Die Verdrängung 1915-004/1922
1915-004/1922 Die Verdrängung
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  • S.

    xvn. _
    DIE VERDRÄNGUNG.‘J

    Es kann das Schicksal einer Tricbregung werden, daß
    ie auf .Widcrständc stößt, welche sie unwirksam machen
    wollen. Unter Bedingungen, deren nähch Untersuchung uns
    bevor-steht, gelangt sie dann in den Zustand der Verdrän—
    ung. Handelte es sich um die Wirkung eines äußeren
    1\eizes‚ so wäre offenbar die Flucht das geeignete Mittel.
    Im Falle des Triobes kann die Flucht nichts nützen, denn
    das Ich kann sich nicht selbst entfliohnn. Spiitrr einmal wird
    in der Urteilsvcrwcrfung (Verurteilung) ein gutes Mith
    gegen die Triebregung gefunden werden, Eine Vorstufe der
    Verurteilung, ein Mil‚uclding zwischen Flucht und Verurtei-
    lung ist: die Verdrängung, deren Begriff in der Zeit vor den
    psychoanalytischcix Studien nicht aufgestellt werden konnte.
    Die Möglichkeit einer Verdrängung ist theoretisch nicht
    ‚leicht. abzuleiten. Warum sollte eine Triebregung einem sol-
    chen Schicksal verfallen? Offenbar muß hier die Bedingung
    erfüllt sein, daß die Erreichung des Trivl>zielcs Unlnst an
    Stelle von Lust bereitet Aber dieser Fall ist nicht gut denk-
    ' bar. Solche Triebe gibt es nicht, eine Triebbefriedjgung ist
    immer IustvolL Es müßten besondere Verhältnisse anzu-
    nehmen sein‚_ irgend ein Vorgang, durch den die Befriedigungs-
    lnst in Unlust verwandelt wirtL
    ‘ Wir können zur besseren Abgrenzung der Verdrängung
    äini e andere Triebsituntionen in Erörterung ziehen. Es kann

    ' *) Intern. Zeitschr. für iin“. Psyclluu.unlyse‚ III, 1915.

  • S.

    sunnmn mm unu1iosnnnsnun, 1v,

    vorkommen, daß sich ein äußerer Reiz, z. B. dadurch7 daß
    er ein Organ anätzt nnd zerstört, verinner'licht und so eine

    neuerQuelle beständigcr Erregung und Spennungsvcrmuhrung
    ergibt, Er erwirbt damit eine weitgehende Ähnlichkeit mit

    einem Trieb. Wir wissen, daß wir diesen Fall als Schmerz

    empfinden. Das Ziel dieses Pseudotriebes ist aber nur das

    Aufl16ren der Organveränderung und der mit ihr verbundenen

    Unlust. Andere, direkte Lust kann aus dem Aufhöreu des

    Schmerzes nicht gewonnen werden. 'Der Schmerz ist mich

    imperativ; er unterliegt nur noch 'der Einwirkung einnr toxi-

    schen Aufhebung uiid der Beeinflussung durch pss chisclm

    Ablenkung.

    Der Fall des Schmerzes ist zu wenig durchsichtig. um
    etwas für unsere Absicht zu leisten. Nehmen wir den F all,
    daß ein Triebreiz wie der\ Hunger ‘unbefriedigt. bleibt. Er'
    wird dann imperativ, ist durch nichts anderes als durch die
    Befriedigungsaktion zu beschwichtigen, unterhält eine be-
    ständige Bediirfnisspannung. Etwas wie _eine Verdrängung
    scheint hier auf lange hinaus nicht in Betracht zu kom1nem

    'Der Fall der Verdrängung ist also gewiß nicht gegeben,
    ‚wenn die Spannung infolge von Unbele'iedigung einer Trieb;
    mgung unerträglich groß wird. Was dein Organismus an

    — Abwehrmitteln.gegen‘ diese Situation gegeben ist, muß in
    anderem Zuea.linnenhang erörtert werden.’

