schizophrenie, 
    welche hysterischen oder zwangsneurotischen Ersatzbildungen gleichen, 
    doch die Beziehung zwischen dem Ersatz und dem Verdrängten Eigen-
    tümlichkeiten zeigt, welche uns bei den beiden genannten Neurosen be-
    fremden würden.

    Herr Dr. V. Tausk (Wien) hat mir einige seiner Beobachtungen 
    bei beginnender Schizophrenie zur Verfügung gestellt, die durch den 
    Vorzug ausgezeichnet sind, daß die Kranke selbst noch die Aufklärung 
    ihrer Reden geben wollte. Ich will nun an zweien seiner Beispiele zeigen, 
    welche Auffassung ich zu vertreten beabsichtige, zweifle übrigens nicht 
    daran, daß es jedem Beobachter leicht sein würde, solches Material 
    in Fülle vorzubringen.

    Eine der Kranken Tausks, ein Mädchen, das nach einem Zwist 
    mit ihrem Geliebten auf die Klinik gebracht wurde, klagt:

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    Die Augen sind nicht richtig, sie sind verdreht. Das 
    erläutert sie selbst, indem sie in geordneter Sprache eine Reihe von 
    Vorwürfen gegen den Geliebten vorbringt. „Sie kann ihn gar nicht ver-
    stehen, er sieht jedesmal anders aus, er ist ein Heuchler, ein Augenverdreher
    er hat ihr die Augen verdreht, jetzt hat sie verdrehte 
    Augen, es sind nicht mehr ihre Augen, sie sieht die Welt jetzt mit 
    anderen Augen.“

    Die Äußerungen der Kranken zu ihrer unverständlichen Rede haben 
    den Wert einer Analyse, da sie deren Äquivalent in allgemein verständ-
    licher Ausdrucksweise enthalten; sie geben gleichzeitig Aufschluß über 
    Bedeutung und über Genese der schizophrenen Wortbildung. In Überein-
    stimmung mit Tausk hebe ich aus diesem Beispiel hervor, daß die 
    Beziehung zum Organ (zum Auge) sich zur Vertretung des ganzen In-
    haltes aufgeworfen hat. Die schizophrene Rede hat hier einen hypochon-
    drischen Zug, sie ist Organsprache geworden.

    Eine zweite Mitteilung derselben Kranken: „Sie steht in der Kirche, 
    plötzlich gibt es ihr einen Ruck, sie muß sich anders stellen, als 
    stellte sie jemand, als würde sie gestellt.“

    Dazu die Analyse durch eine neue Reihe von Vorwürfen gegen den 
    Geliebten, „der ordinär ist, der sie, die vom Hause aus fein war, auch 
    ordinär gemacht hat. Er hat sie sich ähnlich gemacht, indem er sie 
    glauben machte, er sei ihr überlegen; nun sei sie so geworden, wie er 
    ist, weil sie glaubte, sie werde besser sein, wenn sie ihm gleich werde. 
    Er hat sich verstellt, sie ist jetzt so wie er (Identifizierung!), er hat 
    sie verstellt.“

    Die Bewegung „des sich anders Stellen“, bemerkt Tausk, ist eine 
    Darstellung des Wortes „verstellen“ und der Identifizierung mit dem Ge-
    liebten. Ich hebe wiederum die Prävalenz jenes Elements des ganzen 
    Gedankenganges hervor, welches eine körperliche Innervation (vielmehr 
    deren Empfindung) zum Inhalt hat. Eine Hysterika hätte übrigens im 
    ersten Falle krampfhaft die Augen verdreht, im zweiten den Ruck wirk-
    lich ausgeführt, anstatt den Impuls dazu oder die Sensation davon zu 
    verspüren, und in beiden Fällen hätte sie keinen bewußten Gedanken 
    dabei gehabt und wäre auch nachträglich nicht im stande gewesen, solche 
    zu äußern.

    Soweit zeugen diese beiden Beobachtungen für das, was wir hypo-
    chondrische oder Organsprache genannt haben. Sie mahnen aber auch, 
    was uns wichtiger erscheint, an einen anderen Sachverhalt, der sich be-
    liebig oft z. B. an den in BleulersMonographie gesammelten Bei-
    spielen nachweisen und in eine bestimmte Formel fassen läßt. Bei der 
    Schizophrenie werden die Worte demselben Prozeß unterworfen, der 
    aus den latenten Traumgedanken die Traumbilder macht, den wir den 
    psychischen Primärvorgang geheißen haben. Sie werden verdichtet

