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S.
1 Dez 12
Dear Dr Brill
Es ist wirklich schade, dass New York soweit weg
ist, wir hätten uns sonst vorigen Sonntag
24. Nov. in München gesehen, wohin Jung
ein Konzil der Obmänner zur Besprechung
der schwebenden Affairen eingeladen
hatte. Es waren erschienen: Jung, Riklin,
Seif, Abraham, Jones (für Amerika),
der aus Florenz kam, und ich. Maeder
war durch den Sekretär von Zürich
vertreten. Die Kollegen waren alle von
der äußersten Zuvorkom̄enheit gegen
mich, Jung an der Spitze, u es ist alles
so geordnet worden, wie ich es wünschte.
Nachher hatte ich eine private Unterhaltung
mit Jung, konnte ihm den Kopf zurecht-
setzen u unser persönliches Verhältnis
wieder einlenken. Ich glaube, ich habe
ihn von den neurotischen Triebkräften
seines Benehmens überzeugt, sein
nächster Brief war voll von Einsichten u Entschuld-
igungen. Es wird wieder eine Zeit lang
gehen.Die „Internat. Zeitsch. f. ärztl ΨA“ wird offiziell
sobald es gelungen ist, den Vertrag
mit Bergmann zu lösen, zu welchem Zweck
Jung sich nach Wiesbaden begeben
wird. -
S.
Sie wird überhaupt in jeder Hinsicht an die Stelle
des Zentralbl treten. Aus einem sehr bald
eintreffenden Zirkular werden Sie ersehen,
daß Ferenczi und Rank Stekel abgelöst
haben. Ich bitte Sie um Ihre ausgiebige
Unterstützung und um Ihre Bemühung,
den Ersatz des Zentralbl durch die
Internat. Zeitschrift in Amerika zu er-
leichtern. Alle sind selig, Stekel abge-
schüttelt zu haben.Mit Jung muß man dennoch vorsichtig sein.
Es ist ein neurotisches Element von
Unverläßlichkeit in ihm, mit dem man
rechnen muss. Er steckt so sehr in der Neurose,
dass er sich die sonderbarsten Irrtümer
konstruirt hat, um behaupten zu können,
daß ich ihn schlecht behandle, und war
- ich übertreibe nicht - tief beschämt bei
deren simple Auflösung. Unsere theor-
etischen Differenzen bleiben bestehen u
werden in sachgemäßer, würdiger Dis-
kussion behandelt werden. Ich zweifle
sowenig wie Sie, daß er mit seiner Unter-
schätzung der infantilen Sexualität,
und der disponirenden Fixirung voll
im Unrechte ist.Ich finde, Sie haben sich während seiner
Anwesenheit bei Ihnen so ausgezeichnet -
S.
benom̄en, wie man es
nur erwarten konnte u denke, Sie werden
jetzt die Sache der Analyse gegen die
angeblichen Erleichterungen weiter ver-
treten. Es sind in Wirklichkeit Regressionen
zu unserer früheren Unwissenheit, kein
Wunder, daß sie weniger Widerstand
wecken und von den Unwissenden gerne
gehört werden.Die zweite Auflage der Selected Papers habe
ich erhalten, auf die Trdeutung bin ich
schon sehr gespannt. Ich bin selbst mit den
beiden nächsten „Übereinstim̄ungen“ für
die Imago beschäftigt, war aber in der
Arbeit durch die letzten Vorgänge
sehr gestört. Die neue Zeitsch. wird jetzt
in jeder Num̄er einen Artikel von
mir über Technik bringen, Fortsetzung
der bisher im Zentralbl veröffentlichten.
Ich würde mich freuen, wenn Sie und
andere Analytiker sich dann im
„Sprechsaal“ über diese technischen Fragen
zustimmend oder kritisch äussern würden.Im Hause ist alles wol. Am 26 Jan soll
Sophies Hochzeit mit dem jungen Hamburger
Max Halberstadt sein. Annerl ist zur
Erholung nach Meran geschickt worden. -
S.
Judith war im Frühsom̄er bei uns im
Hause, dann mit meiner ältesten
Tochter in Aussee, sie ist jetzt wieder
in Paris. Es macht mir den Eindruck, daß
sie keinen sicheren Lebensplan hat und
es noch immer versteht, sich aussichtslos zu
verlieben.Ihre Nachrichten über das Kind freuen
mich ausserordentlich. Möge sie weiter
so gedeihen. Hoffentlich giebt es bald
eine Photographie von ihr. Im Sept 13
ehen wir uns zum Kongreß in München,
dort giebt es die schönsten Sachen und
da wollen wir endlich mit einander
einkaufen.Ich grüße Sie herzlich
Ihr getreuer
Freud