• S.

    5 Sept 12

    Dear Dr Brill

    Ihre Absage war zuerst eine ordentliche
    Enttäuschung für mich. Gerade jetzt wo das
    Benehmen der Schweizer anfängt
    Bedenken zu erwecken - Jung dabei
    voran - hätte ich es besonders geliebt,
    meine Getreuesten um mich versam̄elt
    zu sehen. Aber es kam bald ein Grund
    sich mit dieser Enttäuschung zu versöhnen,
    nämlich eine zweite. Meine Älteste, die s
    chon soviel an den Folgen einer verun-
    glückten Operation gelitten hat, erkrankte
    plötzlich unter Fieber u Schwächeerschein-
    ungen; ich mußte die Ferien unter-
    brechen, nach Wien eilen und sagte
    die englische Reise ab. Ihre Anwesenheit
    wäre also eine Verlegenheit mehr
    gewesen.

    Nun geht es ihr zwar nach einem kleinen
    Eingriff wieder ganz gut, aber mein
    Mut ist gebrochen, auch meine Gesund-
    heit von den Wirkungen Karlsbads
    nicht ganz erholt, u ich werde höchstens
    mit Ferenczi noch für kurze Zeit
    südlich gehen.

  • S.

    Ihre persönlichen Nachrichten haben mich
    sehr erfreut. Von Mrs Liebmann werde
    ich Ihnen im Okt berichten. Sie will
    nämlich die erste Woche im Okt. noch
    bei mir Stunden nehmen, sie scheint
    gepackt zu sein. Ich hoffe mit Ihnen mündlich
    über sie verhandeln zu können.

    Von Putnam habe ich einen sehr netten
    Brief erhalten in dem er meine Ent-
    scheidung in der Übersetzungsfrage sehr
    begreiflich findet.

    Über eine zweite Angelegenheit wollte
    ich auch mit Ihnen persönlich reden.
    Es ist mir im Gespräch mit Dr Jekels ein-
    gefallen, daß es eine Gelegenheit
    giebt einem intelligenten, nach allen
    Auskünften sehr anständigem Kollegen
    (Juden), der einen höchst sympathischen
    Eindruck macht, eine Existenz zu schaffen
    u Ihnen gleichzeitig einen Gehilfen und
    Freund zu schenken, nach dem Sie in
    dem undankbaren Amerika soviel
    Bedürfnis haben. Da ich weiß, welche
    Libido Sie für Ihre Finken auf-
    bringen, habe ich Ihnen auch die
    gewiße Verantwortlichkeit unbe-

  • S.

    denklich aufgebürdet.

    Es handelt sich um einen Dr Nunberg, der
    in Zürich ΨA studirt hat, jetzt bei Jekels
    arbeitet. Meine Idee ist, daß er zu Ihnen
    nach New York gehen u Ihre rechte Hand
    werden soll. Anstatt weiterer Details
    lege ich den Brief von Jekels bei, der
    ihn kennt u sehr hoch einschätzt. Ich habe
    ihn auch einmal gesprochen. Er ist jung,
    sieht hübsch u geistreich aus. Wenn
    die Sache für Sie möglich u zweckmäßig
    ist, so schreiben Sie mir oder Jekels
    darüber. Bis dahin bin ich wieder
    zurück.

    Auf die englische Übersetzung der
    Trdeutg bin ich sehr gespannt. Ich weiß
    nicht, ob ich Ihnen geschrieben habe,
    daß das Buch 1913 wahrscheinlich eine
    4te Auflage erleben wird. Das Inzest-
    buch von Rank ist erschienen und
    macht ihm alle Ehre. Ich wollte ihn
    zur Belohnung nach England mit-
    nehmen, nun gehe ich selbst nicht.
    Imago entwickelt sich vortrefflich.

  • S.

    Für May Joy hatte ich diesmal wirklich
    bereits eine Kleinigkeit vorbereitet,
    nun muß es warten, bis sie eine kleine
    Dame ist.

    Meine zweite Tochter hat sich mit einem
    jungen Mann in Hamburg, der Photograph
    ist, verlobt, hat sehr gut gewält u soll
    im Febr 13 heiraten. So geht alles, freudiges
    u sorgenvolles durcheinander.

    Ich bin gegenwärtig mit meiner
    Gesundheit nicht zufrieden, hoffe mich
    aber noch vor Beginn der Arbeit
    zu kräftigen. Geistig jetzt sehr unproduktiv.

    Herzliche Grüße für Sie
    und Ihre kleine Familie
    von Ihrem
    Freud