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    und übertragen einander ihre Besetzungen restlos durch Ver-
    schiebung; der Prozeß kann so weit gehen, daß ein einziges, durch mehr-
    fache Beziehungen dazu geeignetes Wort die Vertretung einer ganzen 
    Gedankenkette übernimmt. Die Arbeiten von Bleuler, Jung und ihren 
    Schülern haben gerade für diese Behauptung reichliches Material er-
    geben.1)

    Ehe wir aus solchen Eindrücken einen Schluß ziehen, wollen wir 
    noch der feinen, aber doch befremdlich wirkenden Unterschiede zwischen 
    der schizophrenen und der hysterischen und zwangsneurotischen Ersatz-
    bildung gedenken. Ein Patient, den ich gegenwärtig beobachte, läßt 
    sich durch den schlechten Zustand seiner Gesichtshaut von allen Inter-
    essen des Lebens abziehen. Er behauptet, Mitesser zu haben und tiefe 
    Löcher im Gesicht, die ihm jedermann ansieht. Die Analyse weist nach, 
    daß er seinen Kastrationskomplex an seiner Haut abspielt. Er beschäftigte 
    sich zunächst reuelos mit seinen Mitessern, deren Ausdrücken ihm große 
    Befriedigung bereitete, weil dabei etwas herausspritzte, wie er sagt. 
    Dann begann er zu glauben, daß überall dort, wo er einen Komedo be-
    seitigt hatte, eine tiefe Grube entstanden sei, und er machte sich die 
    heftigsten Vorwürfe, durch sein „beständiges Herumarbeiten mit der 
    Hand“ seine Haut für alle Zeiten verdorben zu haben. Es ist evident, 
    daß ihm das Auspressen des Inhaltes der Mitesser ein Ersatz für die 
    Onanie ist. Die Grube, die darauf durch seine Schuld entsteht, ist das 
    weibliche Genitale, d. h. die Erfüllung der durch die Onanie provozierten 
    Kastrationsdrohung (resp. der sie vertretenden Phantasie). Diese Ersatz-
    bildung hat trotz ihres hypochondrischen Charakters viel Ähnlichkeit 
    mit einer hysterischen Konversion, und doch wird man das Gefühl haben, 
    daß hier etwas anderes vorgehen müsse, daß man solche Ersatzbildung 
    einer Hysterie nicht zutrauen dürfe, noch ehe man sagen kann, worin 
    die Verschiedenheit begründet ist. Ein winziges Grübchen wie eine Haut-
    pore wird ein Hysteriker kaum zum Symbol der Vagina nehmen, die 
    er sonst mit allen möglichen Gegenständen vergleicht, welche einen 
    Hohlraum umschließen. Auch meinen wir, daß die Vielheit der Grübchen 
    ihn abhalten wird, sie als Ersatz für das weibliche Genitale zu ver-
    wenden. Ähnliches gilt für einen jugendlichen Patienten, über den 
    Tausk vor Jahren der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft berichtet 
    hat. Er benahm sich sonst ganz wie ein Zwangsneurotiker, verbrauchte 
    Stunden für seine Toilette u. dgl. Es war aber an ihm auffällig, daß er 
    widerstandslos die Bedeutung seiner Hemmungen mitteilen konnte. Beim 
    Anziehen der Strümpfe störte ihn z. B. die Idee, daß er die Maschen 
    des Gewebes, also Löcher, auseinanderziehen müsse, und jedes Loch war 
    ihm Symbol der weiblichen Geschlechtsöffnung. Auch dies ist einem

    4)Gelegentlich behandelt die Traumarbeit die Worte wie die Dinge und schafft 
    dann sehr ähnliche „schizophrene“ Reden oder Wortneubildungen.

  • S.

    267

    Zwangsnenicht zuzutrauen; ein solcher, aus der Beobachtung 
    von R. Reitler, der am gleichen Verweilen beim Strumpfanziehen litt, 
    fand nach Überwindung der Widerstände die Erklärung, daß der Fuß 
    ein Penissymbol sei, das Überziehen des Strumpfes ein onanistischer Akt, 
    und er mußte den Strumpf fortgesetzt an‑ und ausziehen, zum Teil, um 
    das Bild der Onanie zu vervollkommnen, zum Teil, um sie ungeschehen 
    zu machen.

