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    [Briefkopf Wien] 

    18. Dez 16 

    Lieber Freund 

    Heft 2 der Zeitschrift mit Ihrer schönen 
    Arbeit ist endlich erschienen. Die Traumvor-
    lesungen sind heute an Ihre Adresse abge-
    gangen. Ihr Brief kam da zur rechten Z
    und den Ihrigen gut geht, was man jetzt 
    so heißt! Gebe Ihnen auch gerne die ver-
    langten Gegennachrichten, auch in dem-
    selben Sinne gut. 

    Mein Ältester ist gegenwärtig beim Kader 
    in Wien u oft unser Gast, er hält noch aus. 
    Ernst sitzt an derselben Stelle an der 
    ital. Front, Oliver ist jetzt in Krakau 
    bei den Sappeuren, macht dort die 
    erste Abrichtung u soll dann in die 
    Schule nach Krems kom̄en. Er findet 
    sich gut hinein. Mein Schwiegersohn scheint 
    sich in seiner ihm angemessenen Be-
    schäftigung rasch zu erholen, er ist noch in 
    Hannover. Der Kleine ist lieb u amüsant, 
    wenn bei der Entente soviel guter 
    Wille u Einsicht zu finden wäre wie 
    bei ihm, so hätten wir längst Frieden. 
    Über die für uns so instruktiven Anfänge 
    ist er indes längst hinausgekom̄en.

  • S.

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    Es ist schmerzlich zu hören, daß Sie so überbürdet 
    sind. Ich habe sehr wenig zu thun, so daß 
    ich zB. zu Weihnachten wieder vor einem 
    Nullpunkt stehe. Das Wolbefinden ent-
    spricht dann nicht der Muße, denn meine 
    psychische Konstitution verlangt dringend 
    das Erwerben und Geldausgeben für 
    die Meinigen als Erfüllung meines 
    mir wolbekannten Vaterkomplexes. 
    Unter diesen Umständen wendet sich ganz 
    gegen meine Absicht dem Nobelpreis 
    eine besondere Erwartung zu, wo wir 
    doch alle wissen, daß wir auf die uns 
    die uns bekannten Widerstände auch 
    dort rechnen dürfen. Dieser Zwiespalt 
    ist dann sehr ärgerlich, fast beschämend. 
    (Perseveration!) C.C. wird oft sehr notwendig. 

    Reiks letzte mir bekannte Adresse ist 
    Ltt. Dr. Th. R. k u k. mob. Res. Spit. Nr. 4/3 
    Feldpost 279

    Ich kann nicht dafür bürgen, daß sie noch 
    gilt. Er war im vorigen Monat auf 
    Urlaub hier, fragte viel nach Ihnen. 
    Warum schreibt er Ihnen nicht? 

    Herzl. Gruß für heute zur Weih-
    nachtszeit. Hoffentlich höre ich bald 
    wieder von Ihnen. 
    Ihr Freud