• S.

    17 Okt 10

    Lieber Doktor

    Ihr Auftrag an Deuticke ist ausgeführt worden,
    u ich hoffe, er hält sich daran. Hitschmann’s
    Buch heisst: F's Neurosenlehre“ u wird hoffe ich
    zum Unterricht u zur Einführung für Arbeiter
    gute Dienste thun. Das Zentralblatt wird
    stündlich erwartet. Der Vortrag von Putnam
    in Toronto (Juli) hat mir so gut gefallen,
    daß ich ihn sofort übersetzt u P. dann um
    die Erlaubnis gebeten habe, ihn im Zentral-
    blatt abzudrucken. Die Antwort kann Ende
    dieser Woche eintreffen. Jones’ Hamletstudie
    ist von einem hiesigen jungen Schriftsteller
    übersetzt worden, u Deuticke hat den Rat
    gegeben, sie als 10tes Heft der angewandten
    Schriften zu bringen, was geschehen wird. Das
    8te Heft, Pfister, ist gewiß schon in Ihrer Hand,
    das 9te wird jetzt gedruckt u behandelt
    Richard Wagner im Fliegenden Holländer.
    Autor ist Dr Graf, der Vater des kleinen
    Hans. Sie sehen, in der Literatur ist viel
    Bewegung, mehr eigentlich als in der
    Praxis. Ich bin zwar voll besetzt, konnte
    aber erst wenig abgeben. Ich werde
    mich sehr freuen, die Sexualtheorie
    englisch vor mir zu sehen. Mit besonderer
    Spannung erwartet man jetzt die

  • S.

    Berichte über die Beschimpfungen auf dem letzten
    Berliner Kongress. Oppenheim hat dort den
    Vogel abgeschossen, indem er die Angst für eine
    „vasomotorische Neurose“ erklärte!

    Nun zu Vergnüglicherem. Die Reise war sehr schön,
    Ferenczi ein sehr lieber Gefährte, aber etwas
    verträumt u durch meine Gegenwart gehemmt.
    Wir berührten von Holland aus Paris, wo
    ich die Leonardobilder wiedersah, Genua (1 Tag) dann Florenz
    (11/2 Tage) Rom (2 Tage) u dann Neapel (1/2 Tag) von
    wo aus wir mit dem Schiff nach Palermo
    fuhren. Die erste Woche in Palermo war
    die schönste, die ich je auf Reisen verbracht
    habe. Die zweite, in deren Mitte wir nach
    Siracusa kamen, war leider durch andauernden
    Scirocco gestört. Sept ist nicht die richtige Zeit
    für das schöne Land. Die Nachrichten über
    die Cholera in Neapel trieben uns vor-
    zeitig zurück, so daß wir schon am 24. in Rom
    eintrafen, am 26st schon zu Hause waren.
    Zu einem späteren Trip sind Sie herzlich
    willkommen.

    Ich lasse Ihre Frau herzlich grüßen u bin
    in Erwartung Ihrer guten Nachrichten
    Ihr treu ergebener
    Freud

    Bitte vergessen Sie das Ll D
    bei meinem Namen nicht;
    ich glaube, es ist eine notwendige
    Aufmerksamkeit für Amerika.

    [Editorsicher Hinweis Michael Schröter:
    Im PS muss man sicher „MD“ lesen statt „LD“.]