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S.
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Badgastein
Villa Wassing27.8.16.
Lieber Freund
Sie sehen, wie es sich gemacht hat.
Seit einer Woche bin ich hier
mit den zwei Frauen. Töchterchen
ist in Aussee, beide Soldaten
wieder im Feld. Gastein ist so un-
menschlich schön, weit über S. Martino,
wo wir zuletzt so friedlich bei-
sam̄en waren. Die Bäder machen
mich so müde, daß eine Verjüng-
ung von mindestens 10 Jahren zu
erwarten steht. Wir wollen über
den 10 Sept hier bleiben, wenn nicht –
wenn nicht die Kurverwaltung
die restlichen Kurgäste raus-
ekelt. An Wassermangel ist
in Gastein allerdings nicht zu denken. -
S.
2
Wenn ich sehr müde bin, schreibe ich
an den Vorlesungen. 7 der
Neurosenlehre sind schon fertig.
Außerdem geht der Druck des
Traumes vorwärts. Zwei chines-
ische Porzellanhunde auf meinem
Schreibtisch lachen mich, glaub’ ich,
aus, wenn ich schreibe. Ich stimu-
lire mich durch den Vorsatz,
das Honorar meinem Enkel
für seine Studienzeit zu schenken.
Meinem Schwiegersohn geht es
noch im̄er nicht gut. Sie können
sich denken, daß ihn das Auf-
geben des Ateliers materiell
sehr geschädigt hat.Ich möchte Sie durchaus sehen, aber
ich will nicht nach München.
Unter die Kongreßler kann ich
nicht gehen, und mir die Grenzüberschreitung3
durch einen Vorwand
zu erwerben, widerstrebt mir sehr.
Also ceterum censeo: Sie sollen die Grenze
überschreiten, ich kom̄e Ihnen nach
Salzburg, oder wo Sie wollen, ent-
gegen, auch wenn ich Mitte Sept
schon in Wien bin. Ich hoffe, es
wird Ihnen erlaubt werden;
mein Ernst war auf Urlaub
in Hamburg u Berlin.Zu Liebermann darf ich Ihnen,
glaub ich, gratuliren. Daß Sie
Ihre kleine Familie bei sich
haben können, ist doch das
Schönste an diesen Verhältnißen.
Es wird Sie interessiren, daß
Ophuijsen sich feierlich in einem
Brief zu uns bekannt hat (wenn
ich es nicht schon geschrieben habe). -
S.