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[Briefkopf Wien]
4. 3. 15
Lieber Freund
Die Mittel wechseln, aber der Erfolg ist der-
selbe. Ihre Mitteilung, daß Sie aus meinem
letzten Beitrag nichts Neues zu lernen
hatten, bedeutet mir dieselbe Anerkennung
wie Ihre sonstige Hervorhebung des Gegen-
teils. Ich halte diesen Beitrag für den besten
und brauchbarsten der ganzen Reihe, bin
also gefaßt, daß er die stärkste Ablehnung
hervorrufen wird.Hochwillkommen ist Ihre Ankündigung
einer Artikelserie, die ich als endgiltiges
Versprechen nehme. Wir wollen doch
die Zeitschriften um jeden Preis in der
Kriegszeit aufrecht erhalten und sie so
führen, daß wir sie nachher mit Befriedigg
produziren können. Der Autoren sind
aber sehr wenige. Wir werden alles
allein besorgen müßen. Ich habe mich
entschlossen, drei Kapitel meiner
keimenden Zusam̄enfassung (Triebe,
Verdrängg, Ubw) sukzessive zum Ab-
druck in der Zeitsch zu bringen. Für
die Imago schreibe ich sogar ein
zeitgemäßes Gewäsch über Krieg
u Tod, um den opferwilligen Verleger
zu befriedigen. All dies geschieht natür-
lich mit innerem Widerstreben. -
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„Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier“
Nämlich bei den Dardanellen, wo sich viel-
leicht das Schicksal Europas entscheidet,
in dem klassischen Land, dessen Bewohner
uns in den nächsten Tagen den Krieg er-
klären sollen, so daß die Stätten, wo
ich am liebsten gewesen bin, mir für
den Rest der Jahre verschloßen bleiben
sollen; auf der Nordsee, die man nun
lange Zeit nicht wird befahren können.
Genug!Von Martin, der irgendwo in Galizien
schießt, kommen nur die besten Berichte.
Ernst bleibt wol noch einige Wochen in
Klagenfurt, Oli ist gestern bei der Muster-
ung refüsert worden u hat somit einige
Monate Zeit, um seine letzten Prüfungen
zu machen. Auch mein Schwiegersohn
in Hmbg ist vorläufig zurückgestellt.Die Spannung, unter der man steht ist oft
unerträglich hoch. Ich möchte gerne wieder
nach Berlin u Hambg, aber die Mark
steht jetzt über 135 . Man kann also
nicht reisen.Ich grüße Sie u Ihre liebe Frau
herzlich u hoffe, daß man Sie in Berlin
lassen wird, wo man ja auch
Ärzte braucht.Ihr Freud