• S.

    Prof. Dr. Freud 26.XI.1923
    Wien, IX. Berggasse 19

    Lieber Herr Doktor,

    Es ist lange her seitdem Sie versucht haben, einen meiner Träume auf atypisch-gewalttätige Weise zu deuten. Seitdem hat sich viel verändert, Sie sind ungeheuer gewachsen, wissen auch soviel mehr von mir und das Resultat ist auch ein anderes. Ich kann mit Ihren Arbeiten prüfen, wo sich Ihre Vermutung an eine meiner Assoziationen anlehnen läßt und endlich die interessante Frage nach dem Verhalten des Überichs ins Auge fassen.

    Ich kann nicht alles was Sie schreiben bestätigen (etwa wie ein Sadger'scher Pat. nach der Erleuchtung), brauche aber nirgends zu widersprechen. Datum und Einreihung des Tr haben Sie richtig aufgegriffen, es handelt sich wirklich um ideelle Rückkehr zum Termin des 9t, von dem ich durch die Operation abgedrängt worden war. Diese Operation wird mit der bevorstehenden Heimkehr gleichsam abolirt. Sie ist nicht vorgefallen, ich war immer zu Hause, kann programmäßig beginnen. Außer dieser Situation kommen zwei unmittelbare Tr-Anlässe in Betracht, a) daß ich in Zeitung von L.G.'s Wiederauftreten gelesen und b) Ihr Brief über das holl. Sonderheft der Zeitschr., wie sich später zeigen wird, oder vielmehr über die Verwendg der Jagg'schen Arbeit. Beides war

  • S.

    doch gleichzeitig.

    Die Entlarvung L.G.'s als meiner Person und die Herabsetzung der andern, weil sie ja doch nichts verstehen, leidet ja keinen Zweifel, auch daß der Witz eigentlich deutsch gedacht war: Ich-nichts-übernichts. Im Tr. war sogar nur das nothing deutlich, das over-nothing gewiss nur Interpolation. Nun ist die Frage: Gegen wen richtet sich der Tr., richtet er sich übhpt keinen [sic] eine bestimmte Person. Die Assoziation verweigert die Antwort, sie sagt nur Bonar Law. Dafür tritt die Diskussion der Tatsache ein, daß der Tr. gewissen Personen erzält wurde. Anna und Dr. Deutsch. Er muß also für diese Personen etwas bedeuten. Nun lautet, was ich in Zeitung gelesen, daß LG begleitet war von Frau und Tochter, Frau und Tochter - das war für die Tr.bildung entscheidend, das waren ja auch meine Pflegerinnen, ohne die ich die schweren Tage nicht überstanden. Es ist also klar, ein Traum von zärtlicher Bedeutung für meine Frauenzimmer. Die Feindseligkeit dagegen muß Männern gelten. Ich habe mich ja wirklich gefühlsmäßig sehr an Prof. Pichler angelehnt, mit der zweiten Operation kam eine Enttäuschung, Lockerung der homosex. Bindung. Zurück zu den Frauen!

  • S.

    Dr. Deutsch ist nun persönlich wenig beteiligt. Warum sollte ich ihm - und in unfreundlicher Absicht - den Tr. erzählt haben? Eine unsichere Vermutung sagt, weil es ein bekannter Weg war, Ihnen den Tr. mitzuteilen. Vielleicht.

    Deutlicher ist mir die Kritik an Jelgersma. Erinnern Sie sich, sein Verdienst war die Anerkennung des Tr. und wie viel Missverständnis und Überhebung war dabei! Dafür soll er jetzt ein Ehrenheft der armen von Ihnen und Storfer misshandelten Zeitschriften haben, die ja fast an die Stelle der Frauen rücken! Also der Affekt, mit dem ich mich später im Gespräch mit Ihnen geäußert, macht es recht wahrscheinlich, daß auch Sie (und Storfer) unter den von Bonar Law gedeckten Figuren stecken.
    Und die Frage nach dem Überich? Schlägt es auch so kraftvoll aus, zeigt einen so brutalen Genesungswillen. Ach nein, das sähe ihm ja gar nicht ähnlich. Es giebt nur eine Assoziation die entscheidend "zu L.G. Liar from Wales" d.h. das Überich sagt nur zu dem Tr. Schon gut, alter Gaukler und Prahler!

  • S.

    Das ist ja alles nicht wahr!

    Und nun kommt eine zweite überraschende Assoziation, die über das Verhalten des Überichs keinen Zweifel mehr läßt. LG heißt ja David und nun sagt ein Einfall, daß die Lou ihren Herbert immer Davy genannt hat, weil sie durchaus ein Vatersurrogat (sein Vater hieß wirklich David) in ihm haben wollte. Das heißt also: Aufgepaßt! Da sind der Junge und der Alte verwechselt. Nicht du bist der David, sondern du bist der prahlerische Riese Goliath, den ein anderer, ein junger David beseitigen wird. Und nun ergiebt sich allerdings leicht, daß Sie der gefürchtete David sind, der mit einem Trauma d. Geburt die Entwertung meiner Arbeit durchsetzt.

    Nach der Rückverwandlg des David in den Goliath hat das Überich gegen die Identifiz. mit LG nichts mehr einzuwenden und darf schweigen. Soweit kann ich Ihre Deutung fortsetzen. Ich hoffe Sie bald zu sehen, ich bin noch nicht wieder operiert, wirklich schmerzfrei und medikamentenfrei.

    Herzlich Ihr Freud