• S.

    31. 1. 13.

    Mein lieber Dr Brill

    Dank für Ihren Brief u gute Nachrichten.
    Ich bin froh, daß das Gerücht, Sie seien
    von der Leitung der Ortsgruppe zurück-
    getreten, nicht wahr ist, da Sie doch nichts
    davon erwähnen. Es wäre ein großer
    Verlust gewesen. Da ich Jung jetzt so beur-
    teile wie Sie haben wir allen Grund, u
    ns fest zusammenzuschließen.

    Den Brief von G. Allen habe ich heute be-
    kommen. Er wünscht die Auslassung von
    mehreren Träumen in den letzten 15 Seiten
    des Kapitels „The material of Dreams“. Es
    ist schmählich, aber ich will Ihr Werk
    nicht vereiteln und den Verleger nicht
    von weiteren Unternehmungen abschrecken.
    Darum habe ich prinzipiell zugesagt u
    die Bedingung hinzugefügt „soweit Sie
    damit einverstanden sind“. Ich konnte
    nicht anders, da seine Vorschläge nicht
    bestim̄ter waren. Entscheiden Sie nun,
    wie Ihnen beliebt u verteidigen Sie
    löwenhaft das Übrige.

    Bei uns hat am 26st die Hochzeit von
    Sophie stattgefunden. Es würde mir
    sehr leid thun, wenn die an Sie abge-
    schickte Einladung nicht angekom̄en

  • S.

    wäre. Das junge Paar ist bereits auf dem
    Wege nach Hamburg.

    Die neue Zeitschrift ist gewiß schon in Ihren
    Händen. Es wäre mir recht, wenn sie
    Ihnen gefiele u Sie sich eifrig an ihr
    bethätigen würden.

    Mrs. L. haben Sie, glaube ich, ziemlich über-
    schätzt. Sie hat jedenfalls alle Unarten einer
    amerikanischen Frau. Mit konsequenter
    Strenge in langer Behandlg wäre sie
    vielleicht herauszureißen, niemals aber
    durch einen Mann, dem sie gefällt u der
    gut mit ihr ist. Ihr tiefstes Wesen ist
    sadistisch-homosexuell, aber darüber
    liegen dicke Schichten amerikanischer
    Unaufrichtigkeit.

    Ich grüße Sie herzlich u bitte Sie
    zu glauben, dass 10 Stekel Adler u Jung
    mir nicht soviel üble Laune machen
    können wie ein Freund von Ihrer
    Art Vergnügen.

    Grüße an May
    Ihr
    Freud