    Halten wir uns lieber anime klinische Erfahrung. wie
    sie uns in» der psychoam1yfisc‘hefi‘ Praxis cntgegentritt. Dann
    werden wir belehrt‚ daß die Befriedigung des der Vn1d.rä.n-'
    gung unterliegenden' Triebes wohl möglich und daß sie auch
    jedesmal an sich lustvoll wäre, aber sie wäre mit anderen
    Ansprüchen und Vorsätz‘en unvereinbar; sie würde also Lust
    an der einen, Unlust an anderer Stelle erzeugen. Zur Bedin-

  • S.

    xv1L DIE VERDKÄNGUNG. 281

    ir werden ferner durch die psychoanalytischn Erfahrung
    lden Ubertragnngsneuroscn zu dem Schluß genötigc, daß
    10% Verdrängung kein ursprünglich vorhandener Abwehr-

    ßeelentä‚tigkeit hergestellt hat, und daß ihr Wesen nur
    n der Abweisung und Fornl1nltnng vom llewußnen

    die Annahme ergänzt werden, daß vor solcher Stufe der see»
    lis'chen Organisation die anderen Triebschicksale, wie die
    Verwandlung ins Gegenteil, (lie Wendung gegen (lie eigene
    Person die Aufgabe der Abwehr von 'l'riebregnngen bewältigen.
    Wir meinen jetzt auch. Verdrängung und Unbewußues
    asian in so graßem Ausmaße ker-relativ, (laß wir die Ver-
    tiefung in das Wesen der Verdrängung aufschiehen müssen,
    bis wir mehr von dem Aufbau des psychischen Instanzen-
    zu_ges' und der Differenzierung von Unbnwußt und Pewußc
    erfahren haben Vol‘he1 können wir nur noch einige klinisch
    erkannte Charakturn der \crllrlingnng in rein dcskripfivcr
    Weise zusammenstellvn auf die Gefahr hin, vieles anderwärts
    Gesagte ungeämlerl, zu uiederholen.
    ' Wir haben also Grund, eine Urverdrä.ngung anzu-
    nehmen, eine erste Phase dcr Verdrängung, die darin be-
    steht, daß der psychischen (\'nrstellnngs—) Repräsentanz des
    Triebes die Übernahme ins Beuußte versagt wird, Mit dieser
    isQ eine Fixierung gegeben; die betreffende Repräsentanz
    bleibt von da an unveränderlich bestehen und. der Trieb an
    sie gebunden. Dies geschieht infolge der später zu bespre-
    ehenden Eigenschaften unhewußrcr Vorgänge.

  • S.

    232 ‘ scanrrreu zuu NEUROSENLEERE. 1v.

    & Die zweite Stufe der Verdrängung, die eigentliche
    Verdrängung, betiifft psychische Abkömmiinge der ver—
    dränan Repräsentanz, oder solche Gedankenzüge, die, an-
    derswqher. stammend, in aseozietive Beziehung zu ihr ge—
    raten sind. Wegen dieser Beziehung erfahren diese Vorstel-
    lungen rlzisselbe Schicksal wie das Urverdrängte, Die eigent—
    liche Verdrängung ist also ein Nauhdrängen. Man mc übri-
    gens unrecht, wenn man nur die Äbstoßung‘ hervorhebt. die
    vom Bewußten her auf das zu Verdrängende—Wirkt. Es kommt
    ebensosehr die Anziehung in Betracht, welche das Urvet-
    drängte auf alles ausübt, worüit es sich in Verbindung setzen
    kann. Wahrscheinlich würde die Verdrängungstendenz ihre
    Absicht nicht erreichen, wenn diese Kräfte nicht zusammen—
    wirkten, wenn es nicht ein vorher Verdrängtes gäbe, welches
    das vom Bewußten Abgesboßene aufzunehmen bereit wäre,

    Unter dem Einfluß des Studiums der.l’sychoneurosen‚
    Welches uns die bedeutsamen Wirkungen der Verdrängung
    vorführt, werden wir geneigt, deren psychologischen Inhalt
    ‚zu übersohätzen, und vergessen zu leicht, daß die Verdrän-
    gung die Triehrepräsentanz nicht daran hindert, im Cube.
    wußten fortzubestehen, sich weiter zu organisieren, Abkömm-
    linge zu bilden und Verbindungen anzuk'nüpfen. Die Ver—
    drängung stört wirklich nur die Beziehung zu einem psy-
    chischen System, dein des Bewußten.

    Die Psychoanalyse kann uns noch anderes zeigen, was
    für das Verständnis der Wirkungen der Verdrängung bei den
    Psychoneurosen bedeutsam ist. Z. B. daß die Triebrepräsen—
    tanz sich ungestörter und reichhaltiger entwickelt, wenn sie
    durch die Verdrängung dem bewußten Einfluß entzogen ist.
    Sie wuchert dann sozusagen im Dunkeln und findet extreme
    Ausdrucksformen, welche, wenn sie dem Neurotiker iiber-

  • S.

    xvn, DIE VERI)RÄNGUNG. ‚ 283

    tzt und vorgehaltcn worden, ihm nit'ht nur fremd cr—
    cheinen müssen, sondern ihn auch durch r'liv szpiegelnng
    er außerordentlichen und geiährlichen Trinbstiirke schrek-
    11, Diese täusr‘hende Trielmiirke ist das Ergebnis einer
    ilgehemmten Entfaltung in der Phantasie und der Auf—
    ptauu:ug infolge ,versngter Befriedigung. Daß dieser letztere
    Eriplg an die Verdrängung geknüpft ist, weist darauf hin,
    worin wir ihre eigentliche Beduutuug zu suchen haben.
    ‘ Indem wir aber noch zur Gugenansicht zurückkehren,
    ‚ ’Btellqn wir fest, es sei nicht einmal richtig, daß dio, Ver—
    .»‚' drängung alle Abköminlin;m (les I'n\'vrtlrängten vom Be-
    6v;156eu abhalte. Wenn sich diese weit genug von (ler ver—
    —driingten‘ltepräsentanz entfernt haben *ui es durch Annahme
    ' :‘mn Entstelluugen oder dureh die Ar :th der eingeeachobeuen
    ‚Mittelglieder, so steht ihnen der Zug.-mg zum Bownßten ohne
    „weiteres frei. Es ist, als ob dm— “‘iflvrstund des Beunßton
    \ gegen sie eine Funktion ihrer Entfernung vom ursprünglich
    . Verdrängten wäre,. \Vähreud dvr Ausübmu.r der psychoa.na„
    Iytischen Technik fordern wir den l’zrtiuntcn unausgesenzt
    dazu auf, solche Abköznmlinge des Vordrü.ngten zu produ»
    zieren, die infolge ihrer Entfernung oder Entstcllung die
    Zensur des Bewußteu passieren können, Nichts anderes sind
    ja die Einfällc, die wir unter Verzicht auf alle bewußten
    ‚‘Zie1vorsteliungen und alle Kritik von ihm verlangen, und
    ' ‚aus denen wir eine bewußte Uber=etzturg der verdrängten
    ' Repräsentanz wiederherstellen. Wir beobachten dabei, daß
    ‘. ‚‘ der Pätient. eine solche Einiullsreihe fort.spinnen kann, bis
    ‚_ er in ihrem Ablauf auf eine Gedankenbildung stößt, bei wel-
    ‘, c_her die Beziehung zum Ver-drängten so intensiv durchwirkt,
    daß er seinen Verdrängungsversnch Wiederholen muß. Auch
    ‚ ‘ die neu.mtischen Symptome müssen der obigen Bedingung

  • S.

    934 _ , “scnmi=*rnn ZUR nnu'nossnnnnns. rv.

    genügfi haben, denn sie sind Abkömmlingc des Verdrängtcn,
    welches _sich mittels dieser Bildungen den ihm va sagten
    Zugang vom Bewußtsein endlich erkämpft hat.

    ‘ Wie Weit die Entstellnng und Entfernung vom Ver-
    dränghen gnhen=rnufi, bis der Widerstand des Bewußten anf-
    'géhoben ist, läßt sich allgemein nicht. angeben. Es findet
    dabei eine feine Abwägung statt, deren Spiel uns verdeckt.
    ist, deren Wirkungsweise uns aber crraten läßt, es handle
    sich darum, vor einer bes{:imruten Intensität der BoseLzung'
    des Unbewußten haltzumachen, mit derez'1 Überschreitung
    es zur Befriedigung durchdringen würde. Die*'\'erclränguiig
    arbeitet also höchst individuell; jeder einzelne Abkürnm—
    ling des Verdrängten kann {ein hesonderee"$chieksnl haben;
    ein Wenig mehr oder weniger ‚von Entstmllung man-ht, daß
    der ganze Erfolg umschlägt, In demselben Zusammenhang
    ist auch zu begreifen, daß die bevorzugten Objekte der Men—
    schen, ihre Ideale, a.us denselben Wahrnehmungen und Er—
    lebnissen staminen wie die von ihnen am meisten verab-
    scheuten, und sich ursprünglich nur durch geringe Modifi-
    kationen voneinander unberscheiden. Ja., es kann, wie Wii"s
    bei, der Entsbelnmg des Fetisch gefunden haben, die ur-
    sprüngliche Triebrefirä‚scntanz in zwei Stücke zerlegt werden
    'sein, von. denen das eine der Verdrängung verfiel, während
    der Rest, gerade Wegen dieser i.nnigen Vsrk1iüpftheit‚tlas
    Schicksal der Idealisie_rung erfuhr.

    , Dasselbe, was ein Mehr oder Weniger an Entstellung
    leistet, kann auch sozusagen «im anderen Ende des Apparates
    durch eine Modifikation in den Bedingungen der Lust-['nlusfl
    praäuktion' erzielt'werden. Es sind besondere Techniken aus-

    ‘ _‘gebilclefi werden, deren Absicht dahin geht, solche Verände-
    rungen des psychischen Kräftespieles herbyizuführen, {laß

  • S.

    xvn. nm VERDRÄKGL’NG. 255

    $;sentanz aufgehoben. Diese Techniken sind bisher nur fiir den
    ‘» {Win genauer verfolgt wurden. In der Regel ist die Auf—
    gäx'h'ixebung der Verdrängung nur eine vorübergehende; sie wird
    ‘ _“818b31d wiederhergesv;ellt‚

    ‚Erfahrungen dieser Art. reichen aber hin, uns auf weitere
    _ haraktere der Verdrängung aufmerksam zu machen. Sie ist
    ‚nicht nur, wie eben ausgeführt, individuell‚ sondern auch
    im hohen Grade mobil. Man darf sich den Verdrängung;-
    organg nicht wie ein einmaliges Geschehen rnit Dauererfolg
    47mstellen, etwa wie wenn man etw-as Lebendes erschlagen
    ”hat, was von da an hat ist; sondern die Verdrängung er-
    .'„ford‘eru einen anhaltenden Ki'afianfwancl, mit dessen Unter—
    lassung ihr Erfolg in Frage gestellt wäre, so daß ein neuer-
    libhei' 'erdrängnngsnkt notwendig würde, W'ir dürfen uns
    Vorstellen, daß das Verdrängce einen kontinuierlichen Druck
    in der Richtung zum Bewnßr‚en hin a‚nsübb‚ dem durch un—
    " 'ausgesetzten Gegendruck (las Gloirligewicht gehalten werden
    muß Die Erhaltung einer Verdrängung setzt also eine be
    ‚ständige Kraftmlsgabe Voraus uud ihre Aufhebung bedeutet
    konomisch eine Ersparnng. Die Mobilität der Verdrängung
    findeg übrigens auch einen Ausdruf‘k in den psychischen
    Charakteren dns Schl.mfzusfa.ndns‚ welcher allein die Traum-
    > bildung ermöglicht Mit dem Erwachen werden die einge-
    mgenen Verdrängungsbesetzungeu wieder ansgeschickß.

    Wir dürfen endlich nicht vergessen, daß) wir von einer
    Triébregung erst sehr wenig ansgesa.gt haben, wenn wir fest-
    5tel.len‚ sie sei eine verdräiigtn. Sie kann ‘eieh unbeschadet
    der Verdrängung in sehr verschiedenen Zuständen befinden,

  • S.

    286 SCHRIÜ'I'EN ZUR NEUBOSENLWRE. IV.

    inaktiv sein, 6_ h. sehr wenig mit psychischer Energie be-
    setzt, oder in wechselndnm Grade besetzt und damit zur
    Aktivität befähigt, Ihre Aktivierung wird zwar nicht die _
    Folge haben, daß sie die Verdrängung direkt aufheht, wohl
    aber alle die Vorgänge anregen, welche mit dein Durnhdringen
    zum—Bewußtsein auf Umwegeu einen Abschluß finden. Bei
    unverdrängten Abkörnmlingen des Unbewußfien entscheidet
    oft das Ausmaß der Aktivierung oder Besetzung über das
    Schicksal der einzelnen Vorstellung. Es ist ein alltägliches
    Vorkommnis, daß ein solcher Abkömml.ing unverdrängt, bleibt.
    solange er eine geringe Energie repräsentiert, obwohl scir'L
    Inhalt geeignet wäre, einen Konflikt mit dem bewußt Horr-
    eehenden zu ergeben Das quantitative Moment zeigt sich
    eher als entseheidend für den Konflikt; sobald die im Grunde
    anstößige Vorstellung sie); über ein gewisses Maß verstärkt,
    wird der Konflikt aktuell und. gemäß die Aktivierung ziuht
    die Verdrängung nanh sich. Zunahme der Energiebesctzuug
    wirkt also in Sachen der Verdrängung gleiehsinnig wie An-
    näherung an das Unbewußte, .Abnahme derselben wie Ent-
    fernung davon oder Entsbellung. Wir verstehen, daß die
    verdrängenden Tendenzen in der Abschwächung des Unlicb-
    samen einen Ersatz für dessen Verdrängung finden können
    In den bisherigen Erörterungen behandelten wir die
    Verdrängung einer Triebrepräsentanz und verstanden unter‘
    einer solchen eine Vorstellung oder Vorstellungsgruppe,
    welche vom Trieb her mit einem bestimmten Betrag von
    psychischer Energie (Libido, Interesse) besetzt. ist. Die kli—
    nische Beobachtung nötigt uns nun zu zerlegen, was wir
    bisher einheitlich aufgefaßt hatten, den sie zeigt uns, daß
    etwas anderes, was den Trieb repräsentiert, neben der Vor-
    stellung in Bel.rwht kommt-‚' und daß dieses andere ein Ver-

  • S.

    xvn‚ mr: VERDRÄNGU. 287

    /

    ‚ _ Ljrängnngsschicksal erfährt. welches von dem der Vorstellung

    '_" gain verschieden sein kann. Für dieses andere Element der
    _ ' psychischen Repräsentnnz hat sich der Name Affektbetr'u g
    eingebürgcrt; es entspricht dem Triebe, insofern er sich von
    der Vorstellung abgelöst hat und einen seiner Quantität ge-
    mäßen Ausdruck in Vorgängen findet, welche als Affcktc (ler
    Empfindung bemerkbar werden, Wir worden von nun an, wenn
    Vwir einen Fall von Verdrängung beschreiben, gesondert vor-
    folgen miissen, was durch die Verdrängung aus der Vorstellung
    ‘und was aus der an ihr haflenrlen Triebenergie geworden ist.
    Gern würden wir über hcixlvrlei Schicksale etwas allge-

    meines aussagen wollen. Dir,; wird uns auch nach einiger
    Orientierung möglich. Das nllgcnu-‚iuc Schicksal der den Trieb

    'h "repräsentierenan Vorstellung kann nicht leicht etwas n.n«
    . ‚ .

    " . deres sein, als daß sie aus dem Bewußlen verschwindet, wenn
    " sie früher bevmßl. war, oder vom Bewußtsein nl\geh:hlien Wirrl‚

    " Wénn sie im Begriffe war, bewußt zu werden. Der Unten
    :“ _ schied ist nicht mehr bedeutsam; er kommt euva darauf
    « “hinaus, ob ich einen unliebsm_uhn Gast aus meinem Salon

    . binausbefördern oder aus meinem Vorzimmcr oder ihn. nach-
    dem ich ihn erkannt. habe, überhaupt nicht über div Schwelle
    ' der Wohnungstür treten lassc.*) Das Sciiick>ili \in-‚s quanti—
    tativen Faktors der 'J‘rinbrcpräscnhanz kann ein druii'aches
    nein, wie uns eine flüchtige Übersicht über die in der Psyche-
    «\ analyse gemachti:n Erfahrungen lehrt: Der Trieb wird ont-
    " "Weder ganz unterdrückt, so daß man nichts von ihm auf»
    findet, oder er kommt als irgendwie quuljiativ gefärme Affekt.

    ') Dieses für um Verdri'mgungsvorgnmg hmuchhm Gleichnis kann
    _e.nch über einen früher erwä‚hntgn Cham.kher der Verdrängung ausgedehnt
    werden. Ich brauche nur hinzumfiigen. dzhß ich die dem am verbolßnu
    ‘ Tür durch einen ständigen Wächter bmwwhen hmm muß, weil der Ab.
    ’qßwiesmß sie sonst anfsprengen würde (5‚ o)

  • S.

    .gäs ? BCHRIETEN ZUR nnuiwsnumfise. iv.

    zum Vorschein, oder er wird in Angst verwandelt. Die bei—
    den letzteren Möglichkeiten stellen uns die Aufgabe, die
    Utasetzung der psychischen Energien der T.riebe in
    Affekte und ganz besonders in Angst als neuca Trieb-
    schicksal ins Auge ‘zu fassen. V

    Wir erinnern uns, daß Motiv und Absicht der Verdrän—
    gung nichts anderes als die Vermeidung yon Unlust wei.
    Daraus folgt, daß das Schicksal des Affektbetruges der Re-
    ' präsentanz bei weitem wichtiger ist als das der Vorstellun'g,
    _ und daß dies über die Beurteilung des Verdrängungsvorganges
    ' entscheidet, Gelingt es einer Verdrängung nicht, die Ent-
    stehung von Unlustempfindungen oder hngst zu verhülen, so
    dürfen wir sagen, sie sei. mißglückt‚'u'enngleibh sie ihr Ziel
    an dem ‘Vafstellnngsanteil erreicht haben mag. Natürlich
    \5vird die mißlglückte Verdrängung mehr Anspruch aluf unser
    Interesse erheben als die etwa geglfidkte, —'die sich zumeist
    unserem Studium entziehen wird. 7 ,

    Wir wollen nun Einblick in den Mechanismus des Ver-
    drängungsvorgangcs gewinnen und vor allem wissen, ob es
    ' nur einen einzigen Mechanismus der Verdrängung gibt oder
    mehrere, und ob vielleicht jede der Psychoneurosen durch
    ' einen ihr eigentümlichen Mechanismus der Verdrängung aus—
    gezeichnet ist. Zu Beginn dieser "Untersuchung stoßen wir.
    Aber auf Komplikationen. Der Mechanismus einer Verdrän-
    gung wird uns nu); zugänglich, wenn wir aus den Erfolgen
    'der Verdrängung auf ihn zurückschließen. Beschränken wir
    die Beobachtung auf Iiie Erfolge an dem Vorstellungsanteil
    der Repräsean, 50 erfahren wir, daß die Verdrängung in
    der Regel eine Ersetzbildung schafft. Welches ist nun
    der Mechanismus einer solchen Ersatzbilclung, oder gibt; es
    hier auch mehrere Mechanismen zu unterscheiden? “' ir wissen

  • S.

    VII. DIE VERDRANGIING. 2%9
    ‚\ _ _,

    auch, daß dir: Verdrängung Symptome liinfßrläßl. Dürfen
    wir nun Ersatzbildung und „ inptombilrlung zusnmmvnf.lllun
    lassen, und wenn dies im Ganzen angeht, deckt sich der
    Mechanismus der Symptoinbildung mit dem drr V<*rrlriingung?
    Die vorläufige VVahr'schuinlichkcit scheint dafür zu sprechen,
    daß beide‘weil o.useinandcrgohcn. daß es nicht die Verdrän-
    gung selbst ist, welche Ersalzhildungen und 5„\ mplome schafft,

    Iondem daß diese letzteren als Anzoichen einer Wiederkehr
    des Verdränan ganz anderen Vorgängen ihr Entstehen
    verdanken. Es scheint sich auch zu !‘mpfchlen, daß man die
    Mechanismen der El'slltl— und Syrnptomhilduug vor denen
    der Verdrängung in Untersuehung ziehe.

    Es ist klar, daß die Spekulation hier weiter nichts zu
    suchen hat, sondern durch die sorgfältige Analyse der bei
    u beobacth-nden Erfolge tler Ver—
    inuß. Ich muß aber den Vorschlag
    ‚‘ machen, auch diese Arbeiu a‚ulxuschiehen‚ bis wir uns ver-

    15»Bliche Vorstellungen über das Verhältnis des Bewußten
    znm Unbcwußten gebildet haben. Nur um die vorliegende
    Erörterung nicht ganz unfruchtbar ausgehen zu lassen, will
    ich vorwegnchmen, daß 1. der Mechanismus der Von
    tatsächlich nicht mit dem oder den Mechanismen der Ersatz—
    bilduug'zusamlnenfällt, 2, daß es sehr verschiednne )fecha-
    “'nismen der Ers;rtzbildung gibt, und 3. daß den Mechanismen
    ; der Verdrängung wenigstens eines gemeinsam ist, die Ent-
    ”‘ ' ziehung der Energiebesetzung (oder Libido, wenn
    ‘ wir von Suxuultriebon hAmieln)‚

    Ich will mich unter Einxcluä.nkung auf din drei be»
    kanntesben Psychoneul‘osen an einigen Beispielen zeigen, wir
    die hier eingeführten Begriffe auf das Studium der Verdrän—
    gung Anwendung finden, Von der Augsthysterie wurde

    Fund, Numa-unlnhxu n. 19

    " igung

  • S.

    290 SCHEIFTEN ZUR NEUEOBENIEERE, IV.

    ich das gut analysierte Beispiel einer Thierphobie wählen.
    Die der Verdrängung unterliegende Triebregnng ist eine libidi-
    nösc Einstellung zum Vater, gepaart mit der Angst vor dem-
    selben. Nach der Verdrängung ist diese Regung aus dem Be-
    Wußtsein geschwunden, der Vater kommt als Objekt der
    Libido nicht dar‘m vor. Als Ersatz findet sich an analoger
    Stelle’ein Tier, das sich mehr nder weniger gut zum Angst-
    objekt eignet. Die Ersatzbildung des Vorstellungsanteiles hat
    sich auf dem Wege der Verschiebung längs eines in be-
    stimmter Weise determiniorten Zusammenhanges hergestellt.
    Der quantitativé Anteil ist nicht verschwunden, sondern hat
    sich in Angst umgesetzt. Das Ergebnis -' ist eine Angst vor
    dem Wolf an Stelle eines Liebesanspruches im Heu Vater.
    Natürlich reichen die hier verwendeten Kategorien nicht aus,
    um den Erklärungsagispriichen auch nur des einfachsten Falles
    von Psychoneurose zu genügen. Es kommen immer noch
    andere Gesichtspunkte” in Betracht. '
    Eine solche Verdrängung wie im Falle der Tierphobic
    darf als eine gründlich mißgli'rclite bezeichnet werden. Das
    Werk der Verdrängung besteht nur in der Beseitigung und
    _ Ersetzung der Vorstellung, die Unlustersparnis ist überhaupt
    nicht gelungen. Deshalb ruht die Arbeit der Nenrosc auch
    nicht, sondern setzt sich in einem zweitcn'Tempo fort, um
    ihr nächstes, wichtigeres Ziel zu erreichen. Es kommt zur
    Bildung eines Fluchtversuches, der cigcntlii;hnn Phobie,
    einer Anzahl von Vermeidungen, Welche die Angstentbinclung
    ausschließen sollen. Durch welchen Mechanismus die Phebie
    ans Ziel gelangt, können wir in einer'spezielleren Untersuchung
    verstehen lernen.
    Zu einer ganz anderen Würdigung des Verdrängungs—
    Vorganges nötigt uns das Bild der echten Konversion s-

  • S.

    XV", DIE VERDRÄ'NGUNG. 291

    Hysterie. Hier ist das Heivorsteclmnde, daß es gelingen
    kann, den Affcktbcimg zum völligen Verschwinden zu brin-
    gen. Der Kranke zeigt dann gegen seine Symptome (laß Ver-

    — halten, Welches Cha.rcat „ln belle indifl'erencu des hysté-
    riques“ genannt hat, Andere Male gelingt diese Unter-
    drückung nicht. so volls iindig‚ ein Anmil pninliclmr Sensa—
    tionen knüpft sich ein die Symptome selbst, oder ein Stück
    Ängstentbindung h:].b sich nif‘lit vormoiclen lassen, das seiner-
    seits den 1\rfcchahismus der Pliobirebildung ins Werk setzt.
    Der Vorstellungsinlmlb der Triebropräscntanz ist dem Be—
    wußtsci'n gründlich entzogen; als Ersatzbildung ‚ nnd glm'ch-
    zeitig als Symptom — findeb sich eine über Hrkc « in den
    vorbildlichen Fällen soniatisnlm — Innorvution, bald senso—
    rischer, bald moborischcr Natur, entweder als Erregung odm‘
    815 Hemmung Die überinnnrviorm Stelle erweist sich br\i
    näherer Betrachrung als ein Stück der vurdrängtnn Trieb-
    repräsentanz selbst, welches wie durch Verdichtung die
    geSa‚mte Besetzung auf sich gezogen hat Natürlich decken
    auch diese Bemerkunan dan Mcuhaniemns einer Kamen
    %üonshysturie nicht IC:L7US auf; vor allem ist noch das
    Moment der Regression hinzuzufügen, (las in anderem
    Zusammenhang gewürdigt werden soll.

    Die Verdrängung der H_„\.Sieriv kann als völlig miflglüclib
    beurteilt werden, insofern Sie nur durch ausgiebige Ercntzv
    bildungen ermöglicht werden ist; mit, Bezug auf die Erle-
    digung des Affoktbctrages, die «‘iguullii'lu: Aufgabe der VU-
    drängung, bedeutet sie aber in der Regel (‘innn vollen ‘Er—
    ”folg. Der Verdrängungsvui‘gzing dor Konversionshysluric ist
    dann auch mit der Synipßnmbilrlung ahgeschlnssen und
    braucht sich nicht wie bei Angstliysleric zwcizci'tig — oder
    eigentlich unbegrenzt — forth ‘tzcu;

    19*

  • S.

    SCHRIF'I‘EN ZUR NEL*RÖSENLEEBE, IV,

    Ein ganz anderes Ansehen zeigt die Verdrängung wieder
    bei der driiten Aliektion, ‚die wir zu dieser Vergleichung her-
    anziehen, bei der Zwangsncurose, Hier gerät man zuerst
    in Zweifel, was man als die der Verdrängung unterliegeude
    Repräsenth anzusehen hat, eine libid.inöse oder eine [eind—
    selige Strebung, Die Unsicherheit rührt daher, daß die
    Zwangsneurose auf der Voraussetzung einer Regression ruht,
    durch welche eine sedistische Strebung an die Stelle der
    zärtlichen getreten ist. Dieser feindselige Impuls gegen eine
    geliebte Person ist es, Welcher der Verdrängung unterliegt.
    Der Effekt ist in einer ersten Phase der Verdrängungsarbeit
    ein ganz anderer als später. Zunächst hat diese vollen Er-
    folg, der Vorstellungsinhalt wird abgewiesen und der Affckt
    zum Verschwinden gebracht. Als Ersatzhildung findet sich
    eine Iohveränderung, die. Steigerung der Gewissenhaltigkeit,
    die man nicht gut, ein Symptom heißen kann. Ersatz- und
    Symptoi-nbildung fallen hier auseinander. Hier erfährt man
    äueh etwas über den Mechanismus der Verdrängung. Diese
    hat wie überall eine Libidoentziehnng zu stande gebracht,
    aber sich zu diesem Zwecke der Reaktionsbildung durch
    Verstärkung eines Gegensatzes bedient. Die Ersetzbildung
    hat also hier denselben Mechanismus wie die Verdrängung
    und fällt im Grunde mit ihr zusammen, sie trennt sich aber
    weitlieh, wie begrifflioh, von der Sympbmnhildung. Es ist
    sehr wahrscheinlich, daß das Ambivalenzverhälbnis‚ in wel—
    chen der zu verdrängende sadistische Impuls eingetragen ist,
    den ganzen Vorgang ermöglith

    Die anfänglich gute Verdrängung hält aber nicht Sind,
    im weiteren Verlaufe drängt sich das Mißglücken der Ver_
    drängung immer mehr vor. Die Ambivelenz, welche die Wer-
    drängung durch Reaktionsbildung gestattet hat, ist auch äio

  • S.

    XV1I. DIE VERDRANGUNG. 293

    Stelle, an welulwr (lem \'r>r(lrängl0n die Wiederkehr gelingt.
    Der verschwundene Affekt kommt in tler Verwandlung zur
    sozialen Angst, (}cwissonmngst, Vw-nurf ohne Ereparnis Wie
    der; die abgewicsene Vorstellung ersetzt sich durch Ver-
    echiebiingsersnlix, oft durch Verschiebung auf Klnin. ‚
    'Indiffereutß5. Kine Tendenz zur intakten Herstellung der ver-
    drängtcu Yoi‘slellung ist meist unverkcnnbar. Das Miß-
    glück<m in der Verdrängung des quantitaliwm effektiven
    Fakten bringt denselbun Mechanismus Flucht durch
    Vermeidungen und \'erlmtu ins Spin], den wir bei der Bil—
    dung der hystcrischcu l’hobic kennen gelernt haben, Die
    Abweisung der Vorstnllnng vm.u I;kußfen wird aber harh-
    näßkig festgehalten, weil mit ihr die Abhallung von der

    Aktion, die mol‚or' rliu FO selung (l«ux lmpnlses, gegeben ist,
    So läuft die Verdränguugsarbeil; (ler Zumigzsneurose in ein
    erfolgloses und miabsnlfiließbnrps Ringen .'iyllü.

    \ Aus der kleinen, hiur Vnrgobruclitcu Vurgll-iclisréilic kann
    man sich die (?!)vrzougnug holen, (laß es noch umfassender
    Untersuchungen bedarf, nll(‘ man hnffen kann, die mit, der

    verd.rifulglmg und imumiist‘linn S_\‘mpizo1nbildung zusammen—

    hängenden Vorgang} zu durchschauen, Din nußcror(lnntliclitf
    Verschlungcnhcir, aller in Betracht kommenden Momente
    läßt uns nur einen Weg zur Damm—Hung frei. Wir miissen
    bald den einen, bald (ln‘n anderen Gesichtspunkt l\('r.ms—
    greifen und ihn durch das Material hindu1'(-hvtrfolgvu. 507
    _zu leisten sclwim. Jod!) ein—

    Ix.zige mine Anwendung er,
    zelue dieser Bearbeitungen \\ird an sich unvollständig soil.
    ‚und dort Unklarhciecu nicht vcrmvirlen können, wo sie an
    das noch nicht Br:arbciitnbc anriihi'f; wir dürfen aber hoffen,
    daß sich aus der cncllinhen Zusmnmcnsctzung ein guLes Ver—
    ständnis ergeben wird.