    Fragen wir uns, was der schizophrenen Ersatzbildung und dem 
    Symptom den befremdlichen Charakter verleiht, so erfassen wir endlich, 
    daß es das Überwiegen der Wortbeziehung über die Sachbeziehung ist. 
    Zwischen dem Ausdrücken eines Mitessers und einer Ejakulation aus dem 
    Penis besteht eine recht geringe Sachähnlichkeit, eine noch geringere 
    zwischen den unzähligen seichten Hautporen und der Vagina; aber im ersten 
    Falle spritzt beide Male etwas heraus, und für den zweiten gilt wörtlich 
    der zynische Satz: Loch ist Loch. Die Gleichheit des sprachlichen Aus-
    drucks, nicht die Ähnlichkeit der bezeichneten Dinge, hat den Ersatz 
    vorgeschrieben. Wo die beiden – Wort und Ding – sich nicht decken, 
    weicht die schizophrene Ersatzbildung von der bei den Übertragungs-
    neurosen ab.

    Setzen wir diese Einsicht mit der Annahme zusammen, daß bei der 
    Schizophrenie die Objektbesetzungen aufgegeben werden. Wir müssen 
    dann modifizieren: die Besetzung der Wortvorstellungen der Objekte wird 
    festgehalten. Was wir die bewußte Objektvorstellung heißen durften, zer-
    legt sich uns jetzt in die Wortvorstellung und in die Sachvorstellung
    die in der Besetzung, wenn nicht der direkten Sacherinnerungs-
    bilder, doch entfernterer und von ihnen abgeleiteter Erinnerungsspuren 
    besteht. Mit einem Male glauben wir nun zu wissen, wodurch sich eine 
    bewußte Vorstellung von einer unbewußten unterscheidet. Die beiden 
    sind nicht, wie wir gemeint haben, verschiedene Niederschriften desselben 
    Inhaltes an verschiedenen psychischen Orten, auch nicht verschiedene 
    funktionelle Besetzungszustände an demselben Orte, sondern die bewußte 
    Vorstellung umfaßt die Sachvorstellung plus der zugehörigen Wort-
    vorstellung, die unbewußte ist die Sachvorstellung allein. Das System Ubw 
    enthält die Sachbesetzungen der Objekte, die ersten und eigentlichen 
    Objektbesetzungen; das System Vbw entsteht, indem diese Sachvorstellung 
    durch die Verknüpfung mit den ihr entsprechenden Wortvorstellungen 
    überbesetzt wird. Solche Überbesetzungen, können wir vermuten, sind es, 
    welche eine höhere psychische Organisation herbeiführen und die Ab-
    lösung des Primärvorganges durch den im Vbw herrschenden Sekundär-
    vorgang ermöglichen. Wir können jetzt auch präzise ausdrücken, was 
    die Verdrängung bei den Übertragungsneurosen der zurückgewiesenen 
    Vorstellung verweigert: Die Übersetzung in Worte, welche mit dem 
    Objekt verknüpft bleiben sollen. Die nicht in Worte gefaßte Vorstellung

  • S.

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    oder der nicht überbesetzte psychische Akt bleibt dann im Ubw als ver-
    drängt zurück.

    Ich darf darauf aufmerksam machen, wie frühzeitig wir bereits die 
    Einsicht besessen haben, die uns heute einen der auffälligsten Charaktere 
    der Schizophrenie verständlich macht. Auf den letzten Seiten der 1900 
    veröffentlichten „Traumdeutung“ ist ausgeführt, daß die Denkvorgänge, 
    d. i. die von den Wahrnehmungen entfernteren Besetzungsakte, an sich 
    qualitätslos und unbewußt sind und ihre Fähigkeit, bewußt zu werden, 
    nur durch die Verknüpfung mit den Resten der Wortwahrnehmungen 
    erlangen. Die Wortvorstellungen entstammen ihrerseits der Sinneswahr-
    nehmung in gleicher Weise wie die Sachvorstellungen, so daß man die 
    Frage aufwerfen könnte, warum die Objektvorstellungen nicht mittels 
    ihrer eigenen Wahrnehmungsreste bewußt werden können. Aber wahr-
    scheinlich geht das Denken in Systemen vor sich, die von den ursprüng-
    lichen Wahrnehmungsresten so weit entfernt sind, daß sie von deren 
    Qualitäten nichts mehr erhalten haben und zum Bewußtwerden einer Ver-
    stärkung durch neue Qualitäten bedürfen. Außerdem können durch die 
    Verknüpfung mit Worten auch solche Besetzungen mit Qualität versehen 
    werden, die aus den Wahrnehmungen selbst keine Qualität mitbringen 
    konnten, weil sie bloß Relationen zwischen den Objektvorstellungen ent-
    sprechen. Solche erst durch Worte faßbar gewordene Relationen sind 
    ein Hauptbestandteil unserer Denkvorgänge. Wir verstehen, daß die Ver-
    knüpfung mit Wortvorstellungen noch nicht mit dem Bewußtwerden zu-
    sammenfällt, sondern bloß die Möglichkeit dazu gibt, daß sie also kein 
    anderes System als das des Vbw charakterisiert. Nun merken wir aber, 
    daß wir mit diesen Erörterungen unser eigentliches Thema verlassen und 
    mitten in die Probleme des Vorbewußten und Bewußten geraten, die wir 
    zweckmäßigerweise einer gesonderten Behandlung vorbehalten.

    Bei der Schizophrenie, die wir ja hier auch nur so weit berühren, 
    als uns zur allgemeinen Erkennung des Ubw unerläßlich scheint, muß 
    uns der Zweifel auftauchen, ob der hier Verdrängung genannte Vorgang 
    überhaupt noch etwas mit der Verdrängung bei den Übertragungsneurosen 
    gemein hat. Die Formel, die Verdrängung sei ein Vorgang zwischen dem 
    System Ubw und dem Vbw (oder Bw) mit dem Erfolg der Fernhaltung 
    vom Bewußtsein, bedarf jedenfalls einer Abänderung, um den Fall der 
    Dementia praecox und anderer narzißtischer Affektionen miteinschließen 
    zu können. Aber der Fluchtversuch des Ichs, der sich in der Abziehung 
    der bewußten Besetzung äußert, bleibt immerhin als das Gemeinsame be-
    stehen. Um wie vieles gründlicher und tiefgreifender dieser Fluchtversuch, 
    diese Flucht des Ichs bei den narzißtischen Neurosen ins Werk gesetzt 
    wird, lehrt die oberflächlichste Überlegung.

    Wenn diese Flucht bei der Schizophrenie in der Einziehung der 
    Triebbesetzung von den Stellen besteht, welche die unbewußte Objektvorstellung

  • S.

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    repräsentieren, so mag es befremdlich erscheinen, daß der 
    dem System Vbw angehörige Teil derselben Objektvorstellung – die ihr 
    entsprechenden Wortvorstellungen – vielmehr eine intensivere Besetzung 
    erfahren sollen. Man könnte eher erwarten, daß die Wortvorstellung als 
    der vorbewußte Anteil den ersten Stoß der Verdrängung auszuhalten hat, 
    und daß sie ganz und gar unbesetzbar wird, nachdem sich die Ver-
    drängung bis zu den unbewußten Sachvorstellungen fortgesetzt hat. Dies 
    ist allerdings eine Schwierigkeit des Verständnisses. Es ergibt sich die 
    Auskunft, daß die Besetzung der Wortvorstellung nicht zum Verdrängungs-
    akt gehört, sondern den ersten der Herstellungs‑ oder Heilungsversuche 
    darstellt, welche das klinische Bild der Schizophrenie so auffällig be-
    herrschen. Diese Bemühungen wollen die verlorenen Objekte wieder-
    bekommen, und es mag wohl sein, daß sie in dieser Absicht den Weg 
    zum Objekt über den Wortanteil desselben einschlagen, wobei sie sich 
    aber dann mit den Worten an Stelle der Dinge begnügen müssen. Unsere 
    seelische Tätigkeit bewegt sich ja ganz allgemein in zwei entgegen-
    gesetzten Verlaufsrichtungen, entweder von den Trieben her durch das 
    System Ubw zur bewußten Denkarbeit, oder auf Anregung von außen 
    durch das System des Bw und Vbw bis zu den ubw Besetzungen des 
    Ichs und der Objekte. Dieser zweite Weg muß trotz der vorgefallenen 
    Verdrängung passierbar bleiben und steht den Bemühungen der Neurose, 
    ihre Objekte wieder zu gewinnen, ein Stück weit offen. Wenn wir ab-
    strakt denken, sind wir in Gefahr, die Beziehungen der Worte zu den 
    unbewußten Sachvorstellungen zu vernachlässigen, und es ist nicht zu 
    leugnen, daß unser Philosophieren dann eine unerwünschte Ähnlichkeit 
    in Ausdruck und Inhalt mit der Arbeitsweise der Schizophrenen gewinnt. 
    Anderseits kann man von der Denkweise der Schizophrenen die Cha-
    rakteristik versuchen, sie behandeln konkrete Dinge, als ob sie abstrakte 
    wären.

    Wenn wir wirklich das Ubw agnosziert und den Unterschied einer 
    unbewußten Vorstellung von einer vorbewußten richtig bestimmt haben, 
    so werden unsere Untersuchungen von vielen anderen Stellen her zu 
    dieser Einsicht zurückführen müssen.