• S.

           19. 4. 08.
    PROF. DR. FREUD        WIEN, IX., BERGGASSE 19

    Sehr geehrter Herr College,
    Einige Worte, ehe wir uns in Salzburg sehen, über Ihre Arbeit, die ich gerne als viertes Heft der "Schriften" etc. akzeptiere (formell ist noch die Einwilligung des Verlages einzuholen). Ich habe sie mit Vergnügen gelesen und mich vor allem der Entschiedenheit erfreut, mit der Sie für unsere Sache eintreten. Der Grundgedanke der Auffassung des Mythus leuchtet mir ein; ein gleichzeitig an Sie abgehender Sonderabdruck wird Ihnen sagen, daß ich ihn bereits - ohne jeden Erweis - ausgesprochen habe.
    Was nun folgt, sind Vorschläge zur Abänderung, die Sie als Bemühen, Ihre Arbeit möglichst vorteilhaft erscheinen zu lassen, auffassen wollen.
    1). Ich würde bitten, das Polemische, meinen Namen, das Irrenärztliche usw. um ein Stück gegen den Mythus selbst zurücktreten zu lassen, da die Leser sich für diesen weit eher interessieren werden als für unsere Streitigkeiten. Also gewissermaßen das, was für Sie und mich geschrieben war, auf das Publikum zu transskribieren.
    2). Damit würde es wie von selbst gehen, daß die Form vom wissenschaftlich-nüchternen zum Vortrags- oder Essay-Stil sich wandelt.
    3). Sehr schön wäre es, wenn Sie noch einen oder den anderen Mythus streifen könnten.

  • S.

    Ich bringe Ihnen das Manuskript nach Salzburg mit und dort können wir Einzelheiten besprechen. Herrn Rank werde ich leicht veranlassen, Ihnen den zeitlichen Vorrang zu lassen. Seine Arbeit ist auch mythologisch, stößt an Ihre an, aber nicht mit ihr zusammen. Form und Technik sind bei ihm ganz verschieden, so daß die glatte Aufeinanderfolge beider Schriften sehr wohl möglich bleibt. Als Termin des Erscheinens müßte man den Sept[ember] ins Auge fassen, da eben zwei Hefte ausgegeben wurden und der Hochsommer als ungünstig bezeichnet wird. Jungs "Inhalt der Psychose", klein, aber sehr geraten, ist seit wenigen Tagen in meinen Händen.
    Ich könnte Ihnen noch mitteilen, daß Dr. Magnus Hirschfeld, der mich kürzlich hier besucht, Ihre Adresse verlangt hat, um in Beziehungen zu Ihnen zu treten. Ich hoffe, Sie lassen sich durch die Meinung des öffentlichen Pöbels in Berlin über ihn nicht beeinflussen.
    Auf Wiedersehen in Salzburg
    Ihr herzlich ergebener
           